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Die zauberhaften Perlenmädchen

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In der britischen Zeitschrift „Country Life“, einer Art „Landlust“ für Wohlhabende, lächelt dem Leser jede Woche ein anderes Mädchen der Upper Class von den ersten Seiten entgegen – seit mehr als 100 Jahren. Die jungen Frauen, die in Großbritannien als „girls in pearls“ bekannt sind, stellen sich auf einer Seite der Zeitschrift vor, geben ihre Verlobung oder Heirat bekannt oder aber auch ihre neue Unternehmensidee. jetzt.de hat beim Chefredakteur Mark Hedges nachgefragt, welchen Sinn die Seite hat, warum junge Frauen sich heutzutage immer noch den „gehobenen Kreisen der Gesellschaft“ vorstellen wollen und warum die Briten eigentlich so fixiert auf das Landleben sind.
 
  jetzt.de: Herr Hedges, nur mal theoretisch: Was müsste ich tun, um eines der „girls in pearls“ in Ihrer Zeitschrift zu werden?
  Hedges: (lacht) Tja, das ist ein Redaktionsgeheimnis. Fest steht: Sie können sich das Foto nicht erkaufen und es sich auch nicht in dem Sinne erarbeiten. Sie müssen nicht unbedingt adelig sein und was Sie beruflich machen, ist eigentlich egal: Viele der Mädchen gehen zur Universität, manche sind Unternehmerinnen und wieder andere geben ihre Heirat oder Verlobung auf der Seite bekannt. Was hingegen die Chancen auf jeden Fall erhöht: Die Mehrzahl der Mädchen sind aus „gutem Hause“, gehören also zu den erfolgreichen Familien in Großbritannien und sind damit Teil unserer Zielgruppe.
 
  jetzt.de: Damit kann ich nicht dienen. Wie wäre es, wenn ich Ihnen mein Foto und einen Lebenslauf schicken würde?
  Hedges: Da wären Sie nicht die Einzige, das machen mehrere Hundert Mädchen. Auch Redakteure oder die Fotografen schlagen Mädchen vor, aber das Magazin hat nur 51 Ausgaben pro Jahr und dementsprechend nur Platz für 51 „girls in pearls“.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Annabel Ballin im Januar in "Country Life". In der Bildunterschrift steht: "Annabel, elder daughter of Mr and Mrs Bertie Ballin of Upper Lambourn, Berkshire, is engaged to be married to Sam Waley-Cohen, second son of Mr Robert and the Hon Mrs Waley-Cohen of Upton Viva, Oxfordshire. They will be married on June 11, 2011. Annabel is director of Hats and Bells (www.hatsandbells.com), children’s party food and planning."

  jetzt.de: Warum, glauben Sie, wollen junge Frauen heutzutage immer noch eine der „girls in pearls“ im Magazin sein? Viele Frauen sind ja durchaus selbständig und müssten nicht auf diese Weise nach einem wohlhabenden Ehemann suchen.
  Hedges: Einen Ehemann zu finden ist nicht mehr das Ziel. Es geht für viele Mädchen um Tradition, immerhin gibt es die Magazinseite seit 1897. In manchen Familien waren die Mütter, Großmütter und sogar Urgroßmütter allesamt im Magazin – das ist natürlich ein Anreiz für Mädchen, auch in „Country Life“ zu erscheinen. Man sollte die Sache aber nicht aufbauschen: Ich weiß, dass viele Mädchen ein Fotoshooting auch einfach witzig finden und Spaß daran haben, professionell fotografiert und einen Tag von Make-Up Experten und Stylisten betüdelt zu werden.
 
  jetzt.de: Und mit dem schönen Foto in der „Country Life“ stellen sie sich den gehobenen britischen Kreisen vor?
  Hedges: Naja, zumindest früher war das so. In England gab es mehrere Jahrzehnte lang die so genannten Debütantinnen. Mit ungefähr 18 Jahren wurden diese der Gesellschaft präsentiert. Diese Mädchen fuhren während der gesellschaftlichen „Season“ nach London, wurden der Queen vorgestellt und nahmen an einer Reihe von Bällen und Parties teil, in der Hoffnung, einen passenden Ehemann zu finden. Während dieser Saison in „Country Life“ zu erscheinen, war damals ein Highlight und erhöhte vielleicht die Chancen einen wohlhabenden Gatten zu entdecken.
 
  jetzt.de: Und heute? Ist die Seite noch wichtig fürs Sehen und Gesehen werden, für das Society-Leben in Großbritannien?
  Hedges: Dass das Bild eine Eintrittskarte in die Gesellschaft ist, kann ich leider nicht behaupten. Ich meine, es gäbe ja keine Gesellschaft, wenn sie nur aus den 51 jungen Frauen pro Jahr bestünde. Aber Sie haben Recht: Wahrgenommen zu werden ist immer wichtig, auf dem Land kennen sich die Leute oder zumindest kennt man die verschiedenen Familien. Unsere Zielgruppe ist genau dieser Landadel, genau wie auch erfolgreiche Unternehmer, die ein Interesse am Landleben haben. Für die Mädchen in dem Magazin zu erscheinen ist also schon etwas Besonderes.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

War auch mal drin: die Queen.

  jetzt.de: Sind die Fotos nicht auch ein wenig nostalgisch, eine Erinnerung an alte Familienwerte?
  Hedges: Ich bin fest davon überzeugt, dass die Mädchen, die sich für „Country Life“ fotografieren lassen – egal ob sie kurz vor der Heirat stehen oder nicht – sowieso eher traditionsbewusst sind und gerne eine Familie gründen wollen. Der Familienaspekt ist für die „girls in pearls“-Seite sehr sehr wichtig, deshalb werden unter dem Foto auch die Namen der Eltern erwähnt. Außerdem: In der Zeitschrift „Country Life“, wie schon durch den Titel und das Cover offensichtlich, dreht sich alles um die Landhäuser Großbritanniens. Diese Riesenhäuser sind für viele Leute gedacht, also auf Familien ausgerichtet. Wenn man lieber ein Single-Leben führen möchte, besteht auch nicht soviel Sinn darin, sich ein Landhaus zu kaufen.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mark Hedges

  jetzt.de: Warum eigentlich liest die Upper Class Landmagazine?
  Hedges: Ein Landhaus zu besitzen gehört in Großbritannien zur DNA des Erfolgs – egal ob man Fußballer, Rockstar oder Unternehmer ist. Das geht zurück auf Queen Victoria, die einst Balmoral Castle (die Residenz der königlichen Familie in Schottland, Anm.) oder Sandringham Castle (Ferienhaus der königlichen Familie in Norfolk) gekauft hat. Ich denke, dieser Trend ist ziemlich Britisch: Wenn man in Frankreich wohlhabend und erfolgreich ist, zieht man nach Paris. Die einzigen, die in Frankreich auf dem Land leben, sind wieder die Briten.
 
  jetzt.de: Sind die „girls in pearls“ also typisch Britisch?
  Hedges: Ja. In bestimmten Kreisen ist Herkunft und Tradition immer noch sehr wichtig. Vor allem aber hatte die „girls in pearls“-Seite einen direkten Einfluss auf alles, was wir heute im britischen Magazinregal sehen. Als die erste „Country Life“ erschien, hatte in Großbritannien vorher noch nie jemand ein Frauengesicht in dieser Art in einer Zeitschrift gesehen. Von Tatler (britisches Society-Magazin, Anm.) bis hin zum Seite 3-Girl in der britischen Zeitung „Sun“: Das sind alles Variationen der „girls in pearls“.
 
  jetzt.de: Wie wäre es denn, auch mal Fotos von Männern zu zeigen?
  Hedges: Es gab zwischenzeitlich auch ein paar Männer auf der Seite, Winston Churchill zum Beispiel. Aber für mich gibt es keinen Grund die „girls in pearls“-Reihe zu ändern. Es ist die berühmteste Magazinseite in Großbritannien und sie hält sich seit über 100 Jahren. Solange ich hier Chefredakteur bin, wird es also nicht passieren.


Text: fiona-webersteinhaus - Fotos: oh

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