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Der tollste Sommer deines Lebens
Eine Teeniekomödie als Abschlussfilm auf der Filmhochschule – ist das nicht ungewöhnlich? Christian Ditter: Es kommt ja immer auch darauf an, ob der Film zu einem passt oder nicht, ob man sich mit dem Thema identifizieren kann. Und das tue ich nach wie vor. Klar ist „Französisch für Anfänger“ ein reiner Film der Populärkultur. Aber da gibt es auch Unterschiede: Ich wollte zum Beispiel keine seichte Komödie drehen, die sich über alles und jeden lustig macht. Sondern bewusst einen Film, der sensibel mit Jugendlichen und ihren Gefühlen umgeht und das spezielle Lebensgefühl auf so einer Klassenfahrt einfängt. Wie fängt man das ein, dieses Lebensgefühl? Man beginnt in erster Linie bei sich selbst, bei den Erinnerungen. Für „Das Leben der Anderen“ (Gewinner des Deutschen Filmpreises, d. Red.) von Florian Henckel von Donnersmarck etwa – eine andere Abschlussarbeit – gab es Unmengen von Recherchematerial, auf das man sich stützen kann. Bei einem Film, wie ich ihn gemacht habe, stehen ein paar Eckpfeiler für die Handlung fest, das emotionale Grundgerüst muss ich aber alleine entwerfen. Letztendlich kommt es ja genau darauf an: dass eine Geschichte emotional funktioniert, egal, ob es nun um die Verfilmung eines Jugendgefühls oder die Aufarbeitung von kollektiver Geschichte geht.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Du hast in der Schule auch an einem Austausch mit Frankreich teilgenommen . . . Ich bin zum Drehen sogar wieder in das französische Dorf St. Symphorien-sur-Coise gefahren, wo ich früher zweimal gewesen bin. Dort haben wir dann in dem alten Bauernhof meiner ehemaligen Gastfamilie gedreht, das halbe Dorf hat Komparsenrollen gespielt. Französische Freunde von damals sind vorbeigekommen, wir sind zusammengesessen, haben getrunken und über früher geredet. Das war eine Art Reise in die Vergangenheit, die Einiges wieder hat aufleben lassen. Lässt sich das unverfälscht auf die Leinwand übertragen? Natürlich muss man ein bisschen nachhelfen, damit das Ganze nicht zu trocken gerät. Ich habe zum Beispiel keinen Rotwein in mein Müsli gekippt, um den landestypischen Bräuchen zu entsprechen, wie die Hauptfigur Henrik das tut. Ich habe auch nicht den Reisebus gekapert, um dem Mädchen meiner Träume nachzufahren. Allerdings habe auch ich mich heftig verliebt, sowohl in eine Deutsche als auch in eine Französin. Eine klassische „ménage à trois“ also. Mit welchem Ausgang ? Das behalte ich jetzt mal für mich. Für die Hauptfigur Henrik ist die Zeit in Frankreich „der aufregendste Sommer seines Lebens“. War das bei dir genauso – oder eher nur mittelmäßig? Ich erinnere mich gerne an dieses besondere Freiheits- und Urlaubsgefühl für wenige Wochen, die Feriensituation. Weg von Zuhause empfindet man alle Eindrücke ja noch mal viel intensiver. In dieser Form lässt sich das im späteren Leben nur schwer wiederholen. Ich finde einfach die Möglichkeit großartig, Leute, mit denen man täglich durch die gemeinsame Arbeit zusammengeschweißt ist, auf diese Art und Weise in einer neuen Umgebung kennen zu lernen. Worauf kommt es dabei denn an? Erst einmal ist das Reiseziel eigentlich völlig egal. Andere Gruppen waren ständig in tollen Städten wie Rom, London oder Paris. Wir sind meistens in irgendwelche unbekannten Käffer mit Seen gefahren. Einmal haben wir in der Kollegstufe eine Bootsfahrt auf dem Rhein unternommen, es hat geregnet, und nicht nach großartiger Unterhaltung ausgesehen. Dann aber fingen wir an, uns gegenseitig ins Wasser zu schmeißen, bis wir gekentert sind. Das war ein richtiges Abenteuer. Die anderen Kurse waren dafür in London und sind dort ins Kino gegangen. Vermisst du etwas aus dieser Zeit in deinem jetzigen Leben? Vielleicht dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit. Ich war früher halt ein Cliquenmensch, wir haben eigentlich fast immer etwas zu zehnt gemacht. Und wenn man mal zu zweit, mit einem Mädchen, ins Kino gegangen ist, dann hatte das echt was zu bedeuten. Kleine Gruppen von drei oder vier Leuten sind heute aber eher die Regel. Im Lauf der Zeit beschränkt sich jeder immer mehr auf sich selbst. Als Fortsetzung der Klassenfahrt gibt es im richtigen Arbeitsleben zwar vielleicht mal einen Betriebsausflug. Aber das Ungezwungene fehlt einfach daran. In einer Clique gibt es ja klare Hierarchien; genau wie auf der Klassenfahrt in deinem Film: Die Coolen, die Netten, die Außenseiter. Wo würdest du dich da rückblickend einordnen? Also, ich würde mich eigentlich nicht als schüchtern bezeichnen, höchstens wenn es um Mädchen ging. Insofern bin ich vielleicht wirklich der Hauptfigur Henrik am nächsten. Allerdings gibt es gerade auf einer Klassenfahrt – in dieser losgelösten Atmosphäre, und unter dem Einfluss von Liebe – auch Momente, wo man befreiter, einem Draufgänger ähnlich, auftreten kann. Generell habe ich viel von mir selbst in verschiedene Rollen einfließen lassen. Das eigene Verhalten lässt sich ja selten auf ein bestimmtes Muster festlegen. Wie siehst du deine Zukunft als Filmemacher? Glaubst du, du kannst dir damit dein Leben finanzieren? Das glaube ich schon. Wenn ich mir die aktuelle Situation im deutschen Film ansehe, dann stelle ich fest, dass meine jungen Kollegen- jeder für sich- in verschiedenen Segmenten erfolgreich sind: Zum Beispiel Florian Henckel von Donnersmarck mit „Das Leben der Anderen“, Christoph Hochhäusler mit „Falscher Bekenner“ oder Benjamin Heisenberg mit „Schläfer“. Das macht auch mich zuversichtlich. Ich drehe ab August acht Folgen für die TV-Serie „Türkisch für Anfänger“, die mir persönlich sehr gut gefällt. Sorgen mache ich mir erst, wenn es gar nicht mehr weiter geht. Wenn mir keine Geschichten mehr einfallen, die ich erzählen möchte. Mehr über den Film unter franzoesisch.film.de