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Wer Dreck macht, soll ihn auch wegräumen
Wenn draußen getrunken wird, dann sind auch die Flaschensammler nicht weit: Sie streifen zwischen den Feiernden umher und fragen, meistens höflich, nach dem Leergut. Steht man am Ende des Abends mit einem Haufen leerer Bierflaschen da, ist man versucht, die Flaschen einfach liegen zu lassen: Wäre die Faulheit nicht sogar eine gute Tat, weil man den Pfand einem Bedürftigen überlässt? Johannes Denninger sieht das anders. Er ist Vertriebsleiter des Straßenmagazins BISS, das Ende vergangenen Jahres mit umetikettierten Pfandflaschen versuchte, Flaschensammler als Zeitschriftenverkäufer anzuwerben.
jetzt München: Herr Denninger, ist es Ihrer Meinung nach in Ordnung, nach einer Isar-Feier seine Flaschen liegen zu lassen und darauf zu hoffen, dass ein Flaschensammler sie findet? Oder wäre es besser, sie selbst wegzubringen?
Johannes Denninger: Absolut Zweiteres! Die Flaschensammler sind nur da, weil es so viele Leute gibt, die ihr Zeug nicht wegräumen. Natürlich sind sie mittlerweile auch ein Faktor für die Hygiene einer Großstadt, aber wer Dreck macht, soll ihn auch wegräumen und sich nicht auf andere verlassen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Johannes Denninger, Vertriebsleiter von BISS
Es gibt deutlich mehr Flaschensammler als noch vor ein paar Jahren. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür?
Es liegt nicht einfach daran, dass wir ein erhöhtes, positives Aufeinandertreffen von „großzügigen“ Feiernden und den Sammlern haben. Der Grund ist die zunehmende Armut. Es gibt immer mehr Menschen, die nach Möglichkeiten suchen, sich zusätzlich zur Rente oder Grundsicherungsleistung etwas dazu zu verdienen. Insofern ist dieses erhöhte Aufkommen also alles andere als begrüßenswert. Die Renten sind zu niedrig, ältere Menschen werden auf dem Arbeitsmarkt aussortiert und versuchen eben, irgendwie über die Runden zu kommen.
In welcher Lebenssituation befinden sich diese Menschen? Sind das hauptsächlich Rentner? Obdachlose? Organisierte Gruppen?
Das sind wenig Obdachlose. Obdachlose haben mit ihrem Lebensalltag schon genug zu tun und könnten das Flaschensammeln nebenher gar nicht organisieren. Richtige Flaschensammler treten fast schon auf wie Selbstständige. Man muss mobil sein, immer dort vor Ort, wo Flaschen sind und benötigt Vertriebswege, um sie wieder loszuwerden. Das ist alles ein großer logistischer Aufwand. 100 Flaschen, also fünf Kästen, bringen acht Euro Gewinn. Da ist also an sich nicht viel zu holen. Nur wer Bescheid weiß und organisiert ist, hat eine Chance. Die 300 Flaschen, die wir bei unserer Aktion an den Odeonsplatz stellten, waren nach zehn Minuten weg. Flaschensammeln ist eigentlich nur etwas für fitte, aufmerksame Menschen.
Was ist Ihrer Erfahrung nach die Motivation für diese Menschen, nach Pfandflaschen zu suchen? Geld verdienen natürlich. Acht Euro sind bares Geld, diese Menschen denken in ganz anderen Kategorien. Wenn sie sich eine Pizza und ein Bier leisten können, ist das ein Erfolg. Das ist echte, mit hohem Aufwand verbundene Arbeit. Die machen das nicht mal eben so nebenher.
Es gibt mittlerweile auch für München eine Website, auf der Telefonnummern von Pfandsammlern gesammelt sind, die man anrufen kann, wenn man Leergut abzugeben hat. Halten Sie das für eine gute Idee?
Das ist für mich ein geregelter Handel, was völlig in Ordnung ist. Da gibt es ein Dienstleistungsangebot und eine Nachfrage und beide Seiten profitieren. Also eine gute Sache.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Stimmt es, dass es besser ist seine Flaschen neben den Mülleimer zu stellen, weil der Sammler sie rechtlich gesehen gar nicht aus dem Müll holen darf? Soll ich meine Flaschen also neben den Mülleimer stellen?
Das stimmt, ja. Man kann sich auch sicher sein, dass Flaschen neben den Mülleimern bald mitgenommen werden. Allerdings verstößt man unter Umständen selbst wiederum gegen die öffentliche Ordnung, wenn man den ganzen Gehweg mit Flaschen voll stellt. Prinzipiell ist den Sammlern aber sehr geholfen, wenn sie nicht in den Müll greifen müssen.
Gibt es noch andere Möglichkeiten, den Flaschensammlern entgegen zu kommen?
Sie können ihnen raten, zu uns zu kommen, um BISS zu verkaufen! Eine verkaufte Zeitschrift bedeutet dann für den ehemaligen Sammler 1,10 Euro in der Tasche. Umgerechnet sind das 14 Flaschen. Diese 14 Flaschen zu sammeln, abzugeben, zur Kasse zu gehen und den Bon einzulösen ist wesentlich aufwendiger, als ein BISS-Exemplar zu verkaufen. Wir haben bei unserer Aktion gesehen dass sowohl Flaschensammler als auch BISS-Verkäufer ganz ähnliche Eigenschaften haben müssen. Sie brauchen Geduld, Standfestigkeit und ein Stammpublikum. Das wäre also ein guter Tipp an die Flaschensammler.