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Freitag, der 9. Juni 2006 in München - der Nachmittag

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Julia Decker, 14.55 U-Bahn-Haltestelle Fröttmanning: M. freut sich, dass ich da bin, wenn auch eine Stunde zu spät. Der Großvater hat Verständnis für meine Verspätung, schließlich wären ja nicht alle Tage soviele Menschen unterwegs. Vor der Arena ist es erstaunlich ruhig. Kaum jemand, der nichts schwarz-rot-goldenes an sich hat. Diese Farbkombination sieht auch dann nicht schön aus, wenn sie alle tragen. Faris Al-Sultan, 15.30 Aufstehen, fertigmachen, kleine Brotzeit mit Kuchen&Banane Julia Kliemt, 16.00 Erste Verschnaufpause. Kaum waren wir mit unserem Fahrzeug am Abrufplatz wurden wir fast schon belagert. Von Kopfschmerzen über Schnittwunden (man sollte halt nicht versuchen, trotz Überfüllung über die Absperrzäune zu klettern), bis hin zu hartnäckigen Fremdkörpern im Auge haben wir in der ersten Stunde schon alles gehabt. Faris Al-Sultan, 16.00 Ich fahre mit dem Rad zum Spiel. Mein Dank an unseren Ministerpräsidenten, der mir eine Karte geschenkt hat. Normalerweise lasse ich mein Supermountainbike nirgendwo stehen, aber ich parke direkt neben einem grün-weißen Auto. Katja Huber, 16.45 Schyrenbad: Ein Spiel dauert 1000 Meter, das Becken ist eckig, und die Runden schwimmen im Eckigen. Schwimmen ist mein Fußball. Auch heute. Und ich bin nicht allein. Julia Kliemt, 16.47 Drei Kollegen sind als Einsatzteam gerade zur „Streife“ aufgebrochen. Und schon werden wir von drei Amerikanern angesprochen, darunter einer mit Blut auf Hand und T-Shirt. Sieht nicht sehr angenehm aus. Er sei gestürzt, es tut weh und blutet noch immer. Ein kurzer Blick bestätigt: massiver Schnitt vom rechten Handballen bis zum Endglied des Zeigefingers. Die Schmerzen sind so stark, dass der Patient nach kurzer Zeit sogar zusammenbricht. Gottseidank kommt unser Fußtrupp zurück, so können wir unseren Amerikaner zum Behandlungsplatz im Eingangsbereich der Olympiahalle bringen. Dort können sich die Ärzte um ihn kümmern. Anna Böger, 16.50 Am Bahnhof. Zurück nach München. Zu Freunden. Fußball gucken und feiern. Faris Al-Sultan, 16.35 Ein bisschen was von der Eröffnungsfeier hab’ ich verpasst. Ich sitze neben zwei weiteren Sportlern Georg Hackl und Tobias Angerer. Ich bin kein großer Fußballfan aber bei 60 000 im Stadion läuft es mir eiskalt über den Rücken, fast wie beim Zieleinlauf auf Hawaii. Julia Decker, 16.45 Die Feier ist ganz hübsch, sieht aber sicher im Fernsehen eindrucksvoller aus. Was Claudia Schiffer’s Job genau gewesen ist, kann ich nicht erkennen. Julia Kliemt, 17.17 Während ich das schreibe, schaut mir ein aufmerksamer Fan neugierig über die Schulter. Er heißt Stefan und möchte explizit namentlich genannt werden. Es ist schön, dass man außer zu Betrunkenen und Irren auch mal zum normalen Fan Kontakt hat. Aamu Song 17.15 Ich darf nicht in den Olympiapark. Ich weiß nicht warum. Ich spreche kein Deutsch, hänge mit der „Polizei“ herum. Marcel Ullmann, 17.49 Wir stehen in einem großen Gang und wir müssen ganz, ganz leise sein. Da sind zwei Türen und auf der einen steht „Deutschland“ und auf der anderen „Costa-Rica“. Erst geht die Tür von der Costa-Rica-Kabine auf und die Spieler stürmen raus und schreien ganz laut. Und die Deutschland-Tür geht auch auf und die kommen auch raus, aber von den Deutschen schreit nur Klose, aber der schreit so laut, dass ich total zusammenzucke. Voll dumm, dass die so schreien! Am allerallerliebsten wäre ich mit dem Lehmann eingelaufen, aber der McDonald’s-Mann hat mich dann zu Friedrich hingestellt. Der hat meine Hand genommen. Ein bisschen feucht war die Hand vom Friedrich und warm. Sonst hat die sich genau so angefühlt, wie die Hand von meinem Papa. Und dann sind wir raus und das war so laut! Und tausend Fahnen. Ich habe mich vor den Friedrich hingestellt und nachdem die Nationalhymne von Costa-Rica gekommen war, hat jemand laut gebrüllt: „Alle zusammen!“ Da bin ich wieder total erschrocken! Dann hat der Friedrich die Hände von meinen Schultern genommen und die Spieler, die neben ihm standen, umarmt. Das war anders als bei der Probe! Dann hab ich die Nationalhymne gesungen, das habe ich mit meinem Papa ganz oft geübt. Der Friedrich hat nicht mitgesungen, der hatte wahrscheinlich nicht genug geübt. Danach mussten wir Eskorte-Kinder wieder raus und dann ging unser schöner Plan schief: Der Janik, der Tim und ich, wir wollten uns beim Rausgehen an den Händen nehmen und eine Mini-La-Ola machen, aber der Janik war voll langsam und die anderen Kinder waren schon vom Platz und da haben wir uns nicht mehr getraut, auch weil der McDonald’s-Mann schon gewunken hat, und wir sind ganz schnell abgedüst. Aamu Song 17.55 Ein Mann von der „Polizei“ sagt uns, dass es am Ostbahnhof auch öffentliche Leinwände gibt. Katja Huber, 17.59 Alter Peter. Zum Anpfiff die 302 Stufen des Alten Peter hinauf steigen. Beim ersten Tor von 57 Meter Höhe und „ganz von oben herab“ einer Stadt beim Fußball-Gucken zuschauen. Das war der Plan. Aber der Turm ist geschlossen. Faris Al-Sultan, 18.00 Spiel beginnt, hoffentlich wird’s was. Manrique, 18.00 Wir schauen uns das Eröffnungsspiel in einem Kino an. Es ist nicht schlimm, dass wir verlieren. Wir Costaricaner wollten einfach nur spielen. Wir waren dazu bestimmt, zu verlieren. Marcel Ullmann, 18.15 Der McDonald’s-Mann bringt uns zu unseren Papas auf die Zuschauerränge und mein Papa sieht ganz verheult aus. Er sagt, er sei ganz doll stolz. Das erste Tor für Deutschland habe ich da schon verpasst und das zweite sehe ich auch erst in der Wiederholung auf der Leinwand, weil da ziehe ich mir gerade eine lange Hose an. Das dritte Tor sehe ich nur halb, weil da ziehe ich mir gerade eine Jacke an und beim vierten Tor binde ich mir gerade die Deutschlandfahne um. Die Tore habe ich also nicht gesehen, aber das Spiel war trotzdem toll. Mein Papa sagt, ich hätte mich noch viel mehr umziehen müssen, dann hätten die Deutschen 10:2 gewonnen, mindestens. Julia Decker, 18.30 Ich finde das Lied: „Steh auf wenn du ein Deutscher bist“ unmöglich. Die einzige Alternative: „Berlin, Berlin wir fahren nach Berlin“ ist zwar harmlos, aber auch nicht besonders einfallsreich. Der Costa-Rica-Fanblock singt immer etwas, das sich anhört wie „Bielefeld, Bielefeld“. M. hat schlechte Laune, wegen Friedrich. Auch den kannte ich nicht. Den Großvater bringen weder die Fangesänge, noch die Haupttribüne, noch die schlechte Nationalmannschaft aus der Ruhe: er freut sich einfach, dass er hier ist. Aus der Entfernung erkenne ich oft nicht, ob der Ball Richtung Tor oder Mittellinie fliegt. Faris Al-Sultan, 19.45 Was für ein Spiel, kaum Fouls, viele Tore, Offensivfußball, da macht Zuschauen Spaß, ich glaube auch die Costaricaner waren trotz Niederlage begeistert. Julia Kliemt, 19.54 Ein Costaricaner steht weinend in der jubelnden Menge. Lies hier, wie der Tag weiter ging: Freitag, der 9. Juni 2006 - der Abend - und wie er begann: Freitag, der 9. Juni 2006 - der Vormittag

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