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Meine Straße: Orlandostraße

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Ich wohne jetzt seit fast vier Jahren in der Straße, in der das Hofbräuhaus steht. Wenn ich am Marienplatz aussteige, muss ich mich nur der Touri-Horde anschließen, um nach Hause gespült zu werden. Es ist immer wieder ein abgefahrenes Gefühl, inmitten Münchens bekanntester Wahrzeichen zu wohnen, auch wenn ich mich an den Trubel längst gewöhnt habe.
 
Die zentrale Lage ist außerdem praktisch, weil ich viel im Nachtleben unterwegs bin und es nach meinen Abenden im Yip Yab nicht weit nach Hause habe. Außerdem beschwert sich niemand über Lautstärke. Wer hier wohnt, wird automatisch tolerant. Der einzige Lärm, der dauerhaft unangenehm bleibt, ist, wenn morgens die Reinigungsmaschinen das ganze zerbrochene Glas aufkehren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


 
Einer der wenigen normalen Läden zwischen all den Souvenirläden ist der Sushiladen Shoya. Viele sagen mir, wenn sie hören, wo ich wohne: „Geil, du wohnst überm Shoya!“. Denn der macht wirklich sehr gutes Sushi. Ansonsten ist das Augustiner noch ganz okay, und der FC Bayern Shop hat bei mir auch einen Stein im Brett, weil er nämlich immer meine Pakete annimmt. Sehr gern beobachte ich die Pantominekünstler am Platzl, die ja auch manchmal Pause machen müssen und dann regelmäßig in voller Pantomimemontur an der Dönerbude gegenüber essen.
 
Ansonsten befinden sich meine Lieblingsorte eher in der angrenzenden Ledererstraße: In der Bar Centrale gibt es vielleicht den besten Kaffee der Stadt und super Nudeln, und im Hotel Lux wohnen regelmäßig Bands oder DJs, mit denen ich arbeite. Oft trinken wir abends noch was in der Hotelbar, bevor wir losziehen. Die ist zwar schick, aber keinesfalls abgehoben. An den Tischen sind Klingeln, „ring for champaign“ steht da drauf. Mach ich jetzt nie, kann man aber theoretisch. Es gibt auch sehr professionelle Barkeeper, die auf Schumanns-Niveau mixen. Ich trinke aber meistens einfach nur ein Bier.
 
Sonst bin ich natürlich oft im Atomic Café, das ist ja auch nur einen kurzen Fußweg von mir entfernt. Nachts noch etwas zu essen bekomme ich im Cosmogrill an der Maximilianstraße, der macht Burger bis sechs Uhr morgens. Oder ich hole mir ab halb sieben frische Brezn im Bäcker unter meiner Wohnung, dem Riedmayr. Zum Glück ist der jetzt da. Früher war da ein Müller. Der hat ziemlich gestunken, nach billiger Chemie.
 
Einziges Problem hier: Der nächste Supermarkt ist leider der schlimmste der ganzen Stadt: der Rewe im Tal. Das reinste Irrenhaus. Ist ja der einzige Laden, in dem man sich innerhalb der Fußgängerzone für normales Geld Lebensmittel kaufen kann. Nachmittags ist er voll mit Schülern, Punks und Touristen, später mit Fußballfans. Ein Säufertreff ist er auch.

Manchmal wünsche ich mir, dass hier irgendwo ein neuer Laden einzieht. Dass sich mal wirklich irgendwas bewegt. Das ist das Verrückte an dieser Gegend: Die Läden in dieser Lage profitieren so sehr vom Tourismus, dass eigentlich nie jemand schließen muss.


Text: mercedes-lauenstein - Foto: juri-gottschall

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