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Bequemes Argument

Foto: claudiarndt / photocase.de

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Es gibt Outfits, bei denen rechnet das Gehirn den Geruch von versagendem Naturdeo automatisch dazu. Mein Gehirn jedenfalls. Bei Batikklamotten zum Beispiel. Bei Menschen ohne Schuhe. Und bei Birkenstocks. Ganz besonders bei denen. Das passiert unwillkürlich. Eine einfache Assoziation wie bei Yin und Yang, Milch und Kuh oder deutschem Kabarett und pensionierten Studienräten. Was ich sagen will: Ich kann die Ablehnung nicht steuern, und jeder Versuch, sie zu unterdrücken (jetzt bitte NICHT an einen rosafarbenen Elefanten denken), erreicht das genaue Gegenteil. Als in der Redaktionskonferenz also jüngst die Idee umherwaberte, etwas zum Birkenstock-Modell „Arizona“ zu machen, in seiner korkigen Hässlichkeit eine Art Primus inter Pares der Sandalenfirma, kam die Ablehnung wieder hoch. Die Damen in der Runde wurden erst wütend und dann amüsiert. Und jetzt habe ich diesen Text am Bein. Und weil in dem irgendwann ohnehin so etwas wie eine Beleidigung auftauchen muss, kann sie ebenso gut gleich hier am Anfang stehen. Hilft ja nix:

Mädchen, ich finde, ihr seht im Alltag in letzter Zeit immer mehr aus wie Reutlinghausener Bio-Imker beim Feierabend-Mate. Auf wirklich aggressive Art unurban also – und ich möchte mich für den Vergleich noch im selben Atemzug bei allen Bienenfreunden aus Reutlinghausen entschuldigen. Gemeint ist jedenfalls jene unheilvolle Kombination aus nackten Füßen in „Arizona“ (ein Unisexmodell übrigens), schönen Beinen in schlabberigen Pyjamahosen (oder Artverwandtem aus, keine Ahnung, Jute halt wahrscheinlich) und irgendeinem möglichst sackförmigen Oberteil. Verschärfte Variante: Farmer-Style mit Latzhose.

Mein Problem ist zunächst, dass so ein Outfit sein Trageargument ja gleich mitliefert. Es ist: bequem! Und zwar buchstäblich wie im übertragenen Sinn. Es gäbe, so hört man, nichts Komfortableres, nichts mit mehr Heia-Bubu-Wohlfühl-Luftigkeit also, als diese Schuhe, diese Hosen, diese Oberteile.

Und das ist unfair. „Bequem“ ist nämlich ein Totschlagargument. Wer es in Modefragen nicht als Endpunkt der Diskussion anerkennt, gilt als jemand, der Frauenkörper in ein deformierendes Korsett aus High Heels und Latexhosen spannen will: als paternalistischer Sexisten-Macho-Arsch. Bequem nicht zu unterstützen, ist quasi nur ein paar storchige Stöckelschuhschritte entfernt von häuslicher Gewalt. Bis hierhin bitte nicht falsch verstehen: Jeder, wie er mag, auch und vor allem bei Fragen der Ästhetik. Wer bequem will, macht bequem. Niemand muss sich so anziehen, dass er anderen gefällt. Der Punkt ist aber, dass ich euch genau diese Gleichgültigkeit nicht abnehme.

Ihr tragt diesen ganzen Kram nicht, weil er bequem ist. Auch, wenn ihr den Nebeneffekt sicher schätzt. Ihr tragt ihn, weil die Leandra Medines dieser Welt in ihren New Yorker Streetstyle-Blogs (die natürlich auch noch manrepeller.com heißen) jetzt eben das ausgerufen haben. Sagt ihr in besonders ehrlichen Momenten ja selbst. In den anderen folgt ihr einem Trend unter dem schlabberigen Deckmäntelchen der Bequemlichkeit. Again: Alles gut bis hierhin. Tut jeder. Allerdings folgt dieser Trend, wenn ihr noch ehrlicher seid, einem anderen: dem Diktat der Ironie nämlich. Ihr wollt aussehen wie eure eigenen Mütter im Griechenland-Urlaub der frühen Siebziger, weil ihr die Brechung witzig findet. Wie wir Jungs bei Schnauzbärten. Oder Strickpullovern mit Testbildmustern. Und das muss aufhören. Bitte.

Eigentlich wollen wir – Jungs wie Mädchen – einander nämlich gefallen. Dass das auf unzähligen Wegen funktioniert, ist klar. Dass man keinen davon auf Korksohlen entlangschlurfen sollte aber doch auch. Ironie ist Flucht vor echter Haltung. Und das hat sich überlebt. Ironie ist tot. Und wenn sie wirklich noch nicht tot ist, muss sie enden. Am besten in allen Lebensbereichen. Zumindest aber bei Birkenstocks. Töten wir den Trend zur Hässlichkeit. Das wäre, nun ja, schön eben.

Und wenn du schon Birkenstock trägst...

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