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Die jetzt.de-Wohnwoche (1): Ein Hohelied auf das Bett
Es fing mit der Vorbereitung zum Abi an und hat sich bis heute nicht geändert: Mein Bett ist mein Zuhause. Nicht meine WG, nicht mein Zimmer, nur mein Bett. Vor dem Abi gab ich den Schreibtisch als Ort der lästigen Pflichterfüllung auf und zog mit meinen Schulbüchern in mein Bett um. Wenn ich schon so viel lernen muss, dachte ich, dann kann ich es mir beim Vokabeln lernen oder Ableitungen ableiten auch bequem machen. Alle paar Minuten suchte ich zwar meinen Textmarker, Stift oder Taschenrechner, mir schliefen regelmäßig die Beine ein, weil sie jetzt als Schreibunterlage dienen mussten, und es kam vor, dass ich meine eigenen Notizen nicht mehr entziffern konnte, aber am Prinzip „my bed is my Schreibtisch“ hielt ich fest (Für besorgte Eltern: Ich habe ein gutes Abi gemacht). Als ich dann von daheim ausgezogen bin, kaufte ich mir als einziges neues Möbelstück ein Bett, um mich von schmalen 90 auf 120 Zentimeter zu verbreitern. Seither habe ich schon in einigen Wohnungen gewohnt – in Ein-Zimmer-Appartements mit Küchenschlauch, in WGs mit großer Küche und kleinem Zimmer, in WGs mit kleiner Küche und großem Zimmer – und ich besaß neben meinem geliebten Bett natürlich auch andere Möbel. Dennoch habe ich im Laufe meines Studiums immer mehr Tätigkeiten in mein Bett verlagert, während die anderen Wohnungs- und Zimmerbereiche nach und nach verwaisten. Ich frühstücke nicht in der Küche, sondern im Bett. Abends schaue ich im Bett fern und wenn ich für Prüfungen lernen muss, mache ich das nach bewährter Abivorbereitungsart ebenfalls im Bett. Ich lese wissenschaftliche Aufsätze und Bücher im Bett und, seit ich ein Laptop habe, schreibe ich auch Referate und sogar manche Hausarbeit im Bett. Das ist manchmal zwar mühsam, weil kopierte Aufsatzseiten gerne unter der Matratze verschwinden, Bücher ständig zuklappen und die Stapel um mein Bett immer unübersichtlicher werden. Aber sobald ich mich zum Arbeiten an meinen Schreibtisch oder, noch schlimmer, an einen Tisch in der Bibliothek, setze, überfällt mich schlagartig eine unglaubliche Müdigkeit und Arbeitsunlust (Vielleicht leide ich an einem Tisch-Trauma?) Mittlerweile kommt es auch vor, dass ich – Käsebroten, Pizza und Fünf-Minuten-Terrinen sei dank – im Bett zu Abend esse. In all den Jahren ist das Bett mein Rückzugsort geworden. Nirgends fühle ich mich so geborgen wie in meinem Bett. Hier stelle ich mich unangenehmen Aufgaben genauso wie ich mich vom Bett aus vor ihnen drücke, indem ich in die Welt der Spielfilme und Serien flüchte. Mein Bett ist das einzige Möbelstück, das mir wirklich etwas bedeutet, denn mein Bett ist mein Zuhause. P.S.: Dieser Text wurde natürlich im Bett geschrieben. Illustration: dirk-schmidt