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Europa, einig Roaming-Hölle!

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Als ich im vergangenen Sommer von München aus zu einer vierwöchigen Tramperreise durch Europa startete, wurde ich Zeuge einer merkwürdigen Verwandlung: Schon nach anderthalb Stunden erlebte ich, wie mein Smartphone recht dumm wurde und einer seiner essentiellen Fähigkeiten verlustig ging: An der Grenze zu Österreich nämlich hatte die UMTS-Funktion meines Handys ihre Berechtigung verloren. Der Grund ist jedem Geschäftsreisenden, Erasmus-Studierenden und Urlauber bekannt: Europa, einig Roaming-Hölle.

  Wahrscheinlich werden wir einmal herzlich über Megabyte-Preise von mehreren Euro lachen, so wie wir heute schmunzeln, wenn wir daran denken, dass wir einmal mit dem Modem ins Netz gingen und den Internet-Konsum noch minutenweise begleichen mussten. Bis es soweit ist, dürfen wir uns jedoch herzlich ärgern. Erst 2007 erkannte die EU-Kommission, dass Telekomfirmen ihre Kunden bei Handytelefonaten im innereuropäischen Ausland kräftig schröpfen – damals war die mobile Telefonrevolution bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt zugange.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



  In einem ähnlichen Tiefschlaf droht Brüssel die mobile Internet-Revolution zu verpassen. 2010 legte EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes fest, dass Netzbetreiber für mobile Datendienste im Ausland höchstens 80 Cent pro Megabyte verrechnen können – untereinander wohlgemerkt, der Endkundenpreis ist nicht reguliert. Das hat zur Folge, dass die Betreiber für ein Megabyte an Daten bis fünf Euro verlangen. Der Handynutzer darf sich immerhin freuen, dass er zumindest per SMS eine Warnung erhält, bevor seine Surfrechnung unangenehme Dimensionen annimmt – in diesem Fall schon ab elf Megabyte Datenverkehr.


  Dass hiermit etwas wie Wettbewerb, geschweige denn ein europaweites Surfvergnügen entsteht, glauben nur naive Zeitgenossen. Kurios ist das auch, weil viele Konzerne wie Vodafone, O2 Telefonica oder T-Mobile längst international aufgestellt sind – sie also Roamingkosten mit sich selber verrechnen können, komfortable Gewinnspannen inklusive. Die gleichen Unternehmen, die bei Fragen wie Netzneutralität für die Bevorzugung bestimmter Datenpakete das Argument des Wettbewerbs ins Feld führen, profitieren nun davon, dass gegen jede Logik des freien Marktes höherer Konsum mit höheren Preisen bestraft wird. Im Sommer versuchen erste Mobilfunkanbieter, diesen Widerspruch aufzulösen – wenn auch halbherzig. Telekom-Kunden zahlen in anderen EU-Ländern für 10 Megabyte pro Tag 1,95 Euro, das reicht für das Abrufen von E-Mails und das Versenden von zwei, drei Urlaubsfotos. 50 Megabyte kosten 4,95 Euro, ein Pauschaltarif für eine Woche wird mit 14,95 Euro berechnet. Telefónica O2 verlangt für 11 Megabyte 5,12 Euro – bislang wurden hierfür irrwitzige 55 Euro fällig.
  Bis 2015 will EU-Kommissarin Kroes erreichen, dass Handy-Telefonate im EU-Ausland zu Inlandstarifen geführt werden können. Verstärkt Brüssel den Druck nicht, wird es trotz Netzausbau noch einige Jahre länger dauern, bis wir beim mobilen Datenroaming soweit sind – obwohl das mobile Internet immer mehr zum Zentrum des digitalen Daseins erwächst.
  Wie der Anachronismus aufgelöst werden kann, zeigten mir auf meiner Tramperreise Länder wie Finnland und Estland: Ob im Zug oder auf der Ostsee-Fähre – ein offenes Wlan ist dort eine Selbstverständlichkeit, die Idee vom Internet als Grundrecht nicht nur eine PR-Phrase. Und selbst im kleinen polnischen Kurort Suwalki überraschte mich ein Schild am Rande eines Parks, das kostenloses Wlan versprach – ein Service für die Gäste. An dieser Service-Mentalität sollten sich Kommunen und vor allem die Mobilfunkanbieter ein Beispiel nehmen, statt mit überhöhten Roaming-Preisen überkommene Geschäftsmodelle zu subventionieren. Falls nicht, tut die EU gut daran, nachzuhelfen – denn Roaminggrenzen sind die Zollstationen des 21. Jahrhunderts: eines vereinten Kontinents unwürdig. 


Text: johannes-kuhn - Foto: caesar:muck / photocase.com

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