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"Außerdem fing ich an zu bröckeln"
Die wichtigste Vorraussetzung, um in der Münchener Ruhmeshalle aufgenommen zu werden, erfüllt Aneta Steck (29, Künstlerin) schon mal nicht: Tot sein. Quietschlebendig hat sie ihren Kopf aus Gips zwischen die Marmorbüsten verblichener bayerischer Helden geschmuggelt. Ihre Kunstwerk stand dort knapp sieben Monate. Bemerkt hat es niemand, weder schlaue Kunststudenten oder Touristen, noch die für die Halle zuständige Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Ruhmeshalle in München ist ein seltsamer Ort, da treffen sich die dralle Bavaria, Heldenverehrung, leichte Oktoberfestlaune und schwere Architektur. . . . . . und Menschen, die dort nur Geburtstag feiern wollen. Ich habe keinen besonderen Bezug zu diesem Ort, falls du das meinst. Bei einem Fest von Freunden am Fuße der Bavaria fing es an zu regnen. Wir haben uns in die Halle geflüchtet und beim Anblick dieser Marmorbüsten kam mir die Idee, mich einfach dazuzustellen. Also bloße Schnapslaune ohne künstlerische Intention? Am Anfang schon. Aber dabei ist es nicht geblieben. In mir hat sich während der Arbeit an der Büste, die sich über zwei Jahre hinzog, schon eine philosophische Basis für das Projekt entwickelt. Ich mag monumentale Architektur, doch diese geballte Form der Heldenverehrung ist mir sehr fremd. Außerdem gibt es auch einen feministischen Anklang. Bei diesen bayerischen Helden handelt es sich größtenteils um Männer. Unter den rund 100 Büsten von Baumeistern, Wissenschaftlern und Königen stehen gerade mal zwei Frauen. Die Aktion mit der Büste war dann übrigens meine Diplomarbeit an der Akademie für bildende Künste in München.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
In der Bavaria hockt ein Kartenverkäufer und auf den Treppen davor sitzen auch immer viele Leute. Wie hast du deinen Gipskopf da reingeschmuggelt? Das war an einem Novembermorgen letzten Jahres, so um halb sechs in der Früh. Wir hatten einen Sonntag ausgesucht, weil dann auch keine Jogger unterwegs sind. Zu dritt haben wir die Büste über zwei Zäune gehievt und aufgestellt. Lichtschranken gibt es da keine, das haben wir vorher natürlich geprüft.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wieso hat das sieben Monate lang keiner bemerkt? Gelegenheiten wären da gewesen. Im Januar hat das Bayerische Kabinett beschlossen, neue Persönlichkeiten aufzunehmen, unter anderem Carl Orff und Bertolt Brecht. Da gab es viel Aufmerksamkeit und sicher auch jemanden, der den Zustand der Büsten kontrolliert hat. Einmal stand jemand vor meinem Kopf und hat ihn mit dem Handy fotografiert, da dachte ich "jetzt ist es aus." Außerdem fing ich an zu bröckeln. Meine Büste war ja aus Gips, der begann sich irgendwann zu lösen. Beinahe wäre mir ein Ohr abgefallen. Vielleicht hätten sie mich dann auch noch restauriert. Aber ohne den entlarvenden Radiobeitrag im Zündfunk über die Aktion wäre das wohl noch eine Weile weitergegangen. Das war schon sehr reizvoll, diesen blinden Fleck einer Institution aufzudecken und zu beobachten, was passiert, wenn man einfach etwas im öffentlichen Raum hinzufügt. Deine Büste steht jetzt offenbar bei der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Es heißt, du kannst sie abholen. Das werde ich auch. Und dann? Ich stelle sie nicht zurück. In der Nähe von Regensburg gibt es noch so eine Ruhmeshalle - die Walhalla. Ja stimmt, da habe ich ehrlich gesagt auch schon mal drüber nachgedacht (lacht).