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Wer wird Millionär?

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Ein Praktikum bei Baker&McKenzie ist so ziemlich genau das, wovon Jura-Studenten träumen: Eine Großkanzlei, in der sich internationale Kontakte knüpfen lassen, und dann auch noch in der Dependance in Sao Paulo. Man kann sich also vorstellen, dass Christian Strobl mit großen Hoffnungen nach Brasilien gereist ist, um dort sein Praktikum anzutreten. Die haben sich dann auch erfüllt – allerdings auf ganz andere Weise, als er sich das vorgestellt hatte. Die Kanzlei hatte nämlich keine Verwendung für ihn. Die Vorgesetzten ließen ihn Medientrends in Europa recherchieren. „Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“, sagt der 24-Jährige. Christian begann einen Roman zu schreiben, weil ihm langweilig wurde. Aber er brach die Arbeit ab. „Ich bin kein Schriftsteller“, sagt er. Die entscheidende Idee kam ihm dabei trotzdem. In Deutschland kam Ende Mai 2010 das iPad auf den Markt. Christian las alles über das Gerät, was er finden konnte, das war ja sein Job. Dabei kam ihm die Idee, die sein Leben verändert hat: Ein Unternehmen, das E-Books für iPads professionell aufarbeitet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



MySkoob, wie Christians Idee jetzt heißt, ist nur eine von vielen Firmen, die junge Leute aus München gegründet haben. Einige haben es wirklich geschafft, Amiando zum Beispiel, mit deren Angebot sich Veranstaltungen online organisieren lassen, inklusive Ticketverkauf und Abrechnung. Vier Studenten der LMU und TU bauten die Seite vor fünf Jahren während der Endphase des Studiums auf. 2011 ging das Unternehmen für elf Millionen Euro an Xing. Heute sind die Gründer je 30 oder 31 Jahre alt und haben ihre erste Million auf dem Konto.

Wo die Jungs von Amiando heute sind, wären viele andere Münchner Gründer auch gerne. Einige von ihnen gehen noch zur Uni. Beispielsweise Erik Reisig und Julian Faupel, die in einer Psychologie-Vorlesung auf die Idee kamen, die Webseite MedAble zu gründen, auf der sich Arzttermine online buchen lassen. Oder eben Christian, der nach dem Praktikum in Brasilien begann, E-Books mit Fotos aufzuwerten. Heute macht er mit MySkoob aufwendige Illustrationen. Oder Timo Müller und Nils Mahler, denen auf Korsika ihr Wagen absoff und die dann mit wenigen Französisch-Brocken Mietwagen und Rücktransport organisieren mussten. Heute bieten sie mit LingoKing Dolmetscher an, die sich per Handy in Gespräche einklinken.

Sie alle verbindet eines: Gründungen passieren eher zufällig. Entscheidend ist, es nicht beim Zufall zu belassen, sondern etwas daraus machen. Natürlich muss eine Idee innovativ und neu sein, sagt Christian von MySkoob. „Aber dann geht es erst richtig los.“
Der 24-Jährige hatte nämlich ein konkretes Problem nach seiner Rückkehr aus Brasilien: Er brauchte jemanden, der ihm dabei hilft, E-Books zu illustrieren. Da fiel ihm Dan ein. Er hatte ihn in der Newsbar in Schwabing kennengelernt, Jahre zuvor. Seitdem hatten sie kaum miteinander gesprochen, ab und an im juristischen Seminar. Schreibt man einem Fremden einfach per Mail, ob er Lust hat, ein Unternehmen mitzugründen? Christian tat es. Was sie zusammenhält, ist ihr gemeinsamer Traum. Ohne den geht es nicht, sagt auch Felix Haas, einer der Gründer von Amiando. Er lebte jahrelang auf dem finanziellen Niveau eines Studenten weiter. Um das durchzuhalten, brauchte er diesen Traum; und der bestand nicht darin, mit der eigenen Firma alt zu werden. Es ging darum, das Unternehmen so gut zu entwickeln, dass ein anderes Unternehmen es den Gründern abkauft.

Der Weg dorthin führt über sogenannte Business-Angels. Sie kaufen Anteile an Firmen, die keine Dividenden auszahlen, weil sie noch wenig Gewinn abwerfen. Die Münchner Gründer von Stylight beispielsweise, einem Start-Up im Bereich E-Commerce, haben die Business-Angel Urs Keller und Stefan Gessulat von überzeugt. Letzterer war einmal Chefredakteur des Playboy. Beide haben ihnen Geld überwiesen, damit sie ihr Unternehmen aufbauen können. MySkoob haben noch keinen Business-Angel. Aber sie verhandeln schon mit einem potentiellen Investor. Sollte ein anderes Unternehmen MySkoob irgendwann kaufen, bekäme der Business-Angel die Prozente des Kaufpreises, die seinem Anteil entsprechen. Bis junge Unternehmen für Business-Angel interessant werden, helfen Gründerstipendien wie EXIST bei der LMU oder UnternehmerTUM bei der TU über die ersten Monate. Die Stipendien sind ein Grund dafür, dass die TU als die Universität in Deutschland gilt, die am erfolgreichsten darin ist, Studenten eine Gründung zu ermöglichen. Das hat eine Studie der LMU kürzlich ergeben.

Generell gilt Deutschland aber nicht als besonders gründerfreundlich. Das hat auch mit der Mentalität zu tun. Benjamin Günther von Stylight wundert sich zum Beispiel darüber, dass ihn immer wieder frühere Kommilitonen fragen, ob er „schon was gefunden“ habe. Sie meinen einen Beruf mit Sozialversicherung und Rentenanspruch. Oder ob er noch immer „dieses Projekt“ aus dem Studium mache. Was diese Frager meistens nicht wissen: Sein Projekt hat inzwischen 25 Mitarbeiter. In den USA hat Günther eine ganz andere Haltung erlebt. Er war für ein Auslandssemester an der Universität Berkeley. „Wenn man in den USA mit Mitte 20 noch keine drei Unternehmen gegründet hat, gilt man als typisch deutsch“, sagt er. Dass nicht jedes Unternehmen ein Erfolg wird, sieht man dort nicht so eng. Außerdem seien die Unis enger mit der Wirtschaft verknüpft. Die Uni Stanford, wo einige seiner Mitgründer studiert haben, liegt in der Nähe des Silicon Valley. Dort schauten auch Unternehmensgründer wie die Mitglieder von Facebook im Hörsaal vorbei und erzählten von ihren Erfahrungen.

Christian von MySkoob war nicht in den USA. Aber auch ihm kam die zündende Idee im Ausland. Auffallend viele der Gründer haben ihre Unternehmen nach einem längeren Aufenthalt in den USA oder anderen Ländern gegründet. Christian jedenfalls hatte nach seiner Rückkehr keine Zweifel: „Es war absolut klar: Ich mache das jetzt.“




Auf der nächsten Seite findest du eine Auswahl aus der Münchner Start-Up-Landschaft in Steckbriefform...
 
Amiando
Gegründet: Juni 2006
Gründer: Felix Haas (30), Dennis von Ferenczy (31), Armin Bauer (30), Sebastian Bärhold (30)
Gründungsmythos: Die WM-Garten-Party von Felix Haas ist doppelt so gut besucht wie gedacht. Nur klappt das Abrechnen nicht so: Eigentlich sollte für Essen und Trinken doch jeder zehn Euro in die Kasse tun. . . Auf Amiando lässt sich jede Art von Veranstaltung online managen. Mit Einladungen, SMS-Service, Abrechnung undallem, was dazugehört.
Die Zahl: Insgesamt 11 Millionen Euro lässt sich XING die Übernahme von Amiando kosten.

Myskoob
Gründer: Dan Bender (25), Stefan Krause-Palfner (23), Christian Georg Strobl (24)
Gegründet: Mai 2010
Gründungsmythos: Christian Strobl scheitert bei dem Versuch, in Brasilien seinen ersten Roman zu schreiben. Als kurz darauf das iPad vorgestellt wird, hat der Jurastudent eine Idee, wie er es trotzdem in den Literaturbetrieb schafft. Myskoob arbeiten mit Grafikern zusammen, die E-Books illustrieren. Nicht mit lustigen Spielchen, sondern mit anspruchsvollem Design.
Die Zahl: E-Book Nummer Eins ist Romeo und Juliet von Shakespeare.
 
LingoKing
Gründer: Nils Mahler (28), Timo Müller (28), Uno Jüngling-Colic (32), Christian Koch (29)
Gegründet: August 2010
Gründungsmythos: Timo und Nils haben eine Autopanne – ausgerechnet im Urlaub auf Korsika. Den Rest des Urlaubs haben sie damit zu tun, mit Mechanikern zu verhandeln. Auf Französisch. LingoKing bieten Dolmetscher an, die sich per Telefon in ein Gespräch einklinken.
Die Zahl: 1200 Dolmetscher sind bei lingoking registriert.
 
MedAble
Gegründet: Mai 2010
Gründer: Erik Reisig (24), Julian Faupel (24)
Gründungsmythos: Ein BWL-Student und ein Bioinformatiker treffen sich in einer Psychologie-Vorlesung. Man redet über Privates, erregt sich über Arztpraxen und ihre miserable Organisation. MedAble bieten das „Gesundheitsterminal“ an, an dem Patienten die Praxisgebühr mit Karte zahlen und optimieren Internetseiten von Ärzten. Termine lassen sich dann online buchen.
Die Zahl: 100 Gesundheitsterminals wollen die Studenten bis Ende 2012 aufgestellt haben.
 
Altruja
Gegründet: Juli 2009
Gründer: Nicolas Reiz (30), Stefan Grothkopp (30), Andreas Jagdhuber (30)
Gründungsmythos: Nicolas und Stefan sind seit den Zeiten am Carl-Spitzweg Gymnasium in Germering befreundet. Auf der Abi-Party des 2009er-Jahrgangs trafen sie sich an der Bar wieder. Nicolas hat bei seinem MBA in den USA das Online-Fundraising beeindruckt. Altruja bietet eine Software an, mit der sich Spenden Online sammeln lassen. Die Spender bekommen ein eigenes Profil, in dem sie Aktionen posten.
Die Zahl: 140 Hilfsorganisationen nutzen Altruja bereits.
 
Stylight
Gegründet: November 2008
Gründer: Anselm Bauer (27), Benjamin Günther (28), Max-Josef Meier (27), Sebastian Schuon (27)
Gründungsmythos: Nach einem Auslandssemester in den USA war Sebastian klar, dass er etwas gründen will. Mit Kommilitonen spielte er ein paar Ideen durch. Sie einigten sich auf Mode. Stylight ist eine Suchmaschine für Mode im Internet, die ähnlich funktioniert wie ein soziales Netzwerk.
Die Zahl: Eine Million Zugriffe hat Stylight pro Monat.


Text: fabian-mader - Illustration: katharina-bitzl

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