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1. Das Ethno-Bild

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist zu sehen: Auf jeden Fall Menschen. Und zwar keine Touristen-Guides oder andere Urlauber, sondern echte Einheimische, die in einem entlegenen Winkel des bereisten (und ohnehin schon entlegenen) Landes wohnen. Auf dem Foto tragen sie ihre Stammesgewänder oder abgetragene Kleidung, die erkennen lässt, dass man sich weitab der ersten Welt befindet. Idealerweise gehen sie auf dem Foto einer traditionellen Tätigkeit nach und backen zum Beispiel Brot in einem Lehmofen. Wichtig ist, dass sie unbedingt sehr fröhlich und lebenslustig wirken.
So war die Reise: Beschwerlich, aber wenn man das echte Afrika sehen will, geht das halt nicht im Erste-Klasse-Reisebus. Über schlaglochdurchzogene Schlammpisten ging es tagelang durch den Regenwald bis in ein kleines Dorf. Hotels gibt es dort keine, der Fotograf musste beim Dorfältesten fragen, ob er bei einer Familie übernachten dürfe. Der Besuch des Dorfs ist nur eine von unzähligen Strapazen – und unzähliger hundertpro unvergesslicher Begegnungen auf der viermonatigen Reise, an deren Ende noch ein Monat bei einem Hilfsprojekt einer NGO ansteht.
So heißt das Bild: Limbambulu, Gambia
Das bedeutet es: Ich bin ein Abenteurer. Die Lonely-Planet-Autoren sind Waschlappen gegen mich. Ich bewege mich abseits eurer Touristenpfade und lerne das Land so kennen, wie es wirklich ist. In zwei Wochen kann man das natürlich nicht erledigen.
Das steht in den Kommentaren:
„Wo du immer hinkommst. . . !“,
„Super-Bild! Die haben alle so ein ganz besonderes Strahlen in den Augen! Ich liebe diese Menschen!“
„Must come back soon!“
 
2. Die Gastro-Postkarte

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist zu sehen: Gedeckte Tische mit deutlichem Urlaubsbezug, zum Beispiel Lagune im Hintergrund oder steirischen Weideochsen auf der Almwiese. Dazu sorgsam drappierte kulinarische Eigenheiten oder Originalitäten, zum Beispiel Limonaden mit altertümlichen Etiketten, türkische Nachspeisen oder ein Berg Datteln. Das ganze natürlich schön durch den Retro-Filter gejagt.
So war die Reise: Herrlich natürlich, abgesehen von den vielen vergeblichen Anläufen, bis endlich ein nettes, günstiges, kleines Restaurant am Meer gefunden wurde oder ein Bio-Weingut, das geöffnet hatte. Bis es soweit war, hing dann regelmäßig der Urlaubssegen schief. Auf der Rückreise wird natürlich bei jedem Hofladen und jedem „prodotti tipici“-Schild angehalten und eingekauft, damit auch daheim die Freunde noch ein halbes Jahr lang beeindruckt sind, was für Schätze man sogar in der Steiermark findet.
So heißt das Bild: Almdudler!
Das bedeutet es: Wir machen Genussreisen, wir wissen auch im Ausland, wie man gut lebt und haben hier mal wieder einen absoluten Geheimtipp aufgetan. Jaja, abseits der ausgetretenen Touristenpfade findet man eben noch die ursprüngliche Kultur und gerade durch das Essen lernt man ein Land doch erst richtig kennen.
Das steht in den Kommentaren:
„Oh, lecker, das vermisse ich hier so!“
„Die Limo gibt’s doch auch bei Manufactum, oder?“
 
3. Die ironische Sehenswürdigkeit

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist zu sehen: Der schiefe Turm und jemand, der ihn wieder hochstemmen möchte. Der Eiffelturm und jemand der ihn mit den Fingern zerdrücken will. Die Fontana di Trevi und jemand, der in Anita-Ekberg-Pose hineinspringen will.
So war der Urlaub: Pauschal. Sicher. Das Hotel war okay, bisschen außerhalb, aber nicht schlimm. Nur das Wetter war an zwei Tagen nicht so gut. War aber auch egal, geht man halt ins Museum. Am letzten Abend waren beide ein bisschen krank, nasowas. Die Traveller Checks hätten sie gar nicht gebraucht, aber das deutsche Brot, das haben sie echt vermisst.
So heißt das Bild: IMG676348.jpg
Das bedeutet es: Abgehakt! Wir waren an den Orten, die allgemein als Ausland und als touristisch wertvoll anerkannt werden und an denen auch unsere Eltern schon Fotos gemacht haben. Im Gegensatz zu ihnen und zu den zweitausend anderen Touristen hier veräppeln wir aber die Sehenswürdigkeit ein bisschen, schließlich sind wir im Urlaub und haben Spaß.
Das steht in den Kommentaren:
„Ich will auch wieder Urlaub! Habs Cheffe schon gesagt. Smiley.“
 
4. Die Beförderungsmelancholie

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist zu sehen: Interessantes Stillleben aus dem Schlafwagenabteil. Menschenleere Zollstationen. Sonnengebleichte Rettungsringe auf der Fähre nach Elba. Aufreizend monotone Wartebänke am Flughafen. Gerne alles auch mit Monochrom-Filter oder mit stark entsättigten Farben.
So war der Urlaub: Ach, Urlaub, das klingt so nach geregelten Verhältnissen. Es war eine Reise, ein Treibenlassen, ein Sichfinden. Erstmal die Freunde in Portugal besuchen und von da noch weiter, war eigentlich ganz cool, die haben so witzige alte Busse, aber die Fahrer sind echt nett und verkaufen Melonen. Dann in Frankreich per Zufall eine echt nette Pension am Meer gefunden und später so Typen, die noch Platz in ihrem Bus hatten.
So heißt das Bild: The beauty lies within
Das bedeutet es: Der Fotograf ist gegen all die Sonnenuntergänge, Palmen und spektakulären Ausblicke längst resistent. Der wahre Entdeckergeist zeigt sich nämlich in den abseitigen Dingen, die sonst nie jemand beachten würde. Siehe halt auch zeitgenössische Fotografie der letzten dreißig Jahre. Ich bin zwar introvertiert und ästhetisch interessiert und postironisch versiert, aber habe eben einen kleinen Mitteilungsdrang.
Das steht in den Kommentaren:
„Tolles Bild, gefällt.“
„Erinnert irgendwie an Gursky. . . “
 
5. Der Meerblick-Hüftknochen

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das ist zu sehen: Ein graziler Mädchen-Unterkörper ungefähr ab Bauchnabelhöhe vor klassischem Strandpanorama. Über dem Bikinihöschen ragt keck ein spitzer Hüftknochen in den Himmel, die bereits leicht gebräunten Beine sind überkreuzt, die Füße frisch pedikürt und die Nägel gemäß der aktuellen Lackmode bemalt. Dahinter ein Streifen Strand und glitzerndes Mittelmeer.
So war der Urlaub: Entscheidend ist vor allem die Zeit davor, die nämlich eine Phase der quälenden 24/7-Selbstoptimierung war. Im Zentrum der Mission Beachbody stand das Sportprogramm, bestehend aus Joggen vor dem Frühstück, einem Abstecher ins Fitnessstudio am Vorabend und vorm Schlafengehen noch ein paar Sit-Ups. Dazu Detox-Ernährung, Waxing und direkt vor Abreise einmal unter die Selbstbräuner-Dusche. Der Urlaub selbst war im Vergleich dazu richtig dekadent: Ab und zu hat sich die Fotografin nun nämlich eine Kugel Fruchtsorbet gegönnt.
So heißt das Bild: Crete 08/08/12, mindestens auf Englisch benannt, im Idealfall in der Sprache der Urlaubsdestination.
Das bedeutet es: Der Meerblick-Hüftknochen ist die ideale Präsentationsmöglichkeit der mühsam erarbeiteten Bikinifigur. Durch die entspannte Strandpose ist all die Mühe zumindest optisch verborgen, gleichzeitig wirkt der Hüftknochen weniger ordinär und aufmerksamkeitsheischend als ein Bild vom knackig trainierten Popo (hat sie selbstverständlich aber ebenfalls festgehalten). Außerdem ist die Pose sehr figurschmeichelnd, eventuell noch verbliebener Bauchspeck wird von der Schwerkraft des Urlaubslandes in die Tiefe gezogen.
Das steht in den Kommentaren:
„Schööön!",
„Sag mal, wo du den Nagellack her hast, so einen korallfarbenen such’ ich schon ewig!“
 



Text: jetzt-redaktion - avogd/ Matroyshka/ joemac/ testfight/ misterQM / photocase.com

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