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„Die Leute sollen lieber jobben“

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Kaffeekochen und Kopieren – dieses Praktikantenklischee ist veraltet. Heute machen Praktikanten richtige Arbeit und eigentlich ist das ja gut. Nur hat sich der Lohn für diese Arbeit nicht geändert. Noch immer bekommen viele Praktikanten eher „Aufwandsentschädigungen“ oder überhaupt kein Geld. Im Rahmen eines Schulpraktikums oder eines Praktikums während des Studiums sei das noch in Ordnung, findet Robin Thiesmeyer, schließlich komme da der Weiterbildungsaspekt zum Tragen. „Aber als Uniabsolvent ist man bereits voll ausgebildet. Nach einer kurzen Einarbeitungsphase ist da das Lernen meist vorbei und es wird nur noch gearbeitet.“ Deshalb lud der 30jährige, der selbst gerade ein halbes Jahr Praktikant war, zusammen mit sieben Gleichgesinnten zum „Praktikantenstreik“. Am vergangenen Freitag war es soweit. Die Streikenden trafen sich auf dem Potsdamer Platz in Berlin, um für eine faire Entlohnung und gegen Ausbeutung zu kämpfen. Karl-Heinz Minks ist Hochschulforscher bei HIS, der Hochschul-Informations-System GmbH. Er sieht in solchen Streiks keinen rechten Sinn mehr. „Es ist natürlich richtig, sich gegen den Missbrauch von Praktikanten als billige Arbeitskräfte zu wehren“, sagt er. Tatsächlich komme das aber nur noch selten vor. Er ist der Autor einer Studie, die zeigt, dass es die „Generation Praktikum“ in Deutschland nie wirklich gegeben hat. Der Begriff, der für Kettenpraktika und Unterbezahlung steht, ist laut Minks „völlig überzogen“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

„Es gibt zwar bestimmte Bereiche, in denen Praktika sich häufen“, sagt Karl-Heinz Minks. „Aber es kommt äußerst selten vor, dass jemand nach dem Studium mehr als eines absolviert. Spätestens nach einem Jahr haben fast alle einen festen Job.“ Vor allem Studenten aus den Kultur- und Medienwissenschaften sowie aus den Wirtschaftswissenschaften kennen sich mit Praktika aus, sagt Minks. „Das ist aber nur auf den ersten Blick überraschend. Wirtschaftswissenschaftler sind Pragmatiker. Wenn die vorne nicht reinkommen, gehen sie eben durch die Hintertür und hoffen, im Anschluss an ein Praktikum eine Stelle zu bekommen.“ Jetzt, da in den Stellenbörsen weniger Jobs als vor zwei Jahren stehen, umgehen viele Absolventen die drohende Joblosigkeit mit einem Praktikum. Ein Wagnis, sagt Robin Thiesmeyer: „Mit nur 400 Euro im Monat kommt man nicht aus. Wir bezahlen dafür, arbeiten zu dürfen – das ist doch eine verkehrte Welt!“ Mindestens 800 Euro müssten drin sein, wenn man nicht unter dem Existenzminimum leben wolle. Karl-Heinz Minks macht einen anderen Vorschlag. „Die Leute sollen lieber jobben, als ihre Arbeitskraft für lau anzubieten“, empfiehlt der HIS-Forscher. „In der Masse produzieren all die bereitwilligen Praktikanten doch genau den Billiglohnsektor, über den sie sich beschweren und der unserem Wirtschaftsstandort nicht gut tut.“ Es spricht sich herum, welche Unternehmen besonders gern billige Praktikanten nehmen. Minks glaubt, dass Schulabgänger daraus Schlüsse ziehen: Wenn in der Wunschbranche zu wenig bezahlt wird, wird die Zukunft eben anders geplant. Jahre später mangelt es den Betrieben dann an qualifizierten Leuten. Robin und seine Kollegen wollen jetzt etwas tun. Sie wollen, dass sich die Politik einmischt, dass Gehalt und Arbeitszeiten geregelt werden. „Außerdem sollte man die Dauer von Praktika auf höchstens sechs Monate beschränken und sicherstellen, dass damit keine regulären Arbeitsplätze ersetzt werden“, so Robin. Zum Streik am Freitag kamen über 100 Leute. Das ist zwar keine ganze Generation, aber mindestens eine Randgruppe – eine, die ein Problem hat. Manche Demonstranten tragen weiße Masken, wie man sie von früheren Protesten aus Frankreich und Deutschland kennt. „Sie sollen ein Symbol für unsere Austauschbarkeit und Anonymität sein“, erklärt Robin. Dann spielen sie „Reise nach Jerusalem“: Sie benutzen große Bürostühle und nennen es „Reise in die Festanstellung“. Am Ende bekommt nur einer den Job, es ist ein Ellenbogenspiel. Die anderen Stühle, die, die zur Seite geräumt wurden, sind wieder frei – für die nächsten Praktikanten.

Text: eva-schulz - Fotos: privat

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