- • Startseite
- • jetzt_muenchen
-
•
Meine Straße: Adalbertstraße
Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute:
Michi, Texter:
Auf den ersten Blick ist die Adalbertstraße nur die hässliche Schwester von Türken- und Amalienstraße – die Durchgangsstraße der Studenten von der Uni zur U-Bahn. Hier auf den Gehwegen zu gehen, kann nerven. Zumindest zwischen Türken- und Ludwigstraße, weil man immer einem Studentenpulk in die Hacken läuft. Aber man darf diese Straße nicht unterschätzen. Vorn, an der Ecke Ludwigstraße, ist der legendäre Didi mit seinem Obststand, über den gibt es ja sogar einen Film. Da kann man sich auf dem Weg in den Englischen Garten immer schönes Obst kaufen. An der Ecke Amalienstraße ist ein Tapas-Laden, vor dem im Sommer immer sehr viele Menschen sitzen und essen. Das Essen sieht gut aus, aber es wird wohl nie dazu kommen, dass ich es mal probiere, um mir ein echtes Urteil zu bilden. Denn einmal wurde ich auf dem Gehweg direkt vor dem Restaurant blitzkrank und habe ein paar Gästen und dem Kellner direkt vor die Füße gekotzt. Jetzt kann ich mich da nie wieder blicken lassen. Regelmäßig essen gehe ich bei Akuo, einem sehr ehrlichen und nicht zu teuren taiwanesischen Imbiss, der von einem Ehepaar aus Taiwan geführt wird. Das ist der erste Laden, der sich an dieser Stelle hält, nachdem dort zahlreiche andere Geschäftsideen nicht funktioniert haben. Am besten bestellt man die Jaozi, das sind gefüllte Teigtaschen, oder das Schweinefleisch mit Paprika. Super ist auch das Grappolo, die machen hervorragende Pasta. Und direkt unter meinem Haus ist das Mario, einer der ältesten Italiener in ganz München, mit einer filmreifen Achtziger-Atmosphäre. Allerdings muss ich gestehen, dass ich meine Pizza trotzdem lieber bei Lo Studente in der Schellingstraße hole und dann versuche, sie ganz diskret durch unseren Hauseingang zu schmuggeln, ohne, dass mich jemand aus dem Mario dabei erwischt und mir dann böse ist. Denn eigentlich müsste ich den Mario ja unterstützen. Ich will nämlich, dass der bleibt. Es gibt nichts Beruhigenderes, als über einem italienischen Restaurant zu wohnen. Wenn ich die Fenster öffne und unten Teller klirren höre, und dann jemand „Mamma mia“ ruft oder bis spät abends italienische Lieder trällert, das hat schon etwas sehr Tröstliches. An der Ecke Türkenstraße gibt es ein neues Café, Neues Wieners heißt das, und da gibt’s Mokka im Glas, eine schöne Melange und solche Sachen. Aus irgendeinem Grund kann man da allerdings nicht reingehen, ohne dass sie einem erzählen, dass sie Österreicher sind. Dafür kann man aber toll draußen sitzen, die haben sogar Wärmelampen. Im Zest an der Türkenstraße sieht man oft Filmleute aus den Arri-Filmstudios. Ein paar Mal habe ich da schon Helge Schneider sitzen sehen oder Matthias Schweighöfer. Wen man natürlich auch immer sieht: Klaus Lemke. Der geht hier am Tag so fünf Mal vorbei, meistens mit seiner Sporttasche. Und wenn mich nicht alles täuscht, wohnt auch Mario Adorf in der Nähe. Zumindest sehe ich manchmal einen Mann mit Jutebeutel über die Straße zum Tengelmann schlurfen, der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Wenn man über die Adalbert erzählt, muss man natürlich auch A Kind Of Guise empfehlen, ein Münchner Klamotten-Label, das die Räume der legendären alten Basis-Buchhandlung übernommen hat. Die machen wahnsinnig schicke Klamotten, aber leider haben die natürlich auch ihren Preis. Trotzdem ist es toll, dass die da sind. Die verleihen der Straße einen etwas moderneren Geist und manchmal veranstalten sie kleine Straßenfeste oder ein öffentliches Fußballschauen. Schräg gegenüber von der Max-Emmanuel Brauerei, deren im Hinterhof versteckter Biergarten natürlich auch ein Klassiker dieser Gegend ist, gibt es an der Ecke zur Nordendstraße das Benko. Das sieht sehr nett aus und serviert ab 18 Uhr täglich eine Suppe, Vorspeisen und ein paar Gerichte. Und im Sommer fühlt man sich in der Adalbert wie in Philadelphia. Das haben ja alle Straßen der Maxvorstadt, die reißbrettgerade von Osten nach Westen angelegt sind, gemein: Die Sonne wandert genau durch die Straße. Sie geht morgens auf der einen Seite auf, abends auf der anderen unter und flutet sie mit Licht. Wenn dazu dann noch Sommermenschen auf ihren Longboards oder Surfer mit Brett unterm Arm auf ihrem Rad hier durchfahren, kommt einem das schon sehr amerikanisch vor.