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"Flock"-Entwickler: Der schwarze Schirm von Schwabing

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Minderjährige durften nicht mit radioaktivem Material arbeiten, deshalb setzten sie Robin Slomkowski an den Schirm. Er war schwarz wie ein tiefer, dunkler Teich, wie ein Nachthimmel ohne Sterne war er, doch in der linken oberen Ecke des geheimnisvollen Bildschirms glomm ein kleines Licht. Ein Cursor. Wie bei einem gewöhnlichen Computer. Doch es war kein gewöhnlicher Computer, vor dem Robin da saß, 1991, in einem Labor der „University of Oregon“, USA. Robin, ein Junge von 16 Jahren damals, hatte die Forscher so lange genervt, er wolle in ihrem Gen-Labor arbeiten, in den großen Ferien, Protein Purification, X-Ray-Crystallography, einen Sommer lang, bitte, bitte, bis die Forscher schließlich aufgaben und den Jungen in ihr Labor ließen. Einzige Einschränkung: kein radioaktives Material, nicht für Minderjährige. Sie setzten Robin an den Schirm mit dem Internet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Robin Slomkowski „So sah das aus damals“, sagt Robin Slomkowski, greift sich eine der Funk-Tastaturen in seiner Schwabinger Wohnung, drückt eine Taste. Der wuchtige Breitbild-Fernseher an der Wand, der gerade noch Webseiten, Bilder, Worte zeigte, erlischt. Schwarz ist er jetzt. Schwarz bis auf einen kleinen, blinkenden Cursor. „Das Internet“, sagt Robin Slomkowski. „Das waren seine Anfänge: ein schwarzer Bildschirm.“ Er grinst. Den mag er, den Trick. Wirkt immer. Das Internet, eine schwarze Nacht. „Lange her“, sagt Slomkowski. Lebendiges Chaos auf dem Bildschirm Er gibt einen Befehl ein, und auf dem Bildschirm entfaltet sich erneut das Internet, wie es heute ist – ein Browser, Farben darauf und Bilder und Links, die ganze weite Welt des WWW. Robin Slomkowskis Welt. Der 31-Jährige, der das Internet schon kannte, als es noch ganz klein war, ist mit ihm groß geworden: Von Anfang an dabei, arbeitet der Amerikaner heute als Entwickler des Internet-Browsers „Flock“ von München aus an der Zukunft des Netzes mit. Robin Slomkowski räumt seine Tastatur wieder beiseite und erinnert sich seiner Faszination für jenen schwarzen Schirm. Zu jener Zeit war das Internet vor allem ein Computer-Netzwerk von Universitäten, und so hatte auch das Labor, in dem Robin einen Sommer lang arbeitete, einen Internet-Zugang. Robin verfiel dem schwarzen Schirm schnell. Einen Sommer später kam er wieder, es hatte sich viel getan, aufgeregt zeigt ihm eine Forscherin ein seltsames Gebilde auf dem Schirm: ein Browser – ein Gefährt gewissermaßen, um im Internet navigieren zu können. Robin war nicht beeindruckt. „Was soll daran denn so toll sein?“, fragte er. Inhalte, antwortete die Wissenschaftlerin: Nun könne man sich Inhalte wie Bilder oder Grafiken besser ansehen. Robin hielt das für Unsinn. „Zu der Zeit gab es keine Inhalte im Internet.“ Da navigierte die Forscherin zum NCSA, National Center for Supercomputer Applications, und holte lebendiges Chaos auf den Bildschirm: Wetterberechnungen, in Bild und Graph. Robin war begeistert. Von da an ging alles ganz schnell. Das Internet machte Karriere, und Robin Slomkowski auch. Er, der Junge, der dieses seltsame Internet zu nutzen verstand wie wenige, wurde erst Techniker der „University of Chicago“, 1996 dann, mit 21, Systemadministrator bei „First Options of Chicago“, einer Finanzfirma, die mit Aktienoptionen handelte. Sie gaben ihm als erstes eine Krawatte, dann eine Aufgabe: Er solle, befahlen sie, den Handel mit Optionen auf das Internet umstellen helfen. Damals, in der dunklen Vergangenheit von 1996, sah es in vielen Finanzfirmen, die mit sehr viel Geld hantierten, immer noch so aus wie 50 Jahre zuvor: Der Handel erfolgte größtenteils über eine lange Reihe von Telefonen, und obwohl schon viele Computer eingesetzt wurden, gab es auch noch Büroboten, die mit Kauf- oder Verkaufsorder von Händler zu Händler rannten. Die Händler, die mit Millionen von Dollars handelten, trauten diesem Internet nicht recht.


Aber das Internet war zu gut: Alle Kunden können in Echtzeit handeln, mit mehr Verkaufsvorgängen in einer Sekunde als ein Mensch in einer Stunde schafft, und das in einem rasend schnellen Geschäft wie dem Handel mit Optionen, der Formel Eins des Börsenhandels. Sie stellten das ganze System auf das Internet um. Sie waren sehr nervös deswegen. Sie hatten Angst vor Fehlern. Deshalb holten sie Menschen wie Slomkowski – junge Typen, die verstanden, was sie wenn überhaupt nur grob begriffen: die Technik des Internets. Sie sagten Slomkowski: Okay, keine Ahnung, was genau du da machst, aber eines solltest du wissen: Wenn die Maschinen nicht funktionieren, wenn wir keine Verbindung zu unseren Kunden haben, verlieren wir eine Million Dollar – pro Minute. Einmal geschah es. „Das System schmolz uns einfach weg“, erinnert sich Robin. Er saß an seinem Rechner, hinter ihm stand der Boss der Firma, so nah, dass er den mühsam gebändigten Atem des Managers in seinem Nacken spürte. „Der hätte mich am liebsten angebrüllt“, erinnert sich Slomkowski. „Aber er wusste: Der Junge da, nur der kann das jetzt reparieren.“ Robin Slomkowski verdiente damals so viel Geld, dass es ihm wie ein Wunder vorkam. Das war das Internet damals auch: ein Wunder. Es war die Zeit, in der jede Firma mit dem Kürzel .com im Namen als Goldgrube galt, ganz egal, was sie machte. Slomkowski jagte von einem Job zum nächsten, wechselte von Chicago in das Silicon Valley, es kam ihm alles wie Wahnsinn vor. Er ging einmal im Monat zum Vieh-Markt nach San Francisco, in ein winziges Restaurant in China-Town, erster Stock, sechs Gänge acht Dollar, dort trafen sich Spezialisten wie er zu einer Art Stammtisch, und am Ende standen Headhunter auf und sagten, sie bräuchten dringend diesen oder jenen Spezialisten, sie böten dafür dieses und jenes Wahnsinnsgehalt, „wir nannten das den Auktions-Block.“ Er erlebte Vermieter, die keine Miete mehr wollten, sondern Anteile an Aktienoptionen. Es war wie ein Rausch. Robin Slomkowski hatte viel Geld. Aber wenig Zeit. Eigentlich gar keine. „PTO“, sagt er knapp. PTO, das heißt „Personal Time Off“, persönliche Freizeit, hinter der Abkürzung verbargen sich in der Zeit des Wahnsinns die freien Tage, die jedem Mitarbeiter zugestanden wurden, egal ob er krank war oder tatsächlich Urlaub machte – 15 Tage im Jahr. „Aber wenn man die mal wirklich nehmen wollte, wurde es nie erlaubt.“ 2003, als der Boom vorbei war, hatte Slomkowski genug. Er zog mit seiner Freundin Taska, einer deutschstämmigen Amerikanerin, nach Berlin. „Ich wollte irgendwohin“, sagt er, „wo die Menschen kein Englisch sprechen.“
Sechs Monate, so hatten Robin und seine Freundin geplant, wollten sie in Berlin bleiben. Es wurden zwölf. Taska hatte eine gute Arbeit, Robin lebte von seinen Ersparnissen, ließ es sich gut gehen, lernte Deutsch. Als seine Freundin das Angebot bekam, für ihre Arbeit nach München zu ziehen, zog er mit ihr, in eine Dachgeschoss-Wohnung mit zwei Etagen, so hell, so luftig, so schön, dass Robin Slomkowski sich schnell angewöhnte, meist barfuß zu laufen in seiner Wohnung. Die Eine-Million-Dollar-Mail Er stellte seinen Breitbild-Fernseher auf, mit dem er in das Internet blickt, dazu die Festplatten, die Laptops, die er für seine Leidenschaft braucht, und dazu zwei Server, Großrechner, die sein Netzwerk steuern. Dann aber stromerte er die meiste Zeit doch durch die Parks Münchens, Luitpoldpark, Englischer Garten, Olympiapark, zusammen mit seinem Hund Duco, oder saß einfach viele Vormittage lang im Café Reitschule oder einem der anderen Cafés von Schwabing. München gefiel ihm immer besser. Doch langsam wurde sein gespartes Geld knapp. Da bekam er eine E-Mail von einem alten Arbeitskollegen: „Ich habe eine Million Dollar, um eine Firma zu gründen. Willst du mir helfen?“ Seitdem arbeitet Robin Slomkowski an „Flock“, einem neuartigen Internet-Browser, von dem er hofft, dass er ein neues Kapitel in der Geschichte des Internets werde. Wieder greift Slomkowski nach seiner Funktastatur, wirft ein neues Bild auf seinen Schirm, zeigt sein Werk. „Wir nennen uns den sozialen Browser“, sagt er, und dann legt er los. Er fährt Fenster von Computerprogrammen hoch, springt von einer Internetseite zur nächsten, klickt sich durch das Netz, in einer wirren Abfolge, und das alles ist wie ein Beweis: Das Internet ist inzwischen wie das Meer – eine unermessliche Weite, voller Bewegung und Wellen, doch obwohl jeder genau weiß, dass das, was drin ist, nämlich Wasser oder Wissen, lebensnotwendig ist, ist das Internet inzwischen so unergründlich, dass man darin leicht ertrinken kann. An dieser Stelle, sagt Robin und wechselt auf den von ihm mit entwickelten Browser, setze „Flock“ an: Der Browser soll seinen Benutzern melden, wenn und wie sich das Wissen da draußen im Netz vermehrt – welche Zeitungs-Homepage gerade neue Nachrichten vermeldet hat, welcher Freund gerade welche Bilder auf seine Seite hoch lud, welche Lesezeichen der Chef gerade neu in seine Liste der wichtigen Homepages aufnahm. „Flock ist dafür gemacht, Informationen zu verwalten, den Überblick zu behalten“, sagt Slomkowski. Der Browser soll mehr sein als ein herkömmlicher Browser, weil er genau das in sich vereint, was bislang nur viele einzelne Homepages wie MySpace, YouTube oder auch der-fliegenfischer.de im Internet leisten, nämlich persönlich relevante Informationen im gesamten Netz unter allen denjenigen zu vernetzen, die sich genau für diese Art der Information interessieren – mit „Flock“, hofft Robin, ertrinkt man nicht mehr in Wissen, sondern taucht hindurch, zielgenau. Ende des Jahres soll der Browser in einer ersten Version bereit stehen. Slomkowski schließt seinen Browser wieder, fährt den Laptop herunter, klappt ihn zu. Er wird ihn erst am Abend brauchen. Wegen der Zeitverschiebung zu Kalifornien, dem Sitz seiner Kollegen, arbeitet Robin nur spätabends. Oder ganz in der Früh. Wenn der Himmel über München so aussieht wie der schwarze Schirm, mit dem alles begann.

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