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Das ist doch alles gar nicht echt

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Jeannine Michaelsen wird das noch lange nachhängen. Als Online-Expertin des ZDF wollte sie Oliver Kahn während der Fußball-EM 2012 . „Der erste Mensch, dem Oliver Kahn folgt“, sagte sie stolz, „ist Harald Schmidt!“ Gelächter im Publikum.

Alte Geschichte. Aber Robert Michel alias Rob Vegas erzählt sie immer noch gern. Er ist nämlich Harald Schmidt. Oder, wie er es nennt, „der inoffizielle, geduldete Social-Media-Manager von Harald Schmidt“. Seit 2009 schreibt er lustige Tweets unter Schmidts Namen und es ist nur halb offensichtlich, dass der selbst gar nichts damit zu tun hat. Der Account zeigt ein Foto von ihm (typischer Griff an die Brille), der Account-Name lautet @BonitoTV (so heißt Schmidts Produktionsfirma) und in der Beschreibung steht „Tweets von meinem Social Media Onkel @robvegas“ (als sei Rob als Schmidt-Twitterer engagiert worden). Kurz: Es handelt sich um einen Fake-Account. Und Jeannine Michaelsen ist drauf reingefallen.

Twitter ist voll von solchen Fakes. Irgendwelche Menschen twittern als Prominente. Man kann fast jeden beliebigen Namen in das Suchfeld eingeben und wird Ergebnisse finden. Die „echten“ Accounts sind mit einem blauen Häkchen gekennzeichnet, damit man weiß, dass es sich hier wirklich um den Barack Obama (oder sein Social-Media-Team) oder die Beyoncé handelt. Hinter allen anderen Accounts steckt irgendeine Privatperson. Aber warum macht man so was? Warum bedient man sich eines berühmten Namens, um 140-Zeichen-Nachrichten abzusetzen? Natürlich geht es dabei um die härteste Währung des Internets: Aufmerksamkeit. Aber warum man die will, das kann verschiedene Gründe haben.

Dr. Stephan Humer ist Internetsoziologe und hat sich schon viel mit Fake-Accounts beschäftigt. Er glaubt, dass sie oft individuell motiviert und darum schwer zu kategorisieren sind. Aber einen groben Versuch wagt er: „Man kann Fake-Accounts im positiven Sinne nutzen, zum Beispiel für virales Marketing. Oder im negativen, zum Beispiel, um einen Shitstorm auszulösen.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hier twittert einer, der hier gar nicht twittert. Verwirrend!

@BonitoTV gehört zur ersten Kategorie. Angefangen hat Rob aus Spaß. Aber als es so gut lief, fing er an, den Account für sich zu nutzen, weil er selbst Komiker mit eigener Online-Show ist. „Schmidt folgen 75 000 Leute, mir 17 000. Ich lasse ihn viel von mir retweeten, damit er Werbung für mich macht“, sagt Rob. Den echten Schmidt hat er auch mal kontaktiert, ein Anwalt hat ihm dazu geraten. Keine Reaktion. Schmidt könnte verbieten, dass jemand seinen Namen verwendet. Aber es ist ihm offenbar einfach egal, weil er weiß, dass Rob ihm nicht schaden will.

Zur zweiten Kategorie, der negativen, gehören Parodie-Accounts, die genau das eben doch wollen: einen Prominenten diskreditieren. Stephan Humer nennt als Beispiel @Saschalobot. „Das ist eine Art Spiegelung von Sascha Lobo. Wenn der etwas schreibt, macht der andere Account etwas Humoristisches oder Negatives daraus.“ Es gehe darum, zu zeigen, dass Lobo eigentlich nichts kann oder weiß.

Weil diese negativen Fake-Accounts viel leichter als solche zu erkennen sind, sind sie die weniger spannenden. Das Interessante an @BonitoTV ist ja, dass bis heute Menschen drauf reinfallen. Und zwar auch, weil sie glauben wollen, dass da Schmidt persönlich twittert. „Wenn die einen Tweet lesen, denken sie dabei ja nicht an mich“, sagt Rob, „sondern stellen sich Schmidts Stimme vor. Sogar viele, die wissen, dass es ein Fake-Account ist, mögen einfach, dass in ihrem Leben theoretisch noch ein Schmidt stattfindet.“

Und dann gibt es da noch einen Spezialfall der Fake-Accounts: die, deren Urheber sich anders als Rob Vegas nicht offenbaren. Einer der bekanntesten ist @BillMurray: 519 000 Follower und ein großes „I AM NOT BILL MURRAY“ in der Beschreibung. Der Autor oder die Autorin niedlicher Tweets wie „As an adult, I’m not eating nearly as much ice cream as 10 year old me thought I would“ zeigt sich nicht, nutzt den Account also nicht zu Werbezwecken. Er oder sie will Billy Murray aber auch nicht bloßstellen. Bleibt ein anderer Grund für den Fake – und das Versteckspiel: Macht. „Der berühmte Name ist nur Mittel zum Zweck“, sagt Stephan Humer, „wichtiger ist die Konstruktion. Die steht für den Autor, er hat sie völlig in der Hand – und wenn er sie aufgibt, gibt er alles auf.“ Denn wenn auf einmal klar ist, dass dort Hans Müller aus Berlin twittert, mittelgroß, mittelalt, mittelhübsch, zerbricht die Illusion. Ohne den Account wäre Hans Müller uninteressant – und mit Hans Müller wäre der Account uninteressant. Aber so hören Hans Müller mehr als 500 000 Menschen interessiert zu. Theoretisch zumindest. Und vielleicht ist er sogar Bill-Murray-Fan und das Twittern hat für ihn darum einen besonderen Reiz. „Fans, die unter prominenten Namen twittern, sind in einer privilegierten Nähe zum Prominenten. Sie sind die Gralshüter, die sagen: Ich verbreite die wahre Lehre des Prominenten XY, nur über mich erreicht ihr ihn“, sagt Stephan Humer. Das klingt fast schon ein bisschen gruselig.

Natürlich kommen Aufmerksamkeit und Erfolg nicht nur über den berühmten Namen. Man muss auch ein bisschen was dafür tun, dass die Menschen einem folgen. Muss die generellen digitalen Mechanismen beherrschen, Twitter verstehen. Aber dann hat man als Twitter-Doppelgänger sehr viel mehr Macht als die Doppelgänger früherer Zeiten. Man muss sich nicht schminken oder verkleiden, keine Mimik und keine Gestik imitieren. Man muss einfach nur 140 Zeichen schreiben und dabei einen bestimmten Ton einigermaßen treffen. Den Rest erledigt das Gehirn des Lesers. Oder Jeannine Michaelsen.

Text: nadja-schlueter - Illustration: Daniela Rudolf

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