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Herzlichen Glückwunsch, Retro-Fernsehen: 20 Dinge über Videotext
In Zeiten von Highspeed-Surfen im mobilen Internet wirkt der verschrobene Videotext mit seiner 80er-Jahre-Grafik wie Technik aus einer anderen Zeit – erfolgreich ist er trotzdem. Und in dieser Woche feiert der Videotext in Deutschland sogar bereits sein 30-jähriges Dienstjubiläum. 20 wissenswerte Dinge über das Medium, das viele bereits abgeschrieben haben. 1. Die erste Spezifikation des U.K. Teletext Standard haben 1974 die Engländer entworfen und damit den Grundstein für das gelegt, was sich in Deutschland kurze Zeit später als Videotext etablieren sollte. 2. Im Jahr 1975 begann der Bayerische Rundfunk als erste Rundfunkanstalt in Deutschland über den Sender Wendelstein mit Versuchsausstrahlungen für Videotext. Die zehnjährige Videotext-Testphase von ARD und ZDF begann am 1. Juni 1980. Der Regelbetrieb startete im Jahr 1990. 3. Der Wissenschaftler Ulrich Roloff bezeichnete den Videotext kurz nach seiner Einführung als „Einstiegsdroge in das totale Medienzeitalter“. Über die heutigen Internetjunkies auf (High-)Speed hat er sich bisher noch nicht öffentlich geäußert.
4. Was genau ist eigentlich Videotext? Ein analoges Bild nach mitteleuropäischer Fernsehnorm verfügt über 625 Bildzeilen, von denen jedoch nur 576 für das Fernsehsignal verwendet werden. Den Rest bezeichnet man als sogenannte „Austastlücke“, die für die Übertragung des Videotextes genutzt wird. 5. Genau 23 Zeilen mit je 39 Anschlägen passen auf jede einzelne Videotextseite. Wer auf einer Videotext-Seite schreiben will, kann aus einem Zeichensatz von 96 Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen auswählen. Belegbar sind aus Kapazitätsgründen jedoch lediglich die Seiten 100 bis 899. 6. Beim digitalen Fernsehen wird der Videotext als eigener kontinuierlicher Datenstrom neben den Video- und Audio-Datenströmen der Programme transportiert. Im digitalen Haushalt fügt der Digital-Empfänger den Videotext in der Regel jedoch wieder in die Austastlücke des Fernsehbildes ein, so dass der Fernseher den Videotext wie gewohnt anzeigt. 7. Der Jahresbilanz 2009 zufolge ist der Videotext-Marktführer in Deutschland die ARD mit einem Marktanteil von 15,7 Prozent, RTL kommt auf 14,6 Prozent und das ZDF auf 12,7 Prozent. 8. Nach der Startseite (100) ist die Bundesliga-Hauptseite (251) die meistfrequentierte Tafel im ARD-Videotext. 9. In der anfänglichen Testphase haben ARD und ZDF gerade mal 75 Seiten angeboten. Heute sind es bis zu 1.300. 10. Rund 15 Millionen Menschen greifen pro Tag auf ein beliebiges Videotextangebot zurück. 5,5 Millionen Zuschauer nutzen durchschnittlich allein den ARD-Text pro Tag. Während der Olympischen Winterspiele waren es sogar annähernd 10 Millionen. 11. Die größte Domäne der ARD ist der Sport. An einem Bundesligasamstag arbeiten drei Mitarbeiter an der Berichterstattung der Fußballergebnisse. Hinzu kommt eine studentische Hilfskraft für den mobilen Dienst der Handynutzer bzw. die Ergebnisse der ausländischen Ligen sowie ein Student für das Zuschauertelefon. 12. In allen anderen europäischen Ländern wird der Videotext nicht Videotext, sondern Teletext genannt. Um jedoch Verwechslungen mit dem damaligen Fernmeldedienst Teletex zu vermeiden, haben sich ARD und ZDF bei der Gründung für diese besondere Variante der Namensgebung entschieden. 13. Am Anfang waren Fernsehgeräte nur vereinzelt mit Videotext-Decodern ausgestattet und die Etablierung als Standard-Ausstattungsmerkmal ging bloß sehr schleppend vonstatten. Zu Beginn wurden daher sogar externe Videotext-Empfänger mit einer eigenen bunten Tastatur verkauft. 14. Anfänglich gab es auch ein Fernsehformat unter dem Titel „Videotext für alle“, in dem in den damals üblichen Sendepausen zur Mittagszeit oder nachts Videotextseiten als normales Fernsehbild ausgestrahlt wurden. 15. Pro Fernsehbild kann immer nur eine einzige Seite übertragen werden. Ein Fernsehbild besteht in Europa aus 50 so genannten Halbbildern pro Sekunde, demnach gehen maximal 50 Seiten pro Sekunde über den Sender. Bei 800 möglichen Seiten können also locker bis zu 16 Sekunden vergehen. Geräte mit Arbeitsspeicher können diese Zeit jedoch verkürzen. 16. Vielen Zuschauern dauert die Videotext-Nutzung zu lange. Dabei hat die Einführung des TOP-Verfahrens (Table Of Pages) seit Ende der 1980er Jahre bereits für eine deutliche Verkürzung der Wartezeiten gesorgt. Beim TOP-Verfahren werden vereinfachte Inhaltsverzeichnisse der Videotext-Seiten erstellt, um sie schneller aufrufen zu können. So können zum Beispiel mit den vier farbigen Tasten auf der Fernbedienung alle Seiten ausgewählt werden, ohne dass man die genauen Tafelnummern kennen muss. 17. Die drei am häufigsten genutzten Themenbereiche im Videotext sind die Programminformationen (zu finden auf den Texttafeln 300ff.), der Sport (der auf den Seite 200ff. angezeigt wird) und das Wetter (auf Videotexttafel 170ff.). 18. Viele Sender bieten ihren Videotext-Service auch im Internet an – selbstverständlich in der bewährten Klötzchengrafik, die man aus dem Fernsehen kennt. 19. Versuche, die Austastlücke des Fernsehens für andere Zwecke zu nutzen, sind (zumindest in Deutschland) bisher relativ erfolglos geblieben. Der Musikdienst R@dio MP3 hat zum Beispiel ab März 2000 für eine Weile per NBC Europe Mp3-Musikdateien verschickt, die man am PC empfangen und anhören konnte. Channel Videodat hat Anfang der 1990er Jahre auf Pro Sieben und später auf Vox Computerprogramme für MS-DOS ausgestrahlt. Doch auch diesem Dienst war kein dauerhafter Erfolg beschert, was wohl vor allem an der langsamen Übertragungsrate von nur 15 Kilobit pro Sekunde geschuldet war. Eurosport hat über Videotext neben seinem TV-Programm auch mal den Porno-Dienst Sexxxcast.TV gesendet und damit den Zorn des ZDF auf sich gezogen, weil die Mainzer Sendeanstalt bei der Digitalübertragung mit dem Sportsender kooperiert hatte. 20. Das neue Hybrid Broadcast Broadband TV, kurz: HbbTV, könnte den Videotext revolutionieren, denn mittels HbbTV sollen Inhalte über mehrere Übertragungswege (hybrid) empfangbar sein. Deshalb baut HbbTV auf vielen bereits existierenden Fernsehstandards wie DVB, aber auch Internet-Technologien wie HTML auf. Dadurch kann das Digital-Fernsehen mit Inhalten aus dem Internet kombiniert werden. So könnte der Videotext mit HTML neu erstellt werden – mit besserer Auflösung, richtigen Bildern und sogar Videos. Die Frage ist nur, ob man das will.