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"Aus dem Elternthema kommen wir unser Leben lang nicht raus"
Einige Eltern beschließen, ihre Kinder einfach „machen zu lassen“ und lassen die Finger von deren Beziehungen – von den Eltern des neuen Freundes oder der neuen Freundin sowieso. Andere Eltern finden es selbstverständlich, auch mal die Eltern der Verliebten des eigenen Nachwuchses kennenzulernen. Ist das gut so? Wieviel Elternnähe ist gut für die Beziehung? Ein Interview mit dem Familien- und Paartherapeuten Friedhelm Schwiderski.
jetzt.de: Wie wichtig ist es, die Eltern in die eigene Beziehung zu integrieren?
Friedhelm Schwiderski: Sehr wichtig. Unsere Eltern sind unsere Wurzeln und jeder Mensch tut gut daran, mit diesen Wurzeln in guter Verbindung zu stehen. Das kann man ruhig mit einem Baum vergleichen: Nur ein fest verwurzelter Baum kann gesund wachsen und Stürmen standhalten. Deshalb sollten wir unsere Eltern in diese Dinge einbeziehen.
jetzt.de: Es ist also nicht so klug, die eigenen Partnerschaften auf Dauer völlig aus der Familie herauszuhalten?
Schwiderski: Auch wenn man sich dafür entscheidet, auf Abstand zu den Eltern zu gehen, bleibt man über diese Ausgrenzung mit ihnen verbunden – die Welt wird ja nicht elternlos, nur weil man beschlossen hat, seine Eltern nicht mehr ins Leben einzubinden. Es ist, wie wenn ein Paar sich trennt und einer sagt: ,Nie wieder Frauen!‘ Dadurch verschwinden ja die Frauen nicht, sondern sie bleiben ein lästiges Dauerthema. Im Fall der Eltern kommt hinzu, dass, spätestens wenn ein Kind da ist, Oma und Opa fehlen. Das ist ein Verlust für alle: Dem Kind fehlt der besondere Einfluss, den nur Großeltern geben können, und den Eltern fehlt ein Stück Erziehungsentlastung. Die Verflechtung der Generationen hat vor allem in Zeiten wie diesen, die von Verunsicherungen und Wandel geprägt sind, einen großen Wert.
jetzt.de: Wie ist es bei Fernbeziehungen? Wenn die Partner aus zwei unterschiedlichen Ländern kommen, werden ihre Familien vielleicht nicht viel gemeinsam haben.
Schwiderski: Sicherlich bilden sich aus anderen Umständen andere Rituale heraus, man verbringt etwa keine Feiertage miteinander. Was man bei räumlicher Distanz zwischen Familien aber immer wieder beobachten kann, ist, dass ein wohlwollender familiärer Kontakt auch über die Entfernung ein greifbarer Wert ist. Gut mit und über die eigene Familie sprechen zu können, ist besser als schlecht über sie zu sprechen oder das Thema zu verdrängen. Aus dem Elternthema kommen wir unser Leben lang nicht heraus.
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jetzt.de: Was mache ich, wenn ein Elternteil darauf drängt, endlich einmal die andere Seite kennenzulernen – und die andere Seite einfach wenig Interesse an einem Treffen zeigt?
Schwiderski: Bei solcherlei Unstimmigkeiten sollte man offen und ehrlich mit allen Beteiligten abstimmen, wer welche Absichten verfolgt und warum er das tut. Wenn das Treffen für die eine Seite zu früh kommt oder es dort aus gewissen Gründen – etwa wegen komplizierter Familienverhältnisse – gerade unpassend scheint, muss man das aufrichtig vermitteln. Da weiß dann jeder, woran er ist. Eventuelle Missverständnisse werden aus dem Weg geräumt und man findet vielleicht einen Kompromiss.
jetzt.de: Gibt es so etwas wie den idealen Zeitpunkt für das Kennenlernen der Eltern?
Schwiderski: Allgemein gültige Regeln gibt es bei so etwas nie, da die Lebenssituationen der jeweiligen Personen immer unterschiedlich sind. Vielleicht steht ein runder Geburtstag eines Familienmitglieds an, an dem viele Bekannte und Freunde eingeladen werden, und vielleicht taucht da die Frage auf, ob man vielleicht zu diesem Anlass einmal die andere Seite einlädt. Es ergibt aber keinen Sinn, diese Dinge zu erzwingen. Man kann lediglich hinhören, welche Signale es gibt und ob überhaupt jemand nach einer Zusammenführung verlangt oder nicht.
jetzt.de: Was mache ich, wenn sich meine Eltern partout nicht mit meinem Freund oder dessen Eltern verstehen?
Schwiderski: Nur, weil sie nicht auf Anhieb miteinander warm werden, muss das nicht bedeuten, dass sie sich nicht respektieren können. Manchmal treffen die unterschiedlichsten Menschen aufeinander und sagen, sogar mit einem gewissen Stolz: Wir kommen miteinander zurecht, obwohl wir uns unter normalen Umständen nie kennengelernt hätten.
jetzt.de: Und wenn meine ernsthaft etwas gegen meinen Partner haben? Theoretisch könnte das doch meine Beziehung zerstören – immerhin kennen sie mich länger als irgendjemanden sonst und vielleicht haben sie Recht?
Schwiderski: Es kann hilfreich sein, diese elterliche Einschätzung ernst zu nehmen und sie kritisch zu hinterfragen. Aber es ist meist nicht die einzige Meinung, die mich umgibt. Ich habe Freunde und Bekannte, die ich zu Rate ziehen kann und ich beobachte in der Öffentlichkeit andere Paare. Bei all diesen Menschen kann ich mir Informationen darüber holen, in welcher Art von Partnerschaft ich leben möchte und dies mit der Art von Partnerschaft vergleichen, die ich führe. Dafür muss ich feinfühlig in mich hineinhorchen: Hier schlägt mein Herz höher, in diese Richtung will ich, eine andere wiederum scheint mir unangenehm zu sein. Letztlich kann ich mich nur darauf verlassen, was sich in mir aufrichtig gut anfühlt. Das ist wie bei einem Künstler, der zu seinem Werk steht, auch wenn die Leute drumherum ihm alle sagen: Was ist das denn für ein komisches Zeug?
jetzt.de: Angenommen, man hat das ganze Kennenlernen hinter sich und alle verstehen sich prächtig – was, wenn man sich eines Tages von seinem Partner trennt und die eigene Familie einen bei jeder Gelegenheit darauf aufmerksam macht, dass er der „Richtige“ für einen gewesen sei?
Schwiderski: Da gilt dasselbe: Genau hingucken. Haben meine Eltern Recht? Könnte ich aus ihrer Sicht der Dinge etwas lernen und möchte ich tatsächlich wieder auf diesen Menschen zugehen? Oder gibt es in mir ein inneres Signal, das mir sagt: Diese Beziehung ist definitiv abgeschlossen und das ist auch gut so. Wenn meine Eltern sich damit noch nicht angefreundet haben, ist das ihr Problem, aber ich muss es nicht zu meinem machen.
jetzt.de: Kann man am Vater oder an der Mutter wirklich sehen, wie der Partner sich entwickeln wird oder ist das eine dumme Annahme?
Schwiderski: Das ist gar keine dumme Annahme, im Gegenteil. Man spürt bei so einem Treffen, wo der Partner herkommt, wie er geprägt wurde, welches Beziehungsmodell er bei seinen Eltern kennengelernt hat und welchen Einfluss ihre Erziehung auf ihn gehabt haben muss. Orientiert er sich an den Werten seiner Eltern? Lebt er bewusst in Abgrenzung zu ihnen? Das ist sehr aufschlussreich über das Wesen des Partners und seine voraussichtliche Entwicklung.
Text: mercedes-lauenstein - Foto: vandalay/photocase.de