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Die Jungs, die hinter der Mauer fuhren

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   jetzt.de: Marten, was hat dich als Westdeutscher dazu bewegt, ausgerechnet einen Film über Skater in der DDR zu drehen?
  Marten Persiel: Skateboardfahren ist mir eine Herzensangelegenheit. Seit meiner Kindheit fahre ich selbst leidenschaftlich gern. Am Anfang waren es die großartigen Gelände in der DDR, auf denen man sehr gut fahren kann, die mich gereizt haben. Der Alexanderplatz zum Beispiel. Dort sitzend kam mir die Idee, eine Komödie über Stonewashedjeans, Skateboards und Ostfrisuren zu machen. Und aus dieser Komödie ist zwei Jahre später dann ein langer Dokumentarfilm geworden. In der Zwischenzeit hat sich einfach ganz viel verändert und wir haben ganz viele Aspekte an der Geschichte gefunden, mit denen wir eigentlich nicht gerechnet hatten.
  
  Wer waren die Skateboardfahrer der DDR?
  Ein gemeinsamer Nenner, der uns während der Interviews aufgefallen ist, war, dass es vor allem Jugendliche waren, deren Eltern einen Zugang zum Westen hatten oder zumindest irgendwelche Vorteile. Es gab Kinder von Diplomaten, Kinder von wohlhabenderen Industriellen und es gab Kinder von Künstlern. Man kann sagen: Es war eine Szene von Privilegierteren. Kurioserweise, denn im Westen war es genau umgekehrt. Dort war es ein Sport der Mittelklasse. Die Reicheren zeigten am Skaten kaum Interesse. 
 
  Ist das der wesentliche Unterschied zwischen Ost- und Westskatern?
  Der wesentliche Unterschied war, dass die Jungs im Osten sich ihre so genannten Rollbretter selber bauen mussten. Aus Holz, Metall und alten Rollschuhrollen. Es gibt im Film eine Szene, wo Nico, einer der Protagonisten, sagt: "Du hast ein anderes Gefühl für deine Sachen, wenn du selbst dort gestanden hast und beim schrauben schwitzen musstest." Das war der Tenor, den wir immer wieder rausgehört haben. Wenn ehemalige Skater davon erzählen, wie sie ihre Bretter selbst bauten, kommen jedes Mal eine Menge Gefühle hoch. Vielleicht weil einfach viel mehr Hürden da waren – mehr Repression, weniger Material. Ansonsten ist Skaten aber überall auf der Welt das Gleiche. In dem Moment, wo es auf dem Skateboard stattfindet, haben kulturelle und politische Unterschiede viel weniger Bedeutung.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


 
  Im Film steht die Freundschaft dreier Skater im Vordergrund. Als die Protagonisten im Laufe des Filmes älter werden, ziehen sie nach Berlin. Skaten ist dort ein Lebensstil, eine Subkultur. . .
  Wenn du in einer Großstadt Skateboard fährst, wirst du dabei automatisch zu einer Projektionsfläche. Die Leute sehen und hören dich und genau das willst du in diesem Moment auch. Außerdem interpretierst du deine ganze Umwelt neu. Eine Treppe ist nicht mehr zum Rauf- und Runtergehen da, sondern wird zu deinem Spielzeug. Im Film beschäftigen wir uns auch immer wieder mit der Frage, ob Skaten denn nun ein Sport sei. Ich vergleiche es dazu immer gerne mit Tanz. Du kannst es in gewisser Weise auch eine Sportart nennen, aber es ist halt noch ganz viel mehr. Beim Tanz gibt es auch Wettkämpfe, Punkte und Weltmeisterschaften, doch eigentlich kennt es jeder aus einem anderen Grund. Es macht Spaß, man stellt sich selbst dar, probiert neue Richtungen und fühlt sich dabei jung. Genauso beim Skaten.
  
  An wem haben sich die Skater im Osten orientiert? Gab es Vorbilder?
  Auf jeden Fall. In Deutschland gab es den immer noch existierenden Guru Titus. Das war damals seine große Zeit. Zu ihm wurde ganz viel hochgeguckt. Fast jeder Skater hatte ein T-Shirt mit seinem Namen. Ansonsten haben die, die es geschafft haben, irgendwie an Magazine zu kommen, natürlich nach Amerika geblickt.
 
  Nun drängt sich natürlich die Frage auf, ob das Skateboarden in der DDR auch eine Form von Rebellion der Jugend war.
  Die Jungs, die damals dabei waren, sagen alle, dass es damals nicht darum ging zu rebellieren oder ein Statement zu setzen, sondern nur um sinnloses Spaßhaben. Doch genau dieses Spaßhaben wurde dann entsprechend politisch gelesen, weil es nirgendwohin führt. Von außen gesehen ist es verschenkte Zeit. Und das war eigentlich schon ein politisches Statement. Du sagst: Ich bin jung und gebildet und eigentlich in einem Alter, in dem ich für die Gesellschaft etwas tun müsste, mache es aber nicht. Das war natürlich eine Rebellion. 
  
  Also waren die Skater dem Staat ein Dorn im Auge?
  Die öffentliche Reaktion teilt sich eigentlich in drei Phasen auf. In der ersten Phase wurden die Skater nicht sonderlich ernst genommen. Es war alles noch ein Spiel. Dann wurde die Szene aber immer größer und populärer und es kam die Phase, in der versucht wurde, das zu unterbinden. Und als sie dann gemerkt haben, dass die Szene trotzdem weiter wächst, drehte sich der Wind radikal. Rollsportverbände, die es eh schon gab, wurden erweitert auf die Sektion Rollbrett. Mit dem Germina kam dann auch das erste DDR-Skateboard auf den Markt. Wenn es schon populär war, dann wollte man natürlich auch bei Weltmeisterschaften gut abschneiden. Das hat aber nicht geklappt, weil die Skater nicht mitgemacht haben. Doch war es dann schon ein Jahr vor der Wende, das heißt, dass die vierte Phase, die man sich hätte ausdenken können, ein öffentlicher Kampf zwischen Sportföderation und Untergrundszene, nur deswegen nicht zustande kam, weil die Mauer fiel. 
 
  Im Moment läuft „This ain't California“ noch auf Festivals. Wird der Film auch regulär in den Kinos starten?
  Am 16. August startet der Film in den deutschen und österreichischen Kinos. Dafür sammeln wir aber immer noch Geld über unsere Website via Crowdfunding.

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