Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Dieses Pieksen: Wie es ist, nach zehn Jahren die Beziehung zu beenden

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Okay, wirst du jetzt denken. Das hatte ich auch schon mal, das ist ja nichts besonderes. Ist es auch nicht. Es ist nichts Besonderes und es ist das Schwerste, was ich jemals zu entscheiden hatte. Weil es eine Entscheidung ist, die nicht nur Auswirkungen auf mein gesamtes Leben hat, die meinen Alltag, meine Zukunftspläne und ein wenig sogar meine Erinnerungen umkrempelt, sondern auch eine Entscheidung ist, die ich im ganzen Körper spüre. Die meinen Magen verkrampft und meinen Kopf verdreht. Es ist die letzte Entscheidung, die ich treffen wollte. Und bleibt doch die Entscheidung, die ich treffen musste. So sehr musste, dass man fast schon fragen kann, ob das überhaupt noch eine Entscheidung ist. Weil echte Auswege gab es keine mehr. Eigentlich. Wir sind zehn Jahre zusammen gewesen. Zehn Jahre, das bedeutet seit Ende der Schulzeit. Das bedeutet auch, dass ich Allein-Sein gar nicht mehr kenne. Dass ich gar nicht weiß, wie das eigentlich geht, Single sein. Ich habe keine Lust raus zu gehen und Männer kennen zu lernen, keinen Drang mich auszutoben. Eigentlich hätte ich gerne alles so wie es war. Nur eben anders. So, dass es funktioniert hätte.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Entscheiden. Immer wieder. (Foto und Bearbeitung: Marcus Holzmayr) Lange Zeit hat es ja auch funktioniert. Und dann ganz schleichend merkt man, dass da eine Unzufriedenheit in einem wächst und die wird größer und größer und größer. Bis sie irgendwann so groß ist, dass man nur noch zu Hause sitzt, vor dem Fernseher und dauernd weinen möchte. Gerne hätte ich geglaubt, dass das einfach „nur“ eine Depression ist, ganz unspezifisch und ungerichtet. Aber in meinem Bauch drin, da saß dieser Zwerg, der mich immer gepiekst hat und gestoßen und der hat mit dem Finger auf meinen Freund gezeigt, auf meine Beziehung. Und auf all die Defizite, die da schon immer waren und die ich nie hatte sehen wollen. Und hat nicht aufgehört zu pieksen, bis ich dann mit meinem Freund geredet habe. Richtig erklären konnte ich das alles trotzdem nicht. Oder er nicht richtig verstehen. Dass jetzt auf einmal alles schwierig sein sollte, falsch vielleicht sogar, was in seinen Augen zehn Jahre lang wunderbar funktioniert hatte. Was in seinen Augen immer noch wunderbar funktionierte. Wie erklärt man auch jemandem mit dem man Jahre lang sein Leben geteilt hatte und der einen nach eigener Aussage vom Fleck weg heiraten würde, dass das nicht genug ist. Dass meine Vorstellung vom Leben nicht seine ist. Dass ich nicht zufrieden bin. Dass selbst zufrieden nicht genug wäre. Verstanden hat er mich nicht, aber irgendwann dann eben akzeptiert was unausweichlich war. Dann für sich entschieden mich gehen zu lassen. Ist in eine neue Wohnung gezogen, hat eine neue Freundin, hat sich entschieden, dass es weiter geht auch ohne mich. Für mich geht es natürlich auch weiter. Aber nicht im Augenblick. Im Augenblick geht es mir genauso schlecht wie vor meiner Entscheidung. Gut, der Zwerg in meinem Bauch piekt nicht mehr, aber dafür weint er jetzt, Tag und Nacht. Zurücknehmen will ich trotzdem nichts. Will nicht zurückgehen, sondern nach vorne. Aber das geht eben nicht immer einfach so und von selber. Und wer glaubt, damit, eine wichtige Entscheidung zu treffen, sei alles getan, der irrt sich eben. Weil danach geht es ja erst richtig los. Mit dem Leben und dem ganzen Rest. Protokoll: barbara-wopperer

  • teilen
  • schließen