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Nele Müller, 28, studiert Design an der Hochschule München und arbeitet selbstständig als Kommunikationsdesignerin. Ihre Bachelorarbeit könnte vielen Flüchtlingen, die neu in der Bayernkaserne oder anderen Erstaufnahmelagern ankommen, die Orientierung sehr erleichtern. Nele hat Designs für eine App mit Infokarten entworfen, die vor allem über Piktogramme funktionieren. Der Name des Projekts: „Infomapp“, eine Mischung aus Infomap und App.
 
jetzt.de: Nele, wohin führen deine Infomapps?
Nele Müller: Zu allen Angeboten und Anlaufstellen in der Bayernkaserne. Die Karten, die ich für meine Bachelorarbeit entwickelt habe, sind speziell für die Flüchtlinge dort. Aber mittlerweile kann ich mir vorstellen, dass das Konzept auch im Tourismus funktionieren kann.
 
Da ist es ja ganz gut, dass es so einen neutralen Namen hat.
Das war die Idee dahinter. Zudem wollte ich dem Ganzen keinen „Flüchtlings-Namen“ geben. Vielleicht haben die Flüchtlinge das ja auch gar nicht so gern und wollen nicht jeden Tag daran erinnert werden, dass sie geflohen sind.

Wurde dir das Thema in der Uni zugeteilt?
Nein, ich wollte ein aktuelles Thema und eines, das sich auch real umsetzen lässt. Außerdem wollte ich etwas für die Flüchtlinge tun. Deswegen bin ich öfter zur Bayernkaserne gefahren und habe dort mit den Leuten von der Inneren Mission geredet und mich erkundigt. Die haben dann gesagt, dass es Verständigungsschwierigkeiten bezüglich ihrer Lagepläne gibt.
 
Welche Verständigungsschwierigkeiten?
Grundsätzlich war das Problem, dass es Informationsmaterialien nur auf Deutsch und Englisch gab. Viele Flüchtlinge verstanden Wörter wie „House“, „Room“ oder „Catholic Priest“ nicht, weil sie kein Englisch können. Dann mussten sie also andere Flüchtlinge oder einen Dolmetscher fragen, um zu verstehen, worum es bei den jeweiligen Infos überhaupt ging. Der schnelle Zugang zu Informationen ging so natürlich verloren.
 
Deshalb sollten deine Karten weitgehend ohne Sprache auskommen.
Ja. Außerdem sind sie der Übersichtlichkeit halber in vier farbige Kategorien unterteilt, wobei es pro Kategorie jeweils einen gefalteten Flyer gibt. Die Farben sind dabei so gewählt, dass auch sie schon eine Assoziation zum Thema zulassen: Grün steht für Sport und Freizeit, rot für Verwaltung und blau für Beratung und Hilfe. Das hilft nicht nur den Flüchtlingen, sondern auch den Mitarbeitern in der Bayernkaserne. Zur Sicherheit ist der Kategorie-Name aber auch noch einmal in den acht wichtigsten Sprachen abgedruckt.
 
Und wie sehen die Informationen selbst aus?
Auf der Vorderseite der Flyer sind vier Piktogramme als eine Art Inhaltsverzeichnis abgebildet. Wenn man den Flyer aufschlägt, sieht man die Angebote der Kategorie im Einzelnen. Die jeweiligen Termine werden als Zeitspanne mit einer Hausnummer und einer Raumnummer dargestellt und auf einer Karte ist verzeichnet, wo man den Ort auf dem Gelände findet.

>>> Bei den Tests merkte Nele, dass das "i", das für uns eindeutig auf einen Infoschalter hinweist, von vielen Flüchtlingen für einen Menschen mit Kopf und Körper gehalten wurde.



Hast du die Verständlichkeit der Flyer während des Produktionsprozesses auch getestet?
Ich war immer wieder in der Bayernkaserne, habe mich in Deutschkurse gesetzt und den Teilnehmern meine Piktogramme gezeigt. Daraufhin musste ich auch immer wieder einzelne Piktogramme verändern. Sogar solche, die man hier bei uns als vollkommen selbstverständlich auffassen würde: Manche Flüchtlinge haben nämlich das kleine „i“, bei dem wir einen Informationsschalter erwarten würden, als Person mit Kopf und Körper verstanden. Deshalb habe ich es durch ein Fragezeichen ersetzt, das kennt man nämlich auch im Arabischen.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Farben, Bilder, wenig Text: damit will Nele Flüchtlingen die Orientierung erleichtern.

Hast du das Gefühl, dass wir uns zu wenig mit den Sichtweisen oder Gewohnheiten anderer Kulturen auskennen?
Wenn wir einen Anblick so gewohnt sind wie das Informations- oder auch das Parkplatzzeichen, ja. Wie solche Zeichen in Syrien oder Eritrea dargestellt werden, ist uns in den meisten Fällen ja gar nicht klar. Auch nicht, ob es dort überhaupt Äquivalente gibt. Deshalb dauert es auch so lange, solche Piktogramme zu entwickeln. Um ein einziges Bild zu erhalten, das auf alle Kulturen zugeschnitten ist, muss es viele Kreations- und Testphasen geben. Wenn man so etwas überhaupt erreichen kann. Aber es funktioniert: Das sieht man ja an unseren Bahnhöfen und Flughäfen.
 
Im Namen „Infomapp“ steckt auch „App“ – gibt es deine Flyer auch für Smartphones?
Noch nicht, aber die Überlegung gibt es. Sehr viele Flüchtlinge haben ja Smartphones, da liegt es nahe, die Informationen auch über eine App rauszugeben. Außerdem wäre es viel einfacher, Änderungen bekannt zu geben, wenn doch einmal ein Termin zu einer anderen Zeit stattfindet, zum Beispiel. Aber ein paar Probleme gibt es da trotzdem noch. Eine App zu entwickeln, ist ja auch wieder eine riesige Aufgabe, erst recht, weil sie auf mehreren Betriebssysteme laufen müsste. Gerade bin ich auf der Suche nach jemandem, der das kann. Vielleicht wird es auch erst einmal eine Website, die bietet ja größtenteils dieselben Vorteile.
 
Und wer trägt für die gedruckte Version die Kosten? Hast du irgendwelche Sponsoren?
Nein, dafür habe ich kein Geld verlangt. Ich habe die Flyer ja im Rahmen meiner Bachelorarbeit entwickelt und der Rest ist freiwilliges soziales Engagement. Ich bin einfach sehr froh, wenn meine Karten im „Lighthouse Welcome Center“, der zentralen Anlaufstelle in der Bayernkaserne, ausliegen und sich die Menschen dadurch besser zurecht finden und orientieren können.
 
Wann bringst du deine Infomapps unter die Leute?
Einen genauen Termin gibt es noch nicht, weil noch ein paar inhaltliche Anpassungen anstehen und Tigrinisch, die Sprache, die in Eritrea am meisten gesprochen wird, noch mit aufgenommen werden soll. Ansonsten steht aber alles. Wir stecken also im letzten Feinschliff.
 
Vielerorts wurden in den vergangenen Tagen Notunterkünfte aus dem Boden gestampft. Ließen sich deine Flyer auch darauf anpassen?
Das ist genau das Ziel von Infomapp: Sie sollen nicht nur in der Bayernkaserne funktionieren, sondern auch in weiteren Unterkünften. Da müssten dann nur die Angebote und der Orientierungsplan an den jeweiligen Standort angepasst werden.

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