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„Diese Band soll sich nicht weiterentwickeln“
Sie sagt während des gesamten Gesprächs exakt ein Wort. Genauer: eine Zahl. Meg White sagt „2003“, um den zeitlichen Rahmen einer Geschichte zu bestimmen, die ihr Bandkollege Jack White erzählt. Meg nippt zufrieden an ihrem Bier, ascht vorsichtig ihre Zigarette ab und lugt zu Jack, der über seinen Zahlenfetischismus plaudert: „Die Nummer 3 ist ein großes Mysterium für mich. So perfekt, dass ich mich ständig damit beschäftigen könnte. Die 3, versinnbildlicht in unseren Farben Rot, Weiß und Schwarz, gibt mir einfach Sicherheit, so wie uns The White Stripes Sicherheit geben. Das ist etwas für die Ewigkeit.“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Am 14. Juli 1997 spielten die beiden mit Anfang 20 ihr erstes Konzert in ihrer Heimatstadt Detroit. Zum zehnjährigen Bandjubiläum erscheint „Icky Thumb“ – ihr sechstes Album. Nichts scheint sich verändert zu haben an diesem monolithischen Duo. Meg schweigt, Jack schwärmt, und gemeinsam haben sie es wiedermal fertig gebracht, dem Blues mit Gitarre und Schlagzeug neue Facetten abzugewinnen.
Dennoch markiert „Icky Thumb“ einen neuen Abschnitt in der Geschichte der White Stripes. Fünf Jahre nach seiner Scheidung von Meg, mit der er vier Jahre verheiratet war, heiratete Jack White 2005 das englische Model Karen Elson – das zweite Kind ist bereits unterwegs. Mit The Raconteurs veröffentlichte er letztes Jahr ein Album und Meg hat sich nach diversen Anfeindungen aus der Detroiter Underground-Szene nach Los Angeles verabschiedet, während Jack nach Nashville zog. „Wir hatten es mit Neidern zu tun“, erklärt Jack. „Mit Leuten, die sich bei Musik wie in Beziehungen verhalten, die aus der Musik nur Profit schlagen wollen.“
Den Spekulationen um eine Auflösung des Duos setzen die White Stripes mit „Icky Thumb“ nun ein Album entgegen, das alle Erwartungen rechtfertigt, die Meg und ihr Partner zu nähren wissen. Kurz gesagt geht es dabei um die Kunst der Konstanz. „Diese Band soll sich nicht weiterentwickeln“, sagt Jack. „Nur wir beide stehen auf der Bühne, nur wir beide sind auf einem Großteil der Aufnahmen zu hören. Im Großen und Ganzen geht’s nur um den Blues und die Art und Weise, ihn vor einem Publikum zu spielen. Dabei will ich’s auch belassen.“ Deshalb ist Jack auch nach Tennessee gezogen. „Abgesehen von der Situation in Detroit, hat mich auch die Kultur des Südens gereizt. All die großartigen Musikstile wie Blues, Jazz, Rockabilly, Rock’n’Roll und Country kommen aus den Südstaaten. Und diese Energie gibt es dort nach wie vor. Das ist einzigartig in den Staaten.“
„Icky Thumb“ trägt viel von dieser musikalischen Südstaaten-Energie in sich. Kraftvolle, einfache Songs voller archaischer Melodien und ungebändigter Rythmen, die „You Don’t Know What Love Is“ oder „Bone Broke“ heißen. Zu letzterem hat Jack auch eine persönliche Geschichte zu erzählen. „Das war 2003. Oder 2004?“ „2003“, sagt Meg. „Stimmt. Es ist an meinem 28. Geburtstag passiert. Eine Viertelstunde vor Mitternacht haben wir Witze darüber gemacht, dass viele große Rock’n’Roller um das 27. Lebensjahr herum gestorben sind. ’Nur noch 15 Minuten Jack’, sagten meine Freunde, ’verlass jetzt bloß nicht das Haus.’ Und ich hab das Haus auch nicht mehr verlassen, weil wir reingefeiert haben. Am Morgen hatte ich zwei Blocks weiter einen Unfall. Ich habe mir zwar nur den Finger gebrochen, aber ich musste deshalb mein Gitarrenspiel komplett verändern. Ich kann einen Zeigefinger nicht mehr einziehen.“
Zwei Stunden später spielt er mit Meg bei „Rock im Park“ und das Publikum grölt wie von Sinnen das Riff von „Seven Nation Army“. Wie hat er eigentlich erfahren, dass der Song zu einem Klassiker in Fußballstadien wurde? „Unser Manager ist Fan vom AS Rom und die römischen Fans haben das wohl als erste gesungen“, erzählt Jack und strahlt. Das Auto, mit dem er damals den Unfall baute, war übrigens rot. Wie die Trikots von AS Rom. uli-karg.jetzt.de
„Icky Thumb“ ist bei Beggars Group erschienen.
Text: uli-karg - Foto: ddp