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"Woooooohhh Bavaria!"

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Frühstücksraum, 9 Uhr, Wombat’s Hostel am Münchner Hauptbahnhof: Das Buffet ist auf einem Billardtisch angerichtet und kostet 3,90 Euro, all you can eat. An der Decke weiß-blaue Flaggen. Viele Leute hängen über ihren Handys und Tablets, andere unterhalten sich. Steph (27) aus Melbourne und Andreas (30) aus Stockholm haben sich am Vorabend an der Bar kennengelernt.
 
Steph: "Gestern Abend war ich mit Münchner Freunden in einem Restaurant, das hieß Nage und Sauge. Wirkte so, als wäre München eine ganz coole Stadt."
Andreas: "Ich wusste nicht, dass es hier so kalt ist. Deshalb bin ich gestern den ganzen Tag im Hostel geblieben. Abends wollte ich dann noch auf eine Poker-Party. Ich dachte, so etwas muss es hier geben, die Deutschen spielen doch so viel Karten. Ich habe aber keine gefunden. Heute muss ich unbedingt in eine Mall und eine warme Jacke kaufen. Gibt es hier überhaupt Malls?"
Steph: "Meine Freunde haben mir zumindest auch Shopping-Tipps gegeben. Ich soll unbedingt in einen Laden, der heißt sowas wie ‚buy myself happy‘. Außerdem haben sie gesagt, ich soll diese Surfer angucken. Das ergibt für mich überhaupt gar keinen Sinn, mitten in München, mit so einer künstlichen Welle. Aber sie haben behauptet, das wäre cool."
Andreas: "Ich will unbedingt an diesen Ort fahren, den ich bei Google gefunden habe. ‚Erden‘ oder so heißt der. Da gibt’s ein großes Spa. Ich mag Spas. Aber irgendwie scheint das keiner hier zu kennen."
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Rezeption. 10.30 Uhr. Auscheckzeit im Hostel. Es staut sich, denn heute gibt es ein großes Problem: Die Deutsche Bahn streikt, die Neuschwanstein- und die Dachau-Tour wurden schon abgesagt. Alle brauchen Hilfe von den Rezeptionisten, suchen hektisch nach Ersatzverbindungen. Der Italiener Granà (30) versteht das Problem nicht.
 
Granà: "Wie, man kann hier online sehen, welche Züge während des Streiks noch gehen? Das ist so deutsch. In Italien weiß man normal schon nie, ob der Zug überhaupt kommt. Aber mich betrifft das nicht. Ich bin mit der Mitfahrgelegenheit gekommen, um ein paar Freunde zu treffen. Wir waren in ein paar Bars an der Uni, eine hieß sowas wie ‚Atzen‘ und die andere hieß nach der Hausnummer. Dort war’s cool. Ich war auch schon mal am Neujahrstag im Hofbräuhaus zum Feiern – und da waren nur betrunkene Italiener."
 
Der Südkoreaner Lee (27) ist hingegen auf den Zug angewiesen, ständig checkt er den Fahrplan auf der Bahnseite. Sein Zeitplan ist eng, zwei Tage waren für München eingeplant. Er muss später noch nach Prag.
 
Lee: "Die Züge in Deutschland sind immer zu spät, dafür darf man hier auf der Straße rauchen, das genieße ich sehr. Wenn man in Südkorea die Raucherzone verlässt, schauen einen die Leute empört an. Allerdings ist es in München nachts immer dunkel. Das ist mir fremd. In Korea brennt immer Licht auf den Straßen. Trotzdem fühle ich mich hier sicherer als zum Beispiel in Paris, wo ich vorher war. Dort hat man das Gefühl, an jeder Ecke warten Diebe auf die Touristen. Mein Vater hat mal in München gearbeitet. Er hat immer gesagt: ‚Schau dir diese reiche Stadt an und lerne davon.‘ Das mache ich jetzt. Außerdem ist das bayerische Bier sogar in Südkorea berühmt. Wenn man die Wahl hat, will man immer das."
 
11 Uhr, die Lobby ist mittlerweile voll. Zwölf Backpacker warten auf den Beginn der Free-Walking-Tour – in gut drei Stunden durch die Innenstadt. Bezahlt wird am Ende in Form von Trinkgeld. Michael, der Guide, ist 24 und kommt ursprünglich aus Johannesburg. Die Tour gibt er dreimal die Woche, parallel dazu macht er seinen Bachelor. Der erste Stopp seiner Tour ist der Stachus.
 
Michael: "Der Karlsplatz ist nach einem bayerischen Fürsten benannt, denn wir sind hier im Land Bayern, falls ihr das noch nicht wusstet. Wenn ihr aber den Weg hierhin sucht, fragt nie nach Karlsplatz, sondern immer nach dem Stachus. Nur das verstehen die Münchner."
 
Michael dreht sich jetzt zum McDonald’s. Der gilt hier tatsächlich als Sehenswürdigkeit.
 
Michael: "Das ist der meistbesuchte McDonald’s Europas, es ist immer was los. Allerdings ist er viel teurer als das, was ihr kennt."
Eine Amerikanerin: "Warum denn das?"
Michael: "In Deutschland hat das Fleisch höhere Qualität, das Essen schmeckt besser. Allerdings soll sich das bald ändern, die Politiker wollen so ein Abkommen mit den USA machen."
Amerikanerin: "Okay, ich sollte hier nachher unbedingt noch hingehen!"
 
Die Tour geht weiter die Kaufinger Straße hoch. Auf einmal ist eine Kanadierin sichtlich irritiert.
 
Kanadierin: "Warum fahren hier denn keine Autos?"
Michael: "Das ist eine Fußgängerzone. Die Menschen sollen beim Shoppen nicht durch den Verkehr gestört werden."
 
Als später dann doch ein kleiner Transporter die Kaufinger Straße hochfährt, ist die Kanadierin restlos verwirrt.
 
Kanadierin: "Und was macht der jetzt hier?"
Michael: "Der darf nur hier sein, weil sie den Weihnachtsmarkt aufbauen. Ansonsten sind Autos hier immer verboten."
Kanadierin: "Ich liebe Weihnachten."
 
Vor der Kirche St. Michael macht die Gruppe halt. Michael erzählt die dramatische Geschichte von König Ludwig, der hier begraben ist. Die in New York aufgewachsene Chinesin Wenlu stößt einen spitzen Schrei aus.  
Wenlu: "Oh, Ludwig!"
 
Wenlo studiert Geschichte und plant in Bayern eine "Castle-Tour". Als die Gruppe aus der Kirche wieder herauskommt, hat sich allerdings niemand die Wittelsbachergruft angesehen.
 
Todd aus Toronto (28): "Vor der Gruft stand eine Frau an einem Tisch. Das bedeutet in Deutschland, dass man was zahlen muss."
 
Auf einmal merkt die Gruppe: Wenlu ist weg. Tour-Guide Michael weiß warum. Er hat einen Promi entdeckt und den Fehler gemacht, es ihr zu sagen. Wenlu stürmt auf den ehemaligen Nationaltorwart Jens Lehmann zu. Lehmann versucht, ihr zu entkommen, und verschwindet in der Kirche. Wenlu hinterher. Sie fragt einen Passanten "Ist es er?" in den halligen Kirchenraum hinein. Nicken. Wenlu stürmt auf Jens Lehmann zu. Selfie! Wenlu ist außer sich vor Begeisterung. Sie verlässt die Kirche, schließt sich wieder der Gruppe an, zeigt stolz ihr Foto auf der Digicam und wendet sich an Michael.
 
Wenlu: "Und wer war das jetzt?"

Auf der nächsten Seite: "Aber wie sieht der Hitlergruß denn jetzt aus?" 



Nächster Stopp: Frauenkirche.
 
Michael: "Gleich im Dom müsst ihr still sein. Ansonsten wird euch jemand Schhhhhhh-ten. In München stellen sie dafür extra Leute ein."
 
Die Hälfte der Gruppe hört allerdings nicht zu, sie ist zu beschäftigt damit, ein kleines Stadtmodell vor der Kirche zu fotografieren. Kurz vor 12 Uhr: Ankunft am Marienplatz. Warten auf das Glockenspiel. Einige halten bereits ihre Handys hoch.
 
Michael: "In dem Glockenspiel geht es um einen Kampf zwischen den Franzosen und den Bayern."
 
Die Reiter im Glockenspiel drehen sich im Kreis.
   
Amerikanerin: "That’s it?!"
 
Todd macht das Beste aus der Situation und feuert den bayerischen Reiter an.
 
Todd: "Woooooohhh Bavaria, go for it!" Als der Franzose schließlich umkippt, jubelt er.
 
Mittagszeit, die Gruppe bewegt sich zum Viktualienmarkt.
 
Kanadierin: "München ist die totale Walking-City, du kannst überall zu Fuß hingehen und dir was angucken. That’s awesome."
 
Die Gruppe quetscht sich in die Metzgerei Schäbitz. Alle bestellen die "typisch bayerische Wurst" und bekommen Nürnberger Rostbratwürste in der Semmel. Michael hatte vorher etwas von Glühwein erzählt. Wenlu ordert ihn an der Wursttheke.
 
Verkäuferin: "We only have hot coffee."
 
Wenlu nimmt ein Augustiner, geht damit raus.
 
Wenlu: "Darf ich mein Bier in der Öffentlichkeit überhaupt trinken?"
Michael: "In München darf man überall Bier trinken. Hier auf dem Platz, in der Stadt, sogar im Kino."
 
Eine Kanadierin geht lieber in die Bäckerei Müller.
 
Kanadierin: "Do you have Ciabatta?"
Verkäuferin: "No, just andalusisches Bergbauernbrot."
 
Es geht weiter in Richtung Staatsoper. An einem Schmuckschaufenster in der Maximilianstraße bleiben alle stehen.
 
Todd: "Wow, diese Uhr kostet 129 400 Euro. Kauft das jemand in München? Wenn ja, was machen die damit? Damit kann man ja nicht auf die Straße gehen."
 
Alle machen ein Foto vom Preisschild.
 
Michael: "Ich glaube, die Münchner kaufen sowas wirklich. Zu Hause würden sie mir sofort den ganzen Arm abhacken, wenn ich damit rausginge."
 
Die Tour nähert sich dem Ende. Bevor es zur Feldherrnhalle geht, will Michael noch die Drückebergergasse zeigen und erklärt, dass man hier im dritten Reich den Hitlergruß vermeiden konnte.
 
Wenlu: "Ich weiß nicht, wie der Hitlergruß aussieht. Kannst du ihn zeigen?"
Michael: "Nein, das geht nicht. In Deutschland kommt man dafür ins Gefängnis."
Wenlu (runzelt die Stirn): "Aber wie sieht er denn aus?"
 
Sie macht eine Queen-Winke-Handbewegung.
 
Michael: "Wenn es dich wirklich interessiert, schau dir Videos auf Youtube an."

Eine der Kanadierinnen hat dazu noch eine letzte Frage: "Stimmt es, dass sich Schüler in Deutschland nicht mit der rechten Hand melden dürfen?"

Text: charlotte-haunhorst - und Katharina Häringer; Collage: Daniela Rudolf

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