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Komm, lass uns cubblen!
Fernbeziehungen sind ätzend. Ständig vermisst man etwas. Die langen Spaziergänge, das miteinander Kochen, die Fernsehabende, die gemeinsamen Nächte, sein Lächeln, ihre Blicke, die Berührungen – einfach alles. Und weil das so schrecklich ist, lassen Pärchen in Fernbeziehungen nichts unversucht, um diese Leere zu füllen. Glücklicherweise gibt es heute Facebook und Whatsapp, so dass man sich immer schreiben kann, und dank Skype kann man sich beim Telefonieren anschauen. Doch trotz aller Kommunikationsmöglichkeiten – es ist nicht das Gleiche, wie wenn der Partner auch physisch ganz nah ist.
Der Münchner Robert Kowalski will es schaffen, dass sich auseinandergerissene Paare einander ein wenig näher fühlen. Ist er ein großer Romantiker? Eigentlich nicht. Weiß er, was Menschen in Fernbeziehungen brauchen? Das glaubt der 29-Jährige zumindest. Wie heißt seine Lösung? Cubble.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Robert und seine Quader der Liebe.
„Es handelt sich dabei um ein hybrides Kommunikationsmittel bestehend aus einer App und einem Objekt, das als Tangible User Interface fungiert“, erklärt Medieninformatiker Robert fachmännisch. Cubble biete Paaren die Möglichkeit, Gefühle, Gedanken und Stimmungen über beliebige Entfernungen hinweg anhand individueller Lichtsignale und Wärme zu übertragen. Übersetzt heißt das: Man kann sich bunte Punkte als Handynachricht schicken und hat zu Hause einen Kasten stehen, der leuchtet. Das Ganze sieht zumindest auf den ersten Blick nicht unbedingt nach der Rettung der Fernbeziehung aus.
Cubble (von engl. cube = Würfel und engl. couple = Paar) ist Roberts Diplomarbeit. Selbst in einer Fernbeziehung lebend stellte er damals fest, dass alle vorhandenen Kommunikationsmittel ihm zu unpersönlich, zu umständlich und zu wenig emotional waren. In seiner Abschlussarbeit suchte er für dieses Problem eine Lösung, entwickelte Cubble und ließ es in einer qualitativen Studie von 14 Probanden testen.
Roberts Erfindung bietet im Wesentlichen zwei Möglichkeiten zu „cubblen“, also über Cubble miteinander zu kommunizieren. Erstens können sich Paare gegenseitig insgesamt acht verschiedene Farben schicken. Unterwegs benutzt man dafür die App. Zuerst wählt man eine Farbe aus. Drückt man einmal auf das Display, bekommt der Partner diese Farbe einmal als Nachricht. Drückt man doppelt, blinkt sie zweimal beim Empfänger auf. Für zuhause gibt es dafür ein quaderförmiges Objekt. Der Prototyp ist ungefähr 25 cm lang, 25 cm breit und 15 cm hoch. Auch damit lassen sich die Farben verschicken und empfangen. Durch Berühren der Seiten kann man die Farbe wählen und durch ein oder zweimal Tippen auf die Vorderseite verschicken. Je nachdem, ob der andere zuhause oder unterwegs ist, bekommt er die bunte Lichtnachricht auf den Quader, der dann in der gewählten Farbe ein oder zweimal aufleuchtet, oder auf das Handy. Hier erscheint beim Abrufen der Nachricht eine runde Fläche in der entsprechenden Farbe auf dem Display.
„Man kann ganz individuell miteinander kommunizieren“, sagt Robert. „Dadurch, dass über Cubble ausschließlich mit dem Partner kommuniziert wird, fühlten sich die Testpaare viel verbundener. Die Nachricht wurde als persönlicher empfunden als eine SMS und deswegen mehr wertgeschätzt.“ Ziel sei es, dass jedes Paar einen individuellen Weg finde, Cubble zu nutzen – eine Art Geheimsprache also. „Manche Probandenpärchen haben telefoniert und das Mädel hat festgelegt, was welche Farbe bedeutet“, berichtet Robert von seiner Studie. Bei diesem Paar galt dann zum Beispiel: Rot heißt „Ich liebe dich“, Grün „Ich vermisse dich“ und mit drei Mal Blau fragt man den anderen, ob er skypen will.
Nicht alle Probanden – vor allem aus der Gruppe, die nur die App bekamen – waren begeistert. „Einer sagte auch: ,So ein Quatsch, wer braucht denn so was?'“, gibt der Informatiker zu. Andere Teilnehmer fanden Cubble aber offenbar richtig toll: „Eine Testperson erzählte mir, dass sie, seit der Zeit vor vielen Jahren, als eine SMS noch etwas besonderes war, zum ersten Mal wieder gelächelt hat, wenn sie eine Nachricht bekam.“
Informatikern wie Robert sagt man nicht besonders viel Sinn für Romantik nach. Um so herzerwärmender ist die Geschichte: Ein Erfinder, der seine Freundin so vermisst, dass er direkt ein neues emotionales Kommunikationsmittel entwickelt, um ihr näher zu sein. Ganz so war es leider nicht, denn bis er für seine Diplomarbeit richtig in die Entwicklung einstieg, war das Paar längst schon wieder in München vereint. Er und seine Freundin profitierten also nicht von Cubble. Robert will dem Klischee trotzdem nicht Recht geben: „Ich verstreue keine Rosenblüten oder koche groß auf“, sagt er, und hängt dabei etwas verlegen die Daumen in die Taschen der Jeans, unter seinem blauen Pulli, „aber als ich meine Freundin fragte, ob ich romantisch bin, sagte sie: ,Ja, schon'.“
Ohne einen Funken Romantik wäre ihm wohl auch nicht die Idee für die zweite Funktion von Cubble gekommen – und gerade die begeisterte angeblich die Testpersonen: das Händchenhalten via Liveverbindung. Legt ein Nutzer seine Hand auf das Quaderobjekt und berührt dabei mit den Fingern die Vorderseite, bekommt der Partner das Signal, dass der andere Händchen halten will. Legt er daraufhin die Hand auf sein Objekt, beginnt der Quader nach kurzer Zeit zu pulsieren. Um das Erlebnis noch realer zu machen, erhitzt sich außerdem seine Oberfläche und ahmt so die Körperwärme des Partners nach. Das Händchenhalten gibt es auch als To-Go-Version für die App. Dabei wird das Display zwar nicht warm, leuchtet aber, wenn beide gleichzeitig den Finger auf ihr Handy legen. Viele Probanden hätten das Cubblen in der kurzen Testphase von fünf bis zehn Tagen schon richtig verinnerlicht. „Während ich für die Studie die Forschungsinterviews per Skype führte, ist es passiert, dass ein Proband mitten im Gespräch sein Handy rausholte und seinen Daumen darauf legte. Erst als ich ihn fragte, was er da mache, hat er gemerkt, dass er gerade angefangen hatte, mit seiner Freundin Händchen zu halten“, erzählt Robert stolz.
Im Februar stellt Robert seine Erfindung auf der „International Conference on Tangible, Embedded and Embodied Interaction“ in Barcelona vor. Er hofft, dort Kontakte zu knüpfen, die das Projekt weiter bringen. Denn wenn alles gut läuft, soll seine Erfindung in einigen Jahren wirklich im Laden stehen. Robert glaubt fest an seine Entwicklung: „Den Männer gefällt die coole Technik an Cubble und Frauen die süße Idee dahinter“, erklärt er. Aber natürlich seien die Frauen schon etwas interessierter daran.
Für den Verkauf muss der Liebesquader aber noch etwas kleiner und billiger werden. Ausgestattet mit einem komplizierten technischen Innenleben hat jeder Prototyp 400 Euro gekostet. Im Cubble befinden sich zwei Arduinos – eine Art Minicomputer. Ein Arduino ist für die Internetkommunikation mit dem W-LAN zuständig. Der andere steuert die acht LEDs, einen Vibrationsmotor, der für das Pulsieren bei der Händchenhalten-Funktion sorgt, und das Heizelement. Ein Sensor wandelt die Berührungen auf dem Würfel in Informationen um.
Bleibt die Frage: Eignet sich Cubble nur für Liebesbotschaften oder wird über Cubble auch gestritten? Und wie steht es um das Fremdcubbeln? Robert zitiert wieder aus seiner Studie. Die habe ergeben, dass seine Erfindung nur für positive Nachrichten verwendet wurde. „Ein Paar hatte Lila als Farbe für ,Mir geht es nicht gut' bestimmt, aber sie haben sie nie benutzt“, sagt er. Streiten würden Paare eher auf persönlicherem Wege, am Telefon oder über Skype. Und zumindest die Testphase hat jede Beziehung überlebt. „Das war ja meine größte Sorge“, gesteht Robert, „dass sich ein Paar während der Testphase trennt.“ Aber die vier Paare, mit denen er noch in Kontakt steht, sind bis heute zusammengeblieben. Viele angedachte Testpaare mit Fernbeziehung hatten sich allerdings schon getrennt, bevor der Prototyp fertig war. Aber dafür kann man ja weder Robert noch seine Erfindung verantwortlich machen.
Cubble funktioniert also. Doch das Vermissen bleibt und eine warme Plastikbox kann reales Händchenhalten auch nicht ersetzen – ganz zu schweigen von anderen Varianten des Körperkontakts. Deswegen ist Robert von seiner Erfindung zwar überzeugt, aber trotzdem froh, dass er keine Fernbeziehung mehr führen muss. Er ist vor Kurzem mit seiner Freundin in München zusammengezogen. Die Cubble-App haben die beiden während der Testphase trotzdem verwendet. „In der Zeit stand einmal ein Freund von mir plötzlich mit meinem Handy in der Hand da und sagt: ,Haha, ich hab gerade was mit deiner Freundin'“, erzählt er. Die Gefahr des Fremdcubbelns ist also zumindest rein funktionell gegeben, aber konzeptuell sei das nicht vorgesehen, sagt der Erfinder. Eher könne man sich mal über einen Flirt-Cubble für Singles Gedanken machen.
Text: teresa-fries - Foto: Juri Gottschall