Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Einladung zum Elternabend

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Als man noch ein Kind war, kannten die eigenen Eltern die Eltern der Freunde, es war ganz normal. Sie begegneten sich bei Kindergeburtstagen, Schulveranstaltungen und im Sportverein, sie vereinbarten Fahrgemeinschaften und manchmal gingen sie sogar miteinander essen oder ins Theater. Früher oder später – mit der ersten Liebe oder mit dem Auszug von zu Hause – löst sich diese Verflechtung und man hat mit den Eltern der Freunde nicht mehr besonders viel zu tun. Man will nicht auf Schritt und Tritt von der Fürsorge oder der Gegenwart der Eltern begleitet werden. Man fährt jetzt allein durch die Welt, man besucht die Liebste oder den Liebsten allein und ist niemandem dazu Rechenschaft schuldig.
  Oder?
  Der Punkt, an dem man die Eltern seines Partners den eigenen Eltern vorstellen muss, kommt bei den meisten dann doch irgendwann. Spätestens zu einer Hochzeit, bei vielen aber schon vorher. Wie bekommt man das Kennenlernen hin? Wie geht es den anderen damit? Fünf Erinnerungen an Elterntreffs.
 
  Elisabeth, 25, hat BWL studiert:
  Ich war 17, mein damaliger Freund war 18 und wir waren genau ein Jahr zusammen, als die Mutter meines Freundes auf die glorreiche Idee kam, dass es langsam an der Zeit sei, ein Elterntreffen zu veranstalten. Wir wohnten zwar in derselben Region, gingen jedoch nicht auf dieselbe Schule. Als mein Freund an seiner Schule ein Klaviervorspiel hatte, nahmen seine Eltern das zum Anlass, meine Eltern dazu einzuladen. Anschließend sollten wir alle gemeinsam bei ihnen zu Hause essen. Meine Eltern wunderten sich über diese Einladung und waren da eigentlich gar nicht scharf drauf – selbst bei meinen älteren Geschwistern hatten sie so etwas Förmliches noch nicht erlebt. Der kleine Bruder meines Freundes war extra zu Hause geblieben, um die Häppchen vorzubereiten, während wir im Klaviervorspiel saßen.
  Das ganze Treffen war eine furchtbar spießige Veranstaltung und lief dementsprechend gezwungen ab. Mein Freund und ich wären am liebsten hoch auf sein Zimmer gegangen, um das Ganze nicht mit ansehen zu müssen. Ich hatte Angst, dass sie anfangen, über Politik zu reden. Man kennt ja seine eigenen Eltern – ihre Haltung und ihre Fähigkeit, sich in etwas hineinzusteigern. Ich dachte für meine Eltern nur: ,Oh Gott, bitte keine Diskussion anfangen!‘ Glücklicherweise lief alles recht glimpflich ab.
  Weil meine Eltern sich durch die Einladung so im Zugzwang fühlten, kamen seine Eltern dann zu uns zum Essen. Aber dabei blieb es dann auch. Gute Freunde sind sie nie geworden.
  Heute habe ich längst einen neuen Freund. Wir sind seit drei Jahren zusammen und wohnen seit gut einem Jahr in einer gemeinsamen Wohnung. Dieses Mal haben sich unsere Eltern völlig ungeplant durch einen blöden Zufall kennengelernt: Mein Geburtstag fiel auf den Faschingssonntag und ich sagte meiner ganzen Familie, sie solle bitte verkleidet erscheinen. Mein Vater kam als Postbote, meine Mutter als Maus. Irgendwann fuhr plötzlich der Vater meines Freundes mit seiner neuen Freundin in die Auffahrt – er wusste nichts von meinem Geburtstag und kam bloß durch Zufall vorbei. Als meine Eltern sein Auto sahen, wollten sie sofort abhauen, weil ihnen ihr Aufzug so peinlich war. Im Türrahmen sind sie sich dann aber doch begegnet, ließen ein „Wir sehen nicht immer so aus“ verlauten und sind dann ziemlich schnell abgehauen.
  Im folgenden Sommer luden sie dann aber noch einmal zum Grillen ein, weil sie diese unangenehme Faschingsbegegnung nicht auf sich sitzen lassen wollten. Das war relativ entspannt, alle haben sich nett unterhalten. Supertolle Freunde werden die jetzt aber auch nicht, glaube ich. Das ist meinem Freund und mir sogar ganz Recht. Ich bin nicht der Meinung, dass sich die Eltern unbedingt früh und gut kennen müssen. So gibt es weniger Konfliktpotential.
 
  Clara, 24, studiert Medizin:
  Ich bin seit über sieben Jahren mit Rifat, 25, zusammen. Obwohl unsere Eltern im selben Ort leben und uns noch zu Schulzeiten oft mit dem Auto bis vor die Haustür des jeweils anderen gebracht haben, kennen sie sich nicht wirklich. Vielleicht haben sie sich das eine oder andere Mal zufällig durch das Fenster oder an der Haustür gesehen und kurz „Hallo“ gesagt, aber das war’s auch schon. Mein Papa meint, er wolle uns „einfach machen lassen“ und sich nicht einmischen. Rifat findet es auch eher unwichtig, dass sich unsere Eltern kennenlernen. Er sagt, nur weil wir uns so gut verstehen, heißt es ja noch lange nicht, dass unsere Eltern das auch tun. Ich hätte ehrlich gesagt auch ein klein wenig die Befürchtung, dass sie nicht wüssten, worüber sie miteinander reden sollten. Durch ihre türkische Herkunft haben Rifats Eltern einen ganz anderen kulturellen Hintergrund als meine Eltern und bewegen sich so auch in völlig verschiedenen Freundeskreisen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich frühestens zu unserer Hochzeit das erste Mal so richtig offiziell die Hände schütteln werden. Die wollen wir nämlich so richtig groß feiern, mindestens zwei Mal und einmal davon auch nach türkischem Brauch, mit unzähligen Leuten.
 

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ach. Meine Eltern sind eigentlich ganz lustig.

  Matthias, 27, studiert Elektrotechnik:
  Meine Freundin Karen, 24, und ich sind seit zwei Jahren zusammen und unsere Eltern kennen sich bisher noch nicht. Karens Eltern wohnen am Bodensee und meine in München, da ist ein zufälliges Treffen unwahrscheinlich. Das Kennenlernen der Eltern war für uns bisher kein großes Thema. Ich denke, so etwas passiert eines Tages einfach so, das muss man nicht ausgiebig planen. Neulich zum Beispiel wäre es beinahe zu einem Treffen gekommen: Karens Mutter kam nach München zu Besuch und wir waren gerade bei meinen Eltern am Stadtrand zum Essen. Wir hatten viel zu viel gekocht, so dass Karen ihre Mutter kurzerhand anrief und fragte, ob sie nicht spontan zum Essen vorbeikommen wolle. Sie hatte dann aber schon etwas Anderes vor.
  Irgendwann in den nächsten Jahren wird es wieder einmal eine Gelegenheit geben, da mache ich mir keine Sorgen. Ich denke, das Wichtigste ist, dass es entspannt abläuft. Ängstlich bin ich vor dem Aufeinandertreffen nicht. Ich sehe das wirklich eher als ein Experiment: Wie werden die sich verhalten? Natürlich wäre es schade, wenn sie sich nicht ausstehen könnten. Aber das würde unsere Beziehung auch nicht weiter stören. Davon abgesehen: Unsere Eltern sind beide Lehrer, die werden sich schon über irgendetwas unterhalten können. Je mehr Gemeinsamkeiten sie haben, desto einfacher ist es, glaube ich, sich anzunähern und Vertrauen aufzubauen.
 
  Simon, 28, ist Fotograf:
  Lisa, 30, und ich sind jetzt seit vier Jahren zusammen, unsere Eltern kennen sich seit eineinhalb Jahren. Ich komme ursprünglich aus dem hohen Norden Deutschlands, Lisa aus Berlin. Als ich in Berlin studierte, haben wir uns über unseren gemeinsamen Freundeskreis kennengelernt. Wir waren von Anfang an relativ oft bei ihren Eltern zum Essen, da fiel das Thema natürlich auch auf meine Eltern, beziehungsweise auf meine Mutter, bei der ich aufgewachsen bin. Andersherum war es genau so, und so wussten die Eltern schon einiges voneinander, bevor sie sich kennenlernten. Als meine Mutter vor gut einem Jahr dann einmal nach Berlin zu Besuch kam, war es für uns alle das Natürlichste der Welt, dass wir eine Zusammenführung veranstalten. Die lief zuerst ziemlich chaotisch ab:
  Lisa war damals gerade für ihren ersten Job nach Zürich gezogen und wir holten sie gemeinsam vom Zug ab. Sie hatte dann ihren Laptop in der Bahn vergessen und wir waren erst mal damit beschäftigt, durch Berlins Bahnhöfe zu hetzen, um ihn wiederzubekommen. Leider vergeblich.
  Ziemlich fertig gingen wir dann alle zu ihren Eltern und tranken erst einmal gemeinsam Tee. Später gingen wir in ein Restaurant. Das Essen lief trotz der Aufregung um den Laptop gut, es war irgendwie genau die richtige Mischung aus locker, höflich und witzig. Ich hätte aber auch im Leben nicht daran gedacht, dass das komisch werden könnte. Ich glaube bloß Lisa hatte ein bisschen Angst, dass ihr Vater desinteressiert wirken könnte – der redet nämlich nicht so viel und ist manchmal extrem wortkarg. Ihre Mutter sagte einmal im Verlauf des Gesprächs: „Du sagst ja gar nichts!“ zu ihm. Aber das war eher charmant als blöd. Ich finde es selbstverständlich, dass sich in einer ernsthaften Beziehung die Eltern bei der erstbesten Gelegenheit gegenseitig kennenlernen. Vielleicht bin ich da aber auch altmodisch. Oder es liegt an unserem gutem Verhältnis zu unseren Eltern. Vor allem meine Mutter ist jemand, die gern am Leben ihrer Kinder Teil hat und sich gern alles, was ihre Kinder tun, bildlich vorstellen möchte. Mittlerweile lebe ich mit Lisa in Amsterdam, und da wollte sie natürlich auch gleich vorbeikommen und sehen, wo ich denn eigentlich immer so sitze, wenn sie anruft, und ich ihr erzähle, dass ich gerade wieder Fotos bearbeite.
 
  Anna, 29, Redakteurin:
  Sebastian und ich haben uns während des Studiums kennengelernt. Wir kommen beide aus Schwaben, aber nicht aus demselben Ort. Unsere Eltern haben sich nach gut eineinhalb Jahren kennengelernt. Wir haben das ganz vorsichtig gemacht, so dass nichts schief gehen kann. Am zweiten Weihnachtsfeiertag fährt meine Familie jedes Jahr zu der Familie meines Onkels, die zufällig ganz in der Nähe von Sebastians Eltern lebt. Wir dachten: Bei der Gelegenheit könnte man eigentlich mal kurz anhalten und die beiden einander vorstellen. Wir machten das vorher kurz mit allen aus und hielten dann einfach dort an.
  Bei Sebastians Familie ist es Tradition, mit jedem Besuch erst einmal eine Flasche Sekt zu trinken. Da standen wir dann mit unseren Sektkelchen in der Hand, aßen ein paar selbst gebackene Plätzchen und waren durch den Alkohol nach kurzer Zeit alle ziemlich entspannt. Gut war auch, dass wir wussten: Wenn jetzt irgendwas komisch wird, sagen wir halt, dass wir wieder los müssen. Schiss hatten Sebastian und ich irgendwie trotzdem, denn man merkt ja meistens schon nach fünf Minuten, ob man einander sympathisch ist oder nicht. Wenn sie es nicht gewesen wären und wenn das dann die nächsten zehn bis 15 Jahre so bliebe, dann wäre das eine fiese Gewissheit gewesen. Man sehnt sich ja doch nach Harmonie. Bei unseren Vätern war ich mir sicher, dass man sie ohne Weiteres aufeinander loslassen konnte. Das sind beides so richtige Bärenväter mit Bart und grauen Haaren, kleine, runde, glückliche Väter eben, intelligent und gemütlich, die niemandem was Böses wollen. Außerdem kommen sie gebürtig aus derselben Ecke, so etwas ist der guten Stimmung ja auch zuträglich.
  Unsere Mütter hingegen stehen für verschiedene Müttermodelle. Sebastians Mutter ist eher der Typ feine Dame und Hausfrau, die sich stundenlang über Rezepte und Kosmetik unterhalten kann und meine Mutter ist eher so der Typ sportlicher Naturbursche. Sie kann mit so typischen Damensachen nicht viel anfangen. Trotzdem: Es lief gut. Heute treffen die sich sogar ohne uns, telefonieren viel und wissen teilweise Sachen voneinander, die wir noch nicht einmal von ihnen wissen. Vor einiger Zeit haben wir schließlich geheiratet und mittlerweile fürchten wir schon, dass, falls wir uns jemals trennen sollten, wir sie damit unglücklicher machen würden als uns selbst.



Text: mercedes-lauenstein - Foto: madochab/photocase.de

  • teilen
  • schließen