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Expandier dich glücklich

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Wer vor einigen Jahren nach Berlin fuhr und sich für das interessierte, was abseits vom Touristenzirkus am Brandenburger Tor passierte, brachte mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Urlaubsfoto mit nach Hause, das ihn beim Waffeln essen auf bunten Flohmarktmöbel zeigte. Mit einem Besuch beim „Kauf dich glücklich“ oder dem „Glücklich am Park“ setzte man sich mittenrein in das bohèmige Berlingefühl. In liebevoll-chaotischer Anordnung fanden sich 50er, 60er und 70er Jahre-Möbel, auf denen man Waffeln, Eis und Getränke genießen konnte. Am Tresen gab es zum Abschied die Kindheitsidylle mehrerer Generationen: knallbunte Flummis, Seifenblasen, Funkenräder – emotionale Kostbarkeiten für nur ein paar Cent.

Das war 2002. Heute gibt es unzählige Läden, die auf Flohmarktcharme und ungewöhnliche Mischkonzepte setzen. „Kauf dich glücklich“ kann sich die geistige Mutter solcher Geschäfte nennen. Mittlerweile setzt das Unternehmen hauptsächlich auf Mode. Mit Erfolg: Neben Berlin, Bremen, Hamburg, Münster, Köln und Stuttgart zählt auch das Münchner Glockenbachviertel seit einigen Wochen eine „Kauf dich glücklich“- Filiale zu seinem Ladenangebot. In der Reichenbachstraße 14 zeigen goldene Bilderrahmen an den Wänden Fotos von fröhlichen Models in zarten Sommerkleidchen und skandinavischen Schühchen. In den Ecken suggerieren freiliegende Fliesen und stellenweise bröckelnder Putz angesagten Used-Look, Holzblöcke und Drahtseile präsentieren niedliche Blumenkleider in frühlingshaften Farben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der "Kauf dich glücklich" Laden in München

Die heimelige Kaffeeatmosphäre ist längst einem ziemlich ausgefuchsten Modegeschäft gewichen. Man kann sich ein wenig betrogen fühlen von der Marke, dessen unverwechselbares Ladenschild aus im Erpresserstil zusammengeklebten Buchstaben plötzlich im Szeneviertel jeder größeren Stadt zu finden ist – und dabei nicht einmal mehr Waffeln verkauft. Und man kann sich auch fragen, ob aus einem einst experimentellen Mischkonzeptladen im Laufe der Zeit nicht eine austauschbare Kette geworden ist.

Der heute 32-jährige Gründer Christoph Munier, der „Kauf dich glücklich“ vor gut neun Jahren mit seiner fünf Jahre älteren WG-Mitbewohnerin Andrea Dahmen aus einer Sammelleidenschaft für alte Flohmarktmöbel erfand, beharrt auf dem Gegenteil. „Kauf dich glücklich“ sei und bliebe handgemacht. Um keinen Preis würde er es sich nehmen lassen, mit seinem Team bis spät in die Nacht in den neuen Geschäftsräumen herumzuwerkeln, um schließlich erschöpft, aber glücklich miteinander anstoßen zu können.

Andrea und Christoph lernten sich über das Studium des Industriedesign an der Berliner Universität der Künste (UdK) kennen. Bald teilten sie nicht nur die WG, sondern vor allem die Sammelleidenschaft für alte Möbel. Daraus entstand die Idee zu einem Möbelladen. Einem mit Atmosphäre, laut und lebendig. In der damals noch völlig unsanierten Oderbergerstraße in Berlin entstand der erste Laden mit dem neuartigen Mischkonzept: Café, Waffelbäckerei und Möbelladen in einem. Dafür schmissen die beiden bald ihr Studium an der beliebten UdK. Schnell konnten sie von ihrem Laden leben, hatten sogar richtige Fans. „Die Leute bettelten: Bitte, kommt auch zu uns in die Stadt, wir brauchen euch!“, erinnert sich Christoph. Als die beiden motivierten Jungunternehmer bei der Eröffnung der ersten Filiale außerhalb Berlins in Bremen durch einen blöden Zufall keine Gastrolizenz bekamen, nahm der Erfolg mit der Mode seinen Lauf: Statt Waffelromantik mussten Berliner Designer für Anziehungskraft sorgen. Christoph und Andrea ergänzten die Berliner Mode durch preiswertere skandinavische Labels, die ohnehin gerade im Kommen waren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christoph und Andrea

Auf eine Neueröffnung folgte die nächste. Und noch nie, erzählt Christoph, habe es einen so großen Ansturm auf eine Eröffnungsparty gegeben wie in München. Auf ihrer Facebookfanseite luden Christoph, Andrea und ihr Team stets neue Fotos vom Ladenbau hoch: Die versammelte Mannschaft in vollgeklecksten Pullis und Hosen. So viel pastellfarbener Mut zum Unperfekten – das konnte keine Geschäftemacherei sein. Es hagelte nur so von Gefällt mir-Klicks und selig-dankbaren Kommentaren Münchner Facebookuser.

Gerne erzählt Christoph folgende Anekdote: „Kürzlich kam ein Anwohner der Filiale in der Reichenbachstraße hinunter ins Geschäft. Unsere Mitarbeiter dachten schon, er käme, um sich zu beschweren. Tatsächlich kam er bloß, um sich zu bedanken: Aus seinem Wohnungsfenster blicke er nun immerzu auf dieses eine Wort: Glücklich.“

Dass der Erfolg des Ladens zu großen Teilen auch dem originellen Namen zu verdanken ist, davon ist Christoph überzeugt. „Jeder weiß, dass Konsum nicht glücklich macht und trotzdem überkommen einen beim Shoppen teilweise obszöne Hochgefühle“, lacht Christoph. Mittlerweile wurde der Name des Ladens hundertfach kopiert. Flohmärkte heißen heute „Trödel dich glücklich“, Wohngeschäfte „Wohn dich glücklich“ und sogar der österreichische Mediamarkt wirbt seit Neuestem mit dem Spruch „Kauf dich glücklich“. Es liegt eine bissige Ironie, aber auch eine sympathische Verzeihlichkeit in den drei Worten mit dem hübschen Binnenreim. Doch weil man eine Abfolge mehrerer Worte nicht schützen kann, haben die Beiden auf Nachahmer keinen Einfluss. Sie besitzen bloß das Recht an der Bildmarke. Und müssen sehr aufpassen, dass man sich nicht doch irgendwann an den drei Worten sattgehört hat.

Text: mercedes-lauenstein - Bilder: oh

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