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Der größte Zwerg im Geschäft: jetzt.de hat Lady Sovereign getroffen

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Polierte Award Schalen in großen Vitrinen, goldene und silberne Schallplatten, die als Wandschmuck sechsstellige Verkaufszahlen dokumentieren: In den Gängen des Gebäudes von Universal Records in Manhattan sind Glamour und Musikgeschichte zu Hause. Im 27. Stock liegt Def Jam, die Rap-Abteilung von Universal. Def Jam hat den Hiphop geprägt wie keine andere Plattenfirma. Mit Run DMC, der ersten Rap-Band mit einem Video auf MTV, Public Enemy, der Blaupause für politisch motivierten Rap, und den Beastie Boys, die zeigten, dass Hiphop auch ein weißes Mittelschichtsding sein kann. Nun hat das Label einen weiteren Superlativ: Die 20-jährige Lady Sovereign ist die erste weiße und noch dazu britische Rapperin in der 22-jährigen Firmengeschichte. Der Plan: 500.000 Verkäufe Schon vor einem Jahr hieß es hierzulande in Artikeln: 2006 werde das Jahr von Lady Sovereign. Doch immer wieder wurde ihr Debüt-Album verschoben, statt im Januar erschien es in den USA Ende Oktober. In Großbritannien, ihrem Heimatland, soll die Promotion erst 2007 richtig losgehen. Gerade wird der amerikanische Markt in Angriff genommen: Seit Juli ist sie in den USA und Kanada auf Tour, für ihre Single „Love Me Or Hate Me“ wurde ein aufwändiges Video inklusive Special Effects produziert, zum Remix steuerte ihr Idol Missy Elliot die Vocals bei und sogar einen Liveauftritt bei David Letterman absolvierte sie schon. Def Jam lässt nichts unversucht, um aus Sovereign eine berühmte Künstlerin zu machen. Der Plan: 500 000 Verkäufe in Amerika und 2007 soll Sov, wie sie am liebsten genannt wird, in Europa zwei bis vier Millionen Alben absetzen. Falls sie den Durchbruch in den Staaten schafft, wird sie es in Europa einfacher haben – so der Plan der Plattenbosse. Der Versuch, britischen Hiphop nach Amerika zu bringen, scheiterte bislang jedoch meist kläglich. Der britische Akzent gilt in US-Hiphop-Kreisen alles andere als „real“. Bestes Beispiel dafür ist Mike Skinner, auch bekannt als The Streets. In Großbritannien ist er mit drei Millionen verkauften Alben ein Superstar. Er spricht die gleiche Sprache, doch in den USA mag niemand zuhören, wie Skinner in seinem Song „Two Nations“ süffisant rappt. Für Skinner ist New York deshalb ein Rückzugsort in hektischen Zeiten. Bei Lady Sovereign ist das anders. „In Amerika fängt es gerade an, dass die Leute mein Gesicht kennen. Das ist aufregend. Ich liebe es, wenn die Leute zu mir kommen, so ‚Hey Sov, was geht ab'- mässig.“ Zopf, seitlich vom Kopf Dabei könnte man Sov leicht übersehen: „Ich bin der größte Zwerg im Geschäft“, rapt die 1,60 Meter kleine Lady Sovereign auf ihrem Debutalbum „Public Warning“, das frisch und frech klingt. Ihr Rap-Style passt zu ihrem Outfit: schwarze enge Jeans, Nietengürtel, gelbes Stüssy-Shirt, weiße Turnschuhe und glitzernder Bling Bling-Schmuck, der nach bemaltem Plastik aussieht. Ihr braunes Haar trägt sie immer zu einem Zopf gebunden, der seitlich vom Kopf absteht.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Lady. Es ist das Outfit eines Chavs, der vor ein paar Jahren in Großbritannien auftauchte. Der typische Chav kommt aus der Unterklasse und will hip sein, doch weil er keine Kohle hat, posiert er mit Billigklamotten aus dem Supermarkt, mit Plastikschmuck und den Plagiaten cooler Marken. Im Netz wird Sovereign immer noch als Chav bezeichnet, dabei bekommt sie das Original inzwischen umsonst von Sponsoren. „Wenn ich darüber nachdenke, wo ich herkomme und mir klar mache, wo ich heute bin, denke ich mir: Whow, that’s nice! Ich wache auf und stelle fest, dass ich eine Wohnung für mich alleine habe. Das hätte ich mir vor zehn Jahren nicht erträumt.“ Auf der nächsten Seite liest du, wie Sov im Studio mit nur einer Strophe alle wegblies.


Geboren als Tochter zweier Punks wuchs Sov in einer heruntergekommenen Sozialbausiedlung in Westlondon auf. Mit 15 fliegt sie von der Schule, wo sie als Louise Harman nur im Fußball positiv aufgefallen war. Sie lässt ihren bürgerlichen Namen hinter sich und nennt sich Lady Sovereign. Das Image für ihre neue Identität erschafft sie mit Hilfe des Grime-Musikers und -Produzenten Medasyn, der durch Zufall auf die damals Sechzehnjährige stößt: „Jemand gab mir einen Tipp und meinte, es gibt da dieses kleine unauffällige Mädchen. Sobald sie ihren Mund aufmacht, ist sie unglaublich“, erinnert sich Medasyn an die Begegnung vor vier Jahren. „Als sie im Studio ihre Strophe aufnahm, blies sie uns alle weg. Sogar Leute, die Hiphop eigentlich nicht mochten, fragten sich: Wer zum Teufel ist das?“ Warum bin ich nun größer als alle anderen? In Kurzbiographien, die man im Internet über sie aufstöbern kann, wird sie meist als ehemaliges Mitglied der Londoner Grime Szene, der britischen Version von Hiphop, eingeordnet. Während sich die männlichen Grime-Kollegen zu Crews zusammenschlossen, übte sie zu Hause; wo andere ihre eigene Radioshow hatten oder auf DVDs zu sehen waren, nutze Lady Sovereign Internettauschbörsen, um bekannt zu werden. „Ich wurde nicht mal in die Shows der anderen eingeladen. Ich fühlte mich immer als die Außenstehende“, berichtigt Sov, die in der männlich dominierten Piratenradio-Szene unterging. Sie zuckt mit den Schultern und fragt amüsiert: „Warum bin ich jetzt größer als all die anderen? Alles passiert aus einem bestimmten Grund. Ich bin keinem beleidigt, schließlich sitze ich jetzt im Büro von Def Jam.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sovereign. Lady Sovereign sagt zwar ja zu all den Promo-Angeboten ihres Labels, für den Erfolg verbiegen lassen will sie sich aber nicht. Auf ihrer Single „Love Me Or Hate Me“ witzelt sie über sich selbst, weil sie nicht dem sexy Frauenbild des Hiphop entspricht und das auch nicht möchte. „Ich habe nicht die größten Brüste, aber ich schreibe die besten Disse.“ Im polierten Pop-Musikgeschäft fehlt es an kantigen, selbstbewussten Typen mit einer wirklichen Punk-Attitude, die Sovereign zweifelsohne hat. Auch welche Songs auf ihrem ersten Album zu hören sind, hat ganz alleine sie selbst entschieden. „Def Jam wollte mich aus einem bestimmten Grund. Sie können sich deshalb nicht beschweren – sie bekommen, was ich ihnen geben werde!“ Bilder: DefJam

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