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Meine Straße: Siegesstraße

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 Gentrifizierung in Schwabing: Auch das Haus, in dem Marie wohnt, soll abgerissen werden. 

Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Nachbarschaft zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen und die nettesten Anekdoten. Heute mit Marie, 30.

"Läuft man tagsüber durch die Siegesstraße, wirkt sie mit wenigen schrulligen Ausnahmen recht gepflegt und eher ruhig. Obwohl im Einflussgebiet von Münchner Freiheit und Leopoldstraße, hat sie tagsüber etwas Verschlafenes. Erst nachts ändert sich das Bild. Zum Beispiel bei meinem Lieblingsrestaurant, dem äthiopischen Blue Nile: Tagsüber, wenn es noch zu hat, verdeckt ein Rollo das komplette Schaufenster, was wenig einladend wirkt. Drinnen ist es aber wirklich gemütlich und sehr lecker. Ich mag, dass es so authentisch wirkt. Man isst mit den Händen und teilt sich die Gerichte. Noch öfter hole ich mir aber eine Pizza beim Pepenero um die Ecke. Die ist günstig und im Umkreis die beste. Und die „antipasti verdure“ sind gut. 

Beim Thema Pizza muss man unbedingt auch die kleine Pizzeria im Drugstore erwähnen. Geschmackstechnisch kann sie Pepenero nicht toppen, aber es ist ein wirklich lustiger Laden, imbissartig, immer vollgestopft und es duftet fantastisch, wenn man davor steht. Das Drugstore an der Ecke Feilitzschstraße ist ohnehin der wahrscheinlich wichtigste Laden hier. Abgesehen von der Pizzeria ist noch eine Bar mit Restaurant drinnen und, was das Wichtigste ist, ein Kiosk. Da kann man sich bis mindestens 1 Uhr nachts ein Bier holen und das übrige Sortiment ist herrlich eigen. Bis vor Kurzem gab es zum Beispiel einen Thailandreiseführer aus dem Jahr 2009, einzelne Klopapierrollen, Zahnbürsten und vieles, was man sonst so braucht. Oben im Drugstore ist seit einiger Zeit das Heppel & Ettlich, eine Kleinkunstbühne mit originellem Programm. 

Das wohl schönste Gebäude hier und mein liebster Ort zum Kaffeetrinken ist die Seidlvilla, die etwas versetzt am südlichen Ende der Feilitzschstraße liegt. In den Räumlichkeiten gibt es unter anderem Konzerte, Tagungen und Kurse der Volkshochschule, und im Sommer kann man auf Bierbänken im Garten sitzen, sein eigenes Picknick mitbringen und Bienen angucken. 

Der Drugstore und das Schwabinger Podium, die Livemusik-Kneipe, über der wir wohnen, sind zwei der letzten alten Schwabinger Institutionen hier. In den fünf Jahren, in denen ich hier wohne, habe ich einen ziemlichen Wandel miterlebt. Früher gab es zum Beispiel den Hip-Hop-Laden Mighty Weeny gegenüber und die Kneipe Black and White. Jetzt hat sich hier eine Art Beauty-Meile installiert. Es gibt drei Kosmetikstudios, ein Waxing-Studio namens Pussycatwax, daneben das Drop me fit – Personal Training – und demgegenüber das Munich Moksha Jivamukti Yogaloft, das aber sehr schön ist.  

Nachts schwappen viele Betrunkene in die Straße, man merkt dann doch die Nähe zur Münchner Freiheit und Feilitzschstraße. Das Sinnbild der nächtlichen Siegesstraße ist für mich die Renate vom Podium. Die steht immer, bei Wind und Wetter, draußen und raucht. Fraglich ist nur, wie lange noch. Das Haus, eines der letzten alten Gebäude hier, wurde verkauft und soll abgerissen werden, um einem Neubau zu weichen. Wir erhalten aber inzwischen viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Es hat sich sogar eine Bürgerinitiative gegründet, um alte Gebäude wie dieses in Schwabing zu erhalten."

Text: lucia-heller - Foto: Juri Gottschall

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