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"Es hat sich ein Hype ums Auslandssemester entwickelt"

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Ist den Personalchefs der Auslandsaufenthalt im Lebenslauf immer noch so wichtig? Oder haben das Semester in Barcelona und das Praktikum in Kapstadt bereits ihren Reiz verloren – weil es jeder macht? Maren Lehky studierte Soziologie, Volkswirtschaft und Psychologie und war unter anderem Personalleiterin bei einem internationalen Industrieunternehmen. Heute berät sie Unternehmen in Sachen Personalmanagement. Mit jetzt.de spricht sie über den Sinn eines Auslandsaufenthalts.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Frau Lehky, es hat den Anschein, als sei es für Studenten heute gar nicht mehr so wichtig, welche Art von Auslandsaufenthalt sie vorweisen, sondern nur noch, dass sie überhaupt irgendwo im Ausland waren und diese Zeit gut verkaufen können. Täuscht der Eindruck? Maren Lehky: Nein, diese Entwicklung gibt es tatsächlich. Wahrscheinlich sind all die Studienführer und Karriereberater schuld daran, dass junge Menschen sich gezwungen fühlen, Auslandsaufenthalte übertrieben zu verpacken. Ist jemand sechs Wochen lang mit dem Rucksack durch Argentinien gewandert, wird das dann gerne mal als „selbstorganisierte Studienreise durch Südamerika“ verkauft. jetzt.de: In den Ohren des Personalchefs klingt das vermutlich gut. Lehky: Das bezweifle ich. Die Arbeitgeber wissen sehr genau, dass es sich in so einem Fall vordergründig um eine Urlaubsreise handelt. Deshalb würde ich empfehlen, einen längeren Auslandsurlaub auch in der Bewerbung so zu bezeichnen. Man darf ruhig schreiben, dass man lange gespart hat, um sich den Traum zu erfüllen, sechs Wochen lang auf Hawaii zu surfen und die Natur zu genießen. Wenn man allerdings so tut, als hätte man dort Stammesforschung betrieben, dann wirkt das nicht authentisch. Auch wer in Afrika drei Wochen Entwicklungshilfe betrieben hat, sollte aufpassen, dass es in der Bewerbung nicht so klingt, als hätte er die Dritte Welt gerettet. In jedem Fall gilt: Je ehrlicher und authentischer man ist, desto erfolgversprechender ist auch die Bewerbung. jetzt.de: In Stellenanzeigen steht häufig, dass ein Auslandsaufenthalt stets „zielorientiert“ sein sollte. Was heißt das? Lehky: Das würde ich die Verfasser solcher Stellenanzeigen auch gerne mal fragen. Wahrscheinlich ist mit „zielorientiert“ alles gemeint, was nicht mit „Abhängen“ zu tun hat. Manch ein Personalchef bewertet es aber bestimmt auch positiv, wenn sich jemand ganz bewusst für’s Abhängen entscheidet, um darüber nachzudenken, was er im Leben eigentlich will. Auch das würde ich als zielorientiert bezeichnen. jetzt.de: Trägt ein Auslandsaufenthalt heute noch dazu bei, sich von anderen Bewerbern abzuheben? Lehky: Nicht unbedingt. Bei der Frage nach einem Auslandsaufenthalt geht es den Arbeitgebern ja auch darum, wie selbstständig ein junger Mensch schon ist. Dazu kann ein sechswöchiger Aufenthalt in den USA natürlich beitragen, aber für’s Erwachsenwerden ist es nicht allein ausschlaggebend, ob man eine Zeit lang im Ausland war. jetzt.de: Sondern? Lehky: Wenn man sich einen Auslandsaufenthalt aus finanziellen Gründen nicht leisten kann, als Schüler aber schon viel gejobbt oder im Zivildienst mit obdachlosen Menschen gearbeitet hat, erweitert das den eigenen Horizont sehr viel stärker als sechs Wochen Surfurlaub auf Hawaii – das weiß jeder Personalchef. jetzt.de: Erhöht ein Auslandspraktikum, bei dem man die Sprache täglich praktisch anwenden muss, die Berufschancen eher als ein Erasmus-Jahr oder eine Rucksacktour durch Australien? Lehky: Wenn ich während des Praktikums in einem internationalen Team gearbeitet habe, wahrscheinlich schon. Aber es ist doch schade, dass man sich in jungen Jahren schon Gedanken machen muss, welche Form des Auslandsaufenthalts am besten geeignet ist, um später im Job voll durchzustarten. Als junger Mensch mag das schwer zu begreifen sein, aber ein Berufsleben dauert manchmal bis zum 67. Lebensjahr. Da kann ich nur davon abraten, sich jetzt schon verrückt zu machen. Wenn ich Lust dazu habe und glücklich dabei bin, warum sollte ich dann nicht eine Zeit lang durch Australien wandern? Das ist doch viel sinnvoller, als sich ein Praktikum anzutun, das einem gegen den Strich geht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Maren Lehky jetzt.de: Woran liegt es, dass Auslandserfahrung trotzdem ein so hoher Stellenwert eingeräumt wird? Lehky: Sicher auch an der Globalisierung und daran, dass das Arbeitsleben selbst in kleinen Unternehmen internationaler geworden ist. Es ist nur furchtbar schade, dass sich alles so hochgedreht hat. Ich selbst habe bis 1986 studiert und weder ein Praktikum noch ein Auslandssemester gemacht. Diejenigen, die damals ins Ausland gingen, galten als Exoten. In den Neunzigern hat sich dann ein richtiger Hype entwickelt und auch der Wettbewerb hat sich dementsprechend verschärft. jetzt.de: Hätten Sie persönlich es in der heutigen Zeit schwerer gehabt? Lehky: Ich glaube, dass ich es heute zumindest gut verkaufen müsste, warum ich nicht im Ausland war. In meinem Fall war es tatsächlich so, dass ich mir mein Studium nebenher finanzieren musste und dafür als Sekretärin und in einer Fabrik gearbeitet habe. Das könnte man auch heute noch gut verpacken, denn ganz sicher hat mich das enorm weitergebracht. Wer authentisch ist und sich gleichzeitig auch gut verkaufen kann, macht jedenfalls nichts verkehrt. jetzt.de: Man kann also auch heute noch auf einen Auslandsaufenthalt verzichten? Lehky: Nur um von sich behaupten zu können, im Ausland gewesen zu sein, sollte man es jedenfalls nicht tun. Wer sechs Monate unglücklich in Südamerika sitzt, wird diese Traurigkeit auch im Vorstellungsgespräch ausstrahlen, wenn er von dieser Zeit erzählt. Man sollte sich stattdessen fragen: Was macht mich aus und was tut mir gut? Wenn man weiß, wer man ist, wird man die richtige Entscheidung treffen und am Ende auch den richtigen Job finden. Wenn man stattdessen gegen die innere Stimme handelt, wird es sehr wahrscheinlich schief gehen. *** Und wenn ich gar nicht weg will? Unsere Autorin findet es nicht gut, dass der Auslandsaufenthalt für viele zum Prestigeobjekt verkommt.

Text: andreas-glas - Fotos: Dan Kuta/photocase.de, privat; Montage: Katharina Bitzl

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