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Neben seinem neuen Auto sieht Valentin Slaby ganz schön klein aus: Der Wagen ist 1,95 Meter breit, 5,50 Meter lang und 2,3 Tonnen schwer. "An diese Wucht muss man sich erstmal gewöhnen", sagt Valentin. Die Wucht ist ein Chevrolet Caprice, ein Polizeiauto aus den USA, das der 26-Jährige vergangenen Sommer importiert hat. "Das war seit eh und je mein Traum", sagt er. Wer einen bulligen Mann mit hartem Händedruck und feisten Machosprüchen erwartet, liegt falsch. Valentin Slaby ist schmächtig und zurückhaltend. Im nordhessischen Spangenberg sind er und sein Auto jetzt berühmt. Hier wohnen 6578 Menschen, es gibt eine Schule, eine Bibliothek, einen weltweit operierenden Sägebandhersteller und zwei Schwimmbäder. Auf dem Berg über der mittelalterlichen Fachwerkstadt thront ein altes Jagdschloss, und einmal im Jahr kommen Menschen aus aller Welt, die mit Nachnamen Spangenberg heißen. Spangenberg ist ein kleiner Ort. Hier lebt Valentin schon immer, hier ist er zur Schule gegangen und hat seinen Führerschein gemacht. Hier fährt er jetzt mit seinem Polizeiwagen durch die Gassen zwischen den Fachwerkhäusern, die fast zu eng sind für das Auto. Chrom und Flammen Valentins Wohnung schmücken Fotos vom Grand Canyon oder dem Monument Valley - und ein Autogramm von Terence Hill. 44 Miniatur-Polizeiautos sind in einer Vitrine akkurat gestapelt, aus fast allen US-Bundesstaaten. Begonnen hat die Faszination für amerikanische Autos mit Filmen. "Ich habe Actionfilme gesehen", erzählt Valentin, "die Verfolgungsjagden haben mich fasziniert, und dazu gehören nun mal Autos. Ist doch toll, wie die Blues Brothers in Chicago unter der Hochbahn durchrasen." So wurde ein Traum geboren. "Seit ich denken kann, wollte ich ein amerikanisches Polizeiauto haben." Wichtiger als die PS-Zahl ist Valentin das Design: "Die US-Streifenwagen sind einfach sehr schön. Manche haben ein Wappen oder einen Stern, andere sind schräggestreift, und die Lichtbalken sind auch unterschiedlich, mit Rot- oder Blaulicht, oder beidem. In Deutschland sehen alle Wagen gleich aus." Valentins erstes Modell-Auto war ein Chevrolet Caprice des Police Department aus New York, das zweite ein Caprice der Polizei von Kalifornien. Doch der Wunsch war immer, so ein Auto nicht nur in der Vitrine, sondern auch in der Garage stehen zu haben. Als gelernter Fachangestellter für Bürokommunikation legt Valentin Wert auf Ordnung, und genauso ging er den Kauf des Polizeiautos an. In der Zeitschrift "Chrom und Flammen" entdeckte er einen Artikel über den Verein "Police Car Owners of America", der seit 1991 Dienstfahrzeuge der US-Polizei erhalten will. 1997 wurde der europäische Ableger gegründet, mit mittlerweile 50 Mitgliedern und 40 Fahrzeugen, vom 74er Dodge Monaco bis zum Ford Crown Victoria aus dem Jahr 2003. Valentin wurde Anfang 2004 Mitglied des Vereins, um im Internetforum des Vereins zu recherchieren, "wie man die Thematik strategisch am besten angeht". Valentin besuchte den Gründer des Vereins, Rüdiger Lotz, der damals einen Caprice besaß: "Das Auto war mir gleich sympathisch", sagt Valentin. "Allerdings war ich schockiert, dass ich nicht übers Lenkrad gucken konnte, weil der Sitz nicht höhenverstellbar ist." So riesig hatte er sich das Auto nicht vorgestellt. "Aber es war klar, dass ich so eins haben will." Im Internet entdeckte er dann bei einem Gebrauchtwagenhändler einen Chevrolet Caprice - dunkelblaue Front, weiße Türen, Kennzeichen 7K122. "Den habe ich sofort ins Herz geschlossen", erinnert er sich. Das Auto war 1996 in den Dienst des Police Departments Rhinebeck gestellt worden. Der kleine Ort drei Stunden nördlich von New York ist ländlich wie Spangenberg; hier werden eher Strafzettel ausgestellt als mit quietschenden Reifen Verbrecher gejagt. Dabei könnte der Chevy das locker leisten, mit 264 PS, acht Zylindern und einer Höchstgeschwindigkeit von 242 Stundenkilometern. Zum "Police Package 9C1" gehören auch verstärkte Rahmen, Federung und Stoßdämpfer, eine extra starke Batterie und gekühltes Motoröl. Vorder- und Rücksitze sind durch eine Scheibe getrennt, die Fußräume mit Hitzeschutzplatten verstärkt. Der Tankstutzen ist hinter dem Nummernschild versteckt, und die vordere Stoßstange hat zwei kleine Hörner. "Um liegengebliebene Fahrzeuge zur Seite schieben zu können", erklärt Valentin. Officer Brian Reavy, der den Caprice in Rhinebeck fuhr, hatte Valentin gemailt: "Das Schlimmste war eine Kollision am 20. April 2002. Eine Frau in einem 99er Oldsmobile fuhr der Patrouille in die Beifahrerseite." Ein Jahr später wurde der Chevy durch einen Ford ersetzt. 7K122 landete bei einem Gebrauchtwagenhändler. Dort stand er zwei Jahren. Bis ihn Valentin entdeckte. Valentin flog im April 2005 in die USA. "Ich war total aufgeregt und konnte es kaum abwarten, das Auto live zu sehen", erinnert er sich. 7K122 parkte schon vor dem Gebäude; der Händler hatte ein neues Rotlicht aufmontiert und ließ Valentin probefahren. Nach einem Tag Bedenkzeit kaufte Valentin den Chevy und organisierte den Transport. "Obwohl mich die Bürokratie beunruhigte, war die Abwicklung doch recht einfach." Es dauerte zwei Monate, bis er sein Auto wieder sah: Verschiffung von New York nach Bremerhaven, Zollformalitäten, Kontrolle in einer Dortmunder Fachwerkstatt, schließlich die Fahrt nach Spangenberg. Dort fiel Valentin wieder ein, dass "ich null Ahnung von Autos hatte". Er musste lernen. Er nahm den Chevy auseinander, baute die Sitze aus, reinigte den Innenraum, entrostete das Fahrgestell und ersetzte den Auspuff. "Ich hatte Glück, dass Teile der Originalbeschriftung noch am Wagen waren. Manchmal wird das brutal mit dem Spachtel abgekratzt." An den Seiten steht in rot "Police", von Fotos weiß Valentin, dass noch "Rhinebeck" und die Telefonnummer der Polizeistation dort standen. Die Beschriftung lässt er sich jetzt aus Amerika schicken, alles soll so original wie möglich sein. Jetzt sucht er ein Funkgerät und zwei Antennen. "Das Auto hat etwa 5000 Dollar gekostet", sagt Valentin. Über den Rest schweigt er. Als Faustregel gilt: Transport, Import und Zoll kosten nocheinmal so viel wie der Kaufpreis. Hinzu kommen Reparaturen, neue Originalteile und Steuern. "Jedes Hobby kostet Geld", sagt Valentin. "Und für manche Hobbys muss man eben sparen." Der Chevrolet Caprice erregt Aufsehen; an Ampeln heben andere Fahrer den Daumen, auf Parkplätzen fragen sie Valentin nach technischen Details. Und Mädchen winken am Straßenrand. "Immer freundlich lächeln", sagt Valentin geschmeichelt und winkt zurück. "Ich komme mir zwar vor wie auf dem Präsentierteller, aber es freut mich auch, wenn andere von dem Auto beeindruckt sind." Zuviel Begeisterung ist ihm aber unheimlich: Nachdem die Lokalzeitung über Valentin und das Polizeiauto berichtet hatte, riefen innerhalb von 24 Stunden zwei Fernsehsender bei ihm an. Valentin lehnte ab. "Das ist zuviel Rummel. Die Fernsehzuschauer erwarten, dass das Auto leuchtet und Krach macht, aber ich bin kein Möchtegernpolizist." Deshalb hat Valentin auch keine Uniform, wie manche Vereinsmitglieder: "Das Fahrzeug steht im Vordergrund." Damit erlebt Valentin schon genug. In der Polizeikontrolle Einmal, bei einer Spritztour, hat ein Motorrad den Chevrolet gestoppt. Ein Mann in Grün stieg ab, ein deutscher Polizist, der von misstrauischen Anwohnern gerufen worden war. Das kennt Valentin schon: "Da steht Police auf dem Wagen, da kann man im vereinigten Europa ja denken, die Niederländer oder Belgier fahren hier herum." Der Polizist war jung. Er fragte nach dem Fahrzeugschein, aha, Sonderauflagen, ist der Suchscheinwerfer denn eingeklappt? Dann blickte er zum Auto, Valentin zeigte den mechanischen Scheinwerfer an der Fahrerseite, da seufzte der Polizist: "So einen hätten wir auch gerne." Dann erinnerte er Valentin daran, dass bei Fahrten das Rotlicht verhüllt sein muss - und wechselte dann sofort vom Berufsmodus zur Fachsimpelei, zu Hubraum und Spritverbrauch, Geschwindigkeit und Gewicht. So einen angenehmen Auftrag habe er selten, meinte der Polizist und wollte noch die Innenausstattung sehen. "Sie dürfen sich gerne reinsetzen", sagte Valentin, "der Chevy ist ziemlich sofamäßig." Der Polizist blieb aber standhaft. "Nein", sagte er mit leisem Bedauern, ging zu seinem Motorrad und fuhr davon. Text und Foto von evelyn-runge.jetzt.de

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