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Im Leistungskurs Melancholie

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Josef Wirnshofer Jr. steht an seinem CD-Schrank und spielt seine Lieblings-Lieder vor. Seit bald einer Stunde macht er das und man merkt, wie sehr er sich mit Musik beschäftigt. Bei jedem einzelnen Song weist er auf das Besondere hin – diesen einen gelungenen Übergang, dieses spezielle Element, das aus einem Song ein Meisterwerk macht. Er kann gar nicht mehr aufhören mit dem Vorspielen, weil es ihm wichtig ist, all seinen Lieblings-Bands gerecht zu werden und keine zu vergessen. Nicht Tom Liwa, nicht The Velvet Underground, nicht Kristofer Aström, nicht Leonard Cohen. Alle werden sie geehrt. Unterbrochen nur von Josefs Mutter, die erst die Pizza-Semmeln vom Mittag noch einmal aufgewärmt hat und später noch einen Kuchen nach oben bringt. Mit seinen Eltern lebt Josef einige Kilometer von Traunstein entfernt in einem kleinen Dorf. Die Doppelhaushälfte der Eltern strahlt Gemütlichkeit aus – so wie man das in Bayern buchstabiert: mit viel Holz, Bildern und einer riesigen Küche. Sein Zimmer ist ein bisschen karg eingerichtet, nur an dem großen CD-Schrank sieht man, dass da jemand wohnt, der Musik liebt. Seit seinem 13. Lebensjahr macht Josef Musik. Angefangen hat er in Cover-Bands, die auf Stadtfesten aufgetreten sind, bis es ihm auf die Nerven gegangen ist, immer den gleichen Schmarrn zu spielen. Genervt hat ihn auch, dass in diesen Bands eine ausgeprägte Hierarchie herrschte und nur einige entscheiden durften. Josef wollte aber auch gerne entscheiden und vor allem seine eigene Musik machen. Also hat er sich vom Band-Leben verabschiedet und ist „The Marble Man“ geworden. Vom Dachstuhl ins Radio Den Namen hat sich der 19-Jährige von einem seiner größten Idole ausgeborgt: „Ich wollte den Namen von Nicos Album „The Marble Index“ nicht ganz übernehmen und dachte, dass der „Man“ taugt. Später wollte ich dann das „The“ noch rausnehmen, damit man mich nicht in einen Topf mit den ganzen „The“-Bands wirft. Aber da waren die Plakate für einen Auftritt schon gedruckt und es war dann auch egal.“ Das eigentliche Reich von Josef ist der ausgebaute Dachstuhl. Früher hat dort sein Vater sein Büro gehabt, bis er es für seinen Sohn räumte. Jetzt ist es mit Instrumenten voll gestellt: eine Luftorgel, ein Schlagzeug, ein Bass, mehrere Gitarren. Hier macht „The Marble Man“ Musik. Josef hat sich das Meiste selbst beigebracht: Wie man komponiert, wie man aufnimmt bis am Ende fertige Songs dastehen. Und diese Songs sind so reif und schön und klug, dass sie auch von jemandem stammen könnten, der mindestens doppelt so alt ist wie er.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Weil er nicht die Mittel dazu hat, ist vieles von dem, was er tut, nicht besonders professionell. Also macht er es so, wie er kann: Wenn ihm eine Melodie durch den Kopf geht, singt er sie in seinen alten Kassetten-Recorder ein. In seinem Dachstuhl-Studio spielt er den Song dann ein. Die Aufnahmen dauern normalerweise von Abends um acht Uhr bis morgens um vier. Damit seine Eltern trotzdem schlafen können, macht er die lauten Aufnahmen zuerst, danach kommt das ruhigere Gefrickel. Dann mischt er es im Computer zusammen, schneidet vorne und hinten noch die Stille ab und ein neuer Song ist fertig. Wenn er nicht einen besonderen Freund gehabt hätte, wäre es wahrscheinlich eher beschaulich in seinem Leben weiter gegangen. Aber dieser Freund hat eine von Josefs CDs dem Wirt der „Festung“, dem einzig guten Club von Traunstein, vorgespielt. Der lud Josef ein, dort einmal aufzutreten. Dieser Auftritt wiederum ist einer Radio-Redakteurin aufgefallen, die ihn ermutigt hat, seine CD bei der Sendung „Montags-Demo“ im Zündfunk, dem Jugendprogramm des Bayerischen Rundfunks, einzuschicken, in der Amateure ihre Musik von einer Profi-Jury bewerten lassen können. Natürlich hat Josef die Jury, bestehend aus Monta, dem Sportfreunde-Stiller-Manager Marc Liebscher und Musik-Express-Redakteur Josef Winkler begeistert und einen Auftritt beim Musik-Festival „Bavarian Open“ gewonnen. Dort ist vor hunderten Menschen aufgetreten. Und obwohl er ein bisschen schüchtern ist, hat er ziemlich furchtlos auf der großen Bühne den Zuschauern gezeigt, was er sich im elterlichen Dachstuhl ausgedacht hat. Natürlich war Josef einer der Höhepunkte des Abends.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Um zu erfahren, was Josef in seinem Leben am meisten geprägt hat, muss man sich ins Auto setzen und einmal durch Traunstein fahren, dann noch ein bisschen weiter, dann scharf rechts und einen ziemlichen steilen Hügel hinauf. Oben auf einer großen Lichtung liegt ein Einöd-Hof. Auf der Lichtung sind Schafe, Ziegen und ein unbewohnter Bauwagen. In dem, sagt Josef, hat er die schönsten Zeiten seines Lebens verbracht – zusammen mit eben jenem Freund, der alles für ihn ins Rollen gebracht hat. „Das klingt vielleicht blöd, aber für mich ist dieser Ort etwas Besonderes. Weil hier alles so ruhig und unberührt ist.“ Auf dieser Lichtung ist das tendenziell eher bayrische Traunstein sehr weit weg. Das ist Josef nur recht. „Ich bin schon gerne in der Natur, aber auf dem Land geht mir vor allem diese Bayerntümelei auf die Nerven, die oft mit Engstirnigkeit und Intoleranz einhergeht.“ Bald nach sein em Auftritt bei dem Festival hat sich ein Label bei ihm gemeldet. „Schinderwies Productions“ ist nicht zu groß, sitzt in Regensburg und das wichtigste: Es lässt Josef seine Stücke so aufnehmen, wie er es möchte. Gerade muss er noch die letzten Songs für die Platte fertig machen. Das wird schön langsam ein bisschen stressig, weil er gleichzeitig auch noch sein Abitur schreiben muss. Wenn er das geschafft hat, wird er auf Tour gehen. Demnächst muss sich Josef entscheiden, wo er seinen Zivildienst absolviert und wie es ganz allgemein weiter geht. Man hat aber den Eindruck, dass er das alles gut auf sich zukommen lassen kann. Er ist keiner, der sich von irgendjemandem oder irgendetwas nervös machen lässt. Nach dem Zivildienst will er studieren. Vielleicht Sprachen, vielleicht etwas anderes. Vielleicht wird er aus Versehen aber auch einfach hauptberuflich „The Marble Man“ Auf seiner myspace-Seite kannst du vier Songs von "The Marble Man" anhören. Fotos: Maria Dorner

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