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Das Theater vor der Türe

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Prolog
Es treten auf: Der dienstälteste Türsteher Gerhard, genannt Gerdschi, picklige Jugendliche, ein älterer Herr im weißen Anzug und weißen Slippern. Die Nacht beginnt gerade erst.
 
Gerdschi: Wen kennts ihr?
Jugendliche: Äh, wir sind mit dem Karlheinz hier. Aber wenn das ein Problem ist, können wir auch gerne noch warten.
Gerdschi: Des machts. (Pause) Welcher Karl-Heinz? Der mit den weißen Klamotten?
Jugendliche: Ja, äh, schon.
Gerdschi: Der kommt aber immer alleine. Jeden Tag. Trägt immer weiß.
Jugendliche: Wir können auch warten, ist eh kein Problem.
Gerdschi: Hm. Der Karl-Heinz, der kommt doch immer allein.
 
Ein älterer Mann in einem weißen Anzug tritt auf, an den Füßen weiße Slipper. Er sieht aus, als hätte er schon viel erlebt.
 
Gerdschi: Gehören die zu Dir, Karl-Heinz?
Karl-Heinz: Ja. Kommt, Kinder, kommt!
 
Wie jeder Münchener kenne ich zwei Sätze im Bezug auf die Tür des P1. Dass der eine Quatsch ist, merke ich gleich. "Nur mit Lederschuhen!" Nach so einer Vorgabe kann ich als Türsteher im P1 die Leute gar nicht auswählen. Es ist viel zu dunkel, und andererseits sind selbst Turnschuhe tragende Minister seit Jahren Schnee von gestern. Der andere Satz lautet: "Heute nur für Stammgäste." Und der stimmt. Sowas von. Gerdschi läuft neben mir das Absperrgitter auf und ab wie ein gefangener Tiger mit Ray-Ban-Brille, die Augen stets an den Horizont geheftet, den das Ende der Menschenschlange vor ihm markiert. Und wenn er dort - "Alles fit, Michi? Gestern warst ja beinander!" - einen Stammgast wie etwa den Michi entdeckt, zieht er den und alle, die zu ihm gehören, sofort durch das Gitter.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



1. Akt
Es treten auf: Der Fußballer, Kathrin, die Cheftürsteherin, Freunde des Fußballers.
 
Kathrin: Servus! Und Glückwunsch! Wart, ich schau gleich.
Der Fußballer: Schön, dass das noch geklappt hat.
Kathrin: Hinten an der Bar, der Tisch vom letzten Mal. Wie viele gehören zu Dir?
Der Fußballer: Acht!
Kathrin: Eins, zwei, drei... Der mit dem Pulli auch?
 
Promis, das ist klar, kommen auch. Die winken wir noch schneller vor und geben ihnen noch nettere Bussislinksrechts. Aber, und das ist wichtiger: Jeder darf hier ungemein wichtig und bekannt sein, er muss nur so auftreten wie ein Promi. Und das mit dem Bekanntsein hat dann auch seine komischen Seiten: Alle 30 Sekunden schüttele ich Hände, sage Servus, Hi, Servus, Wie geht's? Ich kenne keinen, aber ein jeder kennt mich. Klar, ich stehe an der Tür. Heute zum ersten Mal. Doch der mit der schwarzen Jacke und die Osteuropäerin und später auch der BWLer behaupten, dass ich sie doch letzten Samstag und den Samstag davor und überhaupt immer reingelassen habe. Habe ich?
 
2. Akt
Es treten auf: Gerdschi, ein Mann in Barbour-Jacke. Seine längeren Haare sind in der Kitzbühler Welle nach hinten gegelt, die Wangen rosig und weich, sein Atem riecht scharf.
 
Gerdschi: Du bist zu betrunken.
Barbour-Jacke: Du bist unfair! Nur ein Glas Champagner!
Gerdschi: Ich bin nicht unfair. Du bist zu betrunken.
Barbour-Jacke: Aber das ist mein Spielplatz! Und ich kauf immer ´ne Flasche!
Gerdschi: Und genau deshalb lasse ich Dich nicht rein. Nicht, dass Du Dir beim Spielen weh tust!

Auch nicht unwichtig: Geld. Dass man das hat, zeigt man beispielsweise - ja, das wiederholt sich jetzt - durch Barbour-Jacken und die Kitzbühler Welle. Hilft aber auch nicht immer. Die Währungen, die aber in jedem Fall genommen werden, heißen Schönheit und Weiblichkeit. Der Türsteher ist schließlich verführbar, angeblich Liebende aber auch. "Du kommst rein, Dein Freund aber nicht", sage ich zu einem Pärchen. Das schöne Mädchen küsst den traurigen Jungen auf die Stirn und verschwindet in der Menge. Zum Fußballer? Oder zur Kitzbühler Welle? Zum Karl-Heinz? Der Freund wartet eine Weile, geht dann aber doch.
 
3. Akt
Es treten auf: Lü und Alex, Türsteher. Jimmy, sein Audi und circa sechs Freunde von ihm. So genau weiß man das natürlich nicht.
 
Lü: Jetzt kommt wieder der Jimmy mit seinem beschissenen Angeber-Audi.
Alex: Ist eh nur geleast.
Jimmy: Hey Leute! Die da gehören alle zu mir!
Lü: Servus. Passt scho.
Alex: Und die waren alle in dem Karren drin?

Eine natürliche Arroganz zeichne ihn aus, sagt der Keiwan über sich. Keiwan ist Türsteherlegende und jetzt Geschäftsführer des P1. Die Jungs heute an der Tür hätten diese natürliche Arroganz auch, meint Keiwan. Sie dringt ihnen quasi aus jeder Pore, selbst wenn es wie heute saukalt ist und über den Poren in mehreren Zwiebelschichten Textil liegt. "Hey, strenge Tür jetzt!", ruft der Keiwan seinen Jungs zu. "Die Mädels da schauen ja alle gleich aus!"
 
4. Akt
Es treten auf: Gerdschi, der Dicke, ich.
 
Der Dicke: Pssst!
Ich: Was?
Der Dicke: Ey, kann isch bestechen?
Gerdschi: Was wui er?
Ich: Rein, für 50 Euro.
Gerdschi: Was soll ich mit 50 Euro? 2 000, für jeden von uns!
Der Dicke: Isch hab 200.
 
Epilog
Der Fußballer steht vor der Tür, neben ihm zwei Streifenwagen. Er sei da nur hinein geraten, sagt der Fußballer. Er hat einen Barmann geschlagen und mir ins Gesicht gespuckt, sagt der Geschäftsführer. Ein Mann mit Kamera steht daneben, macht Fotos. Er habe sich soeben seinen Urlaub verdient, ruft der Mann.

Der Dicke sitze jetzt drinnen, sagt Keiwan. Wie ist der denn jetzt da reingekommen?, schreit Gerdschi. Der habe doch fünf Hasn dabei gehabt, sagt Alex. "Oh Mann, 200 Trinkgeld futsch!", stöhnt Gerdschi.

Ein junger Mann kommt an die Tür, im Arm das bezaubernste Mädchen des Abends. Ihre Augen sind so groß, dass Audis, Fußballer und Kitzbühl-Wellen darin versinken könnten. Sie trägt eine weiße Mütze mit einem Fellpüschel. "Du kommst rein, dein Freund nicht?", sagen wir, doch es klingt eher nach einer Frage, als nach einer Ansage. "Dann fahren wir lieber nach Paris", sagt die Bezaubernde, "jetzt sofort." Dreht sich um und geht - der junge Mann eilt hinterher.
 
Korrekte Job-Bezeichnung:
Türsteher im P1
Verdienst:
Wird leider nicht verraten.
Wie bewirbt man sich?
Mit warmen Klamotten und viel natürlicher Arroganz.
München-Faktor:
100 Prozent. Und noch hochprozentiger, je später es wird.



Text: moritz-baumstieger - Illustration: Katharina Bitzl

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