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Familie Durham ist jetzt eine Band

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Eigentlich hält sich der 17-jährige Lewis Durham aus London für einen ziemlich modernen Menschen. Okay, die aktuellsten Platten in seiner Sammlung sind von T.Rex und stammen aus den 70er Jahren; und Turnschuhe würde er, ehrlich gesagt, auch nie tragen. Aber mal abgesehen von seiner großen Begeisterung für Aufnahmegeräte aus den 1950er und 60er Jahren, führt er, da besteht er darauf, ein sehr modernes Leben. Zusammen mit seinen Schwestern Kitty, 16, und Daisy, 19, hat er eine Platte aufgenommen, die allerdings nach einer anderen Zeit klingt. Ein bisschen so, als hätte der legendäre Betreiber der SUN-Studios, Sam Phillips, der unter anderem Elvis Presley und Johnny Cash entdeckte, die drei in eine Zeitmaschine gesteckt und in das Memphis der 50er Jahre geholt. Genau das war die Absicht von Lewis Durham, der die Aufnahmen in einem zum Studio umfunktionierten Zimmer im Haus seiner Familie produzierte: „Die Musik, die wir hören, wurde auf diesen alten Geräten aufgenommen und wir wollten, dass unsere Platte genauso klingt. Also haben wir Mikrofone, einen amerikanischen Tape-Recorder und Verstärker aus dieser Zeit gesammelt und dann die Stücke live eingespielt. Das haben wir aber nicht aus nostalgischen Gründen gemacht, sondern weil nur so die Energie der Musik transportiert werden kann, das Gefühl, das darin steckt. Es gibt bei den Aufnahmen der 1940er und 50er Jahre diesen Drang, sofort tanzen zu wollen auf diesen speziellen Beat.“ Bis auf den von Lewis komponierten „Buggin’ Blues“ haben Kitty, Daisy und er auf der Platte ausschließlich Coverversionen ihrer Helden eingespielt; unter anderem Muddy Waters „I Got My Mojo Working“, den Charlie Rich-Hit „Mohair Sam“ und den Hawaiian-Swing-Klassiker „Honolulu Rock-A Roll-A“. Herausgekommen ist ein Album, das von der britischen Musik-Presse einhellig und enthusiastisch gefeiert wurde, die, staunend angesichts des Alters, von der Energie und der Musikalität der Teenage-Geschwister begeistert war.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

One, two, three: Daisy (links), Lewis und Kitty posieren für ein Bild, das so auch in den 50er Jahren hätte entstehen können. Die Band gründeten die Drei übrigens vor sechs Jahren - da war Kitty gerade mal neun. Schon vor der Veröffentlichung des Albums hatten sich Kitty, Daisy & Lewis in London und Umgebung eine beachtliche Anzahl von Fans erspielt, egal, ob sie vor Kindern und Jugendlichen auf so genannten „Underage“-Partys auftraten oder in Dance-Clubs. Einer bestimmten Szene wollen sie keinesfalls zugerechnet werden, weder der Rockabilly-Fraktion, noch den Neo-Swing-Kids – trotz ihrer lupenreinen 50er-Jahre-Optik, die sie sich hauptsächlich aus dem Vintage-Kleiderschrank ihrer Mutter zusammengeborgt haben. Dank ihres Stils, den die drei auch im Alltag pflegen, wurden sie alle von Mitschülern mit dem Spitznamen „Elvis“ bedacht. Die Band im Pub gegründet An der Faszination der Durhams für amerikanische Blues-, Country- und Swingmusik trägt vor allem Vater Raeme schuld. Der Musikingenieur hat seinen Kindern von früher Kindheit an die Songs von Louis Jordan, Muddy Waters und Louis Prima vorgesungen. Als die Kinder alt genug waren, einen Plattenspieler zu bedienen, hörten sie sich eigenständig durch die väterliche Sammlung. Und so, sagt Lewis Durham heute, lernt man Musikgeschichte kennen. „Wenn man einen Künstler toll findet, dann kriegt man irgendwann heraus, dass der Coverversionen von anderen Musikern gespielt hat und kommt so zum nächsten. So ist im Grunde unsere Begeisterung für die Musiker aus dieser Zeit entstanden und gewachsen.“ Es war dann aber doch eher einem Zufall zu verdanken, dass die drei beschlossen, eine Band zu gründen. Vor sechs Jahren, als die jüngste, Kitty, gerade neun Jahre alt war, hörten sie in einem Pub einer Jam Session örtlicher Musiker zu, als der Pub-Besitzer sie aufforderte, auf die Bühne zu kommen, und mitzumachen. Die Session verlief gut, die Band war gegründet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zur Gitarren- oder Klavierstunde sind sie nie gegangen, das Spiel von Gitarre, Schlagzeug, Bass, Banjo und Klavier haben sie sich selbst beigebracht. Keine große Sache, meint Lewis: „Viele Instrumente ähneln sich ja – der Bass der Gitarre, die wiederum dem Banjo und das der Lap-Steel-Gitarre. Ich wusste ein paar Akkorde und habe im Laufe der Zeit einige Tipps von Leuten bekommen. Den Rest kriegt man dann schon raus.“ Kitty, Daisy & Lewis wurden bald vom Radio-DJ und Labelbesitzer Rob da Bank entdeckt, der den Geschwistern Auftritte verschaffte, was aufgrund ihres Alters zu absurden Situationen führte. „Als ich elf war und Kitty neun, wurden wir regelmäßig aus Clubs rausgeschmissen, sobald wir den letzten Song gespielt hatten. Wir waren zu jung, um überhaupt dort sein zu dürfen“, erzählt Lewis. Und auch wenn die drei Lust hätten, jetzt, nach Erscheinen des Albums auf Tour zu gehen – es geht nicht. Sie müssen beim Planen der Live-Auftritte Kittys Schulferien berücksichtigen. Wobei Lewis, was die Bandzukunft betrifft, ganz gelassen bleibt. Sollte sich die Band demnächst auflösen, sagt er, werde er eben Toningenieur. Wie sein Vater. Das Produzieren hat Lewis fast am meisten Spaß gemacht während der Aufnahmen – wenn sie denn mal Spaß gemacht haben. Denn so eine Geschwister-Band hat durchaus auch ihre Schattenseiten: „Es ist manchmal extrem anstrengend! Wie wahrscheinlich alle Geschwister streiten wir uns ziemlich oft und in unserer Familie gibt es ständig irgendwelche Auseinandersetzungen wegen irgendetwas.“ Bei Live-Auftritten lassen sich Kitty, Daisy & Lewis von zwei weiteren Familienmitgliedern unterstützen. Dann steht Mutter Ingrid, einst Schlagzeugerin der Post Punk Girl Band The Raincoats, am Bass und Vater Graeme an der Rhythmus-Gitarre. Wobei immer klar ist, wer das Sagen hat: „Wir sind die Chefs. Immerhin haben wir mit der Band angefangen und unsere Eltern sind erst später dazu gekommen. Aber wir sind keine besonders strengen Band-Bosse. So ernst nehmen wir das alles dann auch wieder nicht.“ Denn Musikmachen ist für die Familie Durham immer noch vor allem etwas, das Spaß machen soll. „Kitty, Daisy & Lewis“ von Kitty, Daisy & Lewis erscheint am 29. August beim Label Sunday Best (Rough Trade). Auf myspace.com/kittydaisyandlewis kannst du einige Songs hören. Die Geschwister werden vermutlich im Januar 2009 für einige Konzerte nach Deutschland kommen.

Text: christina-waechter - Fotos: Sunday Best (Label)

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