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"Ich hoffe immer, dass die Polizisten keine Drogen genommen haben“

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Er verrät nicht seinen Namen, nicht sein Alter, er zeigt nicht sein Gesicht – und er nennt sich wie ein billiges Brötchen, eine Art kleiner Hamburger, den die Schawarma-Buden überall in Kairo verkaufen: Keizer. Damit hat der Street-Art-Aktivist aus Kairo, der gerade ein Jahr in Deutschland verbracht hat, auch schon die Stoßrichtung seiner Kunst definiert: Er will die ganz normalen Ägypter erreichen. Seit dem arabischen Frühling und den Demos auf dem Tahrir-Platz im Jahr 2011 kommentiert er mit seinen satirischen und mehrdeutigen Stencils - Graffiti mit Schablonen - die Tabus und Reizthemen der ägyptischen Politik.

jetztde: Auf deinen Stencils wird der Adler in der ägyptischen Flagge durch einen Vogelstrauß ersetzt, der den Kopf in den Sand steckt. Wie reagieren die Ägypter auf solche Motive?
Keizer: Sehr unterschiedlich. Einige sind überglücklich über meine Kunstwerke. Andere fühlen sich provoziert – bis zu gewalttätigen Reaktionen. Das Problem ist: Die Menschen hier sind nach Jahrzehnten der Regierungspropaganda misstrauisch gegenüber allem Zweideutigen. Ich möchte ihre Gewissheiten in Frage stellen und ihre Angst attackieren.



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Du meinst die Angst vor dem selbständigen Denken?
Genau. Manche fordern mich auf, die Bilder doch bitte mit Unterschriften zu versehen – damit sie wissen, was sie denken sollen. Genau das ist das Problem der ägyptischen Gesellschaft: Dass viele sich daran gewöhnt haben, einem Anführer oder einer Agenda zu folgen. Alles schwarz-weiß zu sehen. Die graue Zone dazwischen, die offenen Fragen erleben die meisten als unangenehm.

„Wir Künstler sind die Einzigen, die der Meinungsdiktatur noch etwas entgegensetzen“

2011 warst du Teil der Jugend-Revolution. Die Hoffnungen von damals sind verflogen und eine repressive Militär-Junta regiert dein Land. Welche Rolle spielt Street Art in der heutigen ägyptischen Gesellschaft?
Während der Demonstrationen gegen Mubarak auf dem Tahrir-Platz vor vier Jahren begannen viele Menschen, von der Hausfrau bis zur Tochter und zum halbwüchsigen Sohn, zum ersten Mal mit Straßenkunst zu experimentieren. Vieles war da ästhetisch oder politisch noch nicht ausgereift, trotzdem war diese Vielfalt von witzigen bis aggressiven Stimmen wichtig. Heute sind davon nur eine Handvoll Straßenkünstler übrig geblieben. Wir sind die Einzigen, die der Meinungsdiktatur und Zensur der Militär-Junta noch etwas entgegensetzen. Das Regime kennt die Macht von Graffiti und Street Art sehr gut. Genau deshalb werden wir verfolgt.

Viele der Revolutions-Graffiti scheinen heute längst zur internationalen Street-Art-Folklore zu gehören, sie wurden von westlichen Zeitschriften und vielen Webseiten aufgegriffen. Wie hat sich deine Kunst in den letzten vier Jahren weiterentwickelt?
Zu Beginn der Revolution wurde ich mit Stencils wie „We are watching back“ bekannt: Es zeigte einen Jugendlichen mit der Kamera im Anschlag. Wir erinnerten die Autoritäten daran, dass Kameras unsere einzigen Waffen darstellten, und wir alle Abscheulichkeiten und Verbrechen auf den Straßen mitfilmen und veröffentlichen würden. Dann kamen die Muslimbrüder. Wenn man sie effektiv attackieren wollte, musste das auf Arabisch passieren. Darum verdrehte ich arabische Sprichwörter so, dass ich damit die Scheuklappen-Sicht der Islamisten entlarvte, wie sie Religion als politische Waffe missbrauchen und blindlings irgendwelchen Führern folgen.

Damals bekamst du sogar Morddrohungen.
Das war, nachdem ich einen Esel auf einem Schiff gemalt hatte, das Ägypten symbolisieren sollte. Das hat die Muslimbrüder provoziert – denn offensichtlich glaubten sie, der sture Esel sei auf sie gemünzt. Damals arbeitete ich ziemlich aggressiv. Ich sprühte einen Sheikh-Typen mit langem Bart, der vom vielen Beten anstatt des üblichen Schorfs an der Stirn an gleicher Stelle ein gezeichnetes Schaf hatte, das ja dafür steht, nicht selbst zu denken und immer nur der Herde zu folgen. Heute tun mir die Muslimbrüder fast schon wieder leid...

>>> Wieso Keizer am liebsten in den armen Vierteln Kairos sprayt und wieso die deutsche Street-Art-Szene zu Macho-mäßig ist



Das waren doch mal deine ärgsten Gegner?
Als sie an die Macht kamen, dachten wir nicht, dass es noch schlimmer kommen könnte. Aber wenn wir einst einen Polizeistaat hatten, dann haben wir heute einen militarisierten Polizeistaat. Viele kritische Journalisten verschwinden hinter Gittern, es gibt keine Redefreiheit mehr. Jeder der es wagt, sich zur Regierung, dem Militär und ihren Institutionen zu äußern, wird überwacht. Die ganze Gesellschaft teilt inzwischen diese Paranoia. Jeder verdächtigt jeden: Wer nicht mit der Regierungslinie konform geht, gilt als Verdächtiger, Agent, Verräter. Und dein Nachbar kann dich jederzeit deswegen anzeigen.

Stand nicht anfangs eine Mehrheit der Ägypter hinter Präsident Sissis Militär-Regime?
Viele Ägypter – und dazu gehörten auch meine Familie und meine Freunde – waren zuerst froh, dass er die Muslimbrüder aus dem Amt jagte. Aber heute fühlen sie sich betrogen.

Welche Gefahren gehst du ein, wenn du als anonymer Straßenkünstler arbeitest?
Ich riskiere alles. Ich riskiere meine Sicherheit, ich riskiere meine Gesundheit, ich riskiere, gefoltert und ins Gefängnis geworfen zu werden. Drei mal wurde ich bereits erwischt, und kam mit einer Tracht Prügel und ein paar Tagen Gefängnis davon. Die Polizisten wussten nicht so recht, was sie mit mir anfangen sollten. Sie fanden nichts Relevantes in den Gesetzbüchern. Meine Behandlung hängt also nur von ihrer Tagesform ab. Deshalb hoffe ich immer, dass die Polizisten gut geschlafen, gut gegessen und keine Drogen genommen haben...

„Ich arbeite lieber in den Slums. Dort haben es die Menschen nötiger, provoziert zu werden“

Im Gegensatz zu den meisten deiner Kollegen arbeitest du nicht im Stadtzentrum rund um den Tahrir-Platz, sondern in den Vororten und Armen-Vierteln. Warum?
Viele Künstler haben ihre Kunst nur in Downtown Kairo verbreitet, weil sie da im Schutz von größeren Menschengruppen und Gleichgesinnten arbeiten konnten. Hier sitzen auch die europäischen Kunststiftungen, die manche Werke in Auftrag geben und bezahlen. Deshalb sieht man Street Art fast nur im Stadtzentrum. Ich sprühe meine Botschaften absichtlich außerhalb dieser kommerzialisierten Touristenbezirke. Lieber gehe ich in die Slums, dahin, wo es kaum intellektuelle Debatten gibt, und es die Menschen umso nötiger haben, angeschoben, manchmal auch provoziert zu werden.

Wie wichtig sind dir westliche Vorbilder?
Natürlich verdanke ich Typen wie Banksy eine Menge Inspiration. Ohne ihn wären wir alle nur halb so bekannt. Andererseits habe ich im letzten Jahr, als ich wegen meiner Freundin in Halle wohnte, zum Beispiel große Unterschiede zur Street-Art-Szene in Deutschland festgestellt: Da gibt es so wenig politische Botschaften und so viel Macho-mäßiges „Ich war hier“-Tagging. Gerade in unserer Zeit sollten wir uns nicht damit begnügen, Bullshit auf die Wände zu schreiben und unsere Kreativität für Ego-Botschaften zu verschwenden.

Im Oktober gehst du wieder zurück in deine Heimatstadt Kairo. Hast du schon Pläne für neue Street-Art-Projekte?
Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit dem Thema Syrien und Kriegsflüchtlinge, aber jetzt scheint es mir besonders dringend, nicht nur weil Kollegen wie Banksy ein paar hippe Arbeiten dazu gemacht haben. Mich schockiert es, dass die reichsten Länder des Nahen Ostens wie Saudi-Arabien und Katar kaum Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Und Ägypten ist kaum besser – stellt bestenfalls auf ein paar Monate befristete Visa aus. Das werde ich bald auf Kairoer Wänden kommentieren.

Könnte es sein, dass es bei deiner Einreise nach Ägypten Probleme geben wird? Weil du schon mal im Gefängnis warst?
Ich denke nicht. Einige Street-Art-Künstlern, wie zum Beispiel Ganzeer, haben den Medien-Hype genossen und sich gerne vor der Kamera gezeigt, ein paar von ihnen wurde daraufhin verboten, zu arbeiten. Die Polizei kennt ihre Identitäten und ihre Adressen. Und das alles nur, weil sie ihre Gesichter gezeigt haben. Ich habe diese Probleme nicht, weil ich immer noch anonym bin.

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