- • Startseite
- • Jetzt_München
-
•
Ist da jemand?
Hadern
Großhadern kennt man als Nicht-Medizinstudent vor allem unterbewusst, als die Endstation, an die man nie fährt und von der man kein richtiges Bild, sondern nur die Buchstaben auf der U-Bahnanzeige der U6 oder den Klang der Durchsagen im Kopf hat: Klinikum Großhadern. Tatsächlich thront die Klinik hier wie ein Raumschiff über allem, und wenn man in diesem Viertel wohnt, muss man sich daran gewöhnen, dass immer irgendwo ein Krankenwagen unterwegs ist. Hadern erscheint zudem wie das Viertel der Autofahrer – als gäbe es mehr und breitere Straßen als irgendwo sonst in der Stadt. Unter den Bewohnern der vielen Einfamilien- und Reihenhäuser finden sich außerdem auffallend viele Vorortexzentriker. Die Gärten sind zum Teil konzipiert wie ganze Porzellanfigurmuseen, ein Nacheiferer von H.R. Giger, Künstler und Designer der „Alien“-Figur, hat in der Heiglhofstraße düstere, menschengroße Stahl-Kreaturen an der Hausfassade befestigt. An der Gartenpforte seines Grundstücks hängen Metallbuchstaben, die verkünden: „1 Photo 1 Euro“.
Auch sonst ist das Viertel bunt gemischt: Studenten in den günstigen Hochhauswohnungen am Haderner Stern, alte Menschen hinter oberbayerischen Fassaden mit Holzbalkonen und Blumenkästen rund um die U-Bahn-Station Großhadern sowie junge Familien in Reihenhäusern nahe der Blumenau. Was Hadern außerdem auszeichnet: Es grenzt direkt an den Waldfriedhof, der in seiner Größe fast ein eigenes Viertel darstellt und angeblich dafür sorgt, dass nirgends in ganz München die Luft besser ist. Neben der Uni kann man Blumen frisch vom Feld pflücken und etwas weiter, hinterm Krankenhaus, fängt auch schon der Forstenrieder Wald an, wo man im Sommer im Waldheim-Biergarten sitzen und sich wie in Bad Tölz fühlen kann.
Bildergalerie kann leider nicht angezeigt werden.
Wer wohnt hier?
Zum Beispiel Sebastian, 31. Er wohnt hier seit einem Jahr mit seiner Freundin in einem Reihenhaus, weil er schon in Großhadern aufgewachsen ist, nicht so weit weg von seinen Eltern ziehen wollte und weil es hier immer Parkplätze gibt. Seine Semmeln holt er zwar meistens nur beim Ihle um die Ecke, die besten gibt es aber an der Großhaderner Straße Ecke Gräfelfinger Straße. Einkaufen geht er beim Rewe um die Ecke, oder mit dem Auto beim Hit in der Hansastraße. Zum Shoppen muss man schon in die Innenstadt fahren, denn hier gibt es eher Oma-Boutiquen. Essen geht er am liebsten im ehemaligen Weissen Bräuhaus, das jetzt Haderner Augustiner heißt. Sehr gutes Take-Away Essen gibt es bei der Hongkong Bar an der U-Bahn Station Großhadern. Nach 20 Uhr noch ein Bier kriegt er bei der Allguth-Tankstelle an der Fürstenrieder Straße, die einen 24-Stunden-Getränkemarkt hat. Sonntags geht er auf dem Waldfriedhof spazieren oder fährt mit dem Fahrrad durch den Forstenrieder Wald, der gleich hinterm Klinikum beginnt und durch den man bis zum Forst Kasten oder gleich bis zum Starnberger See durchfahren kann. Das gibt es hier, was es sonst nirgends gibt: Den Waldfriedhof. Er mag hier die Ruhe und die Dörflichkeit trotz guter Anbindung an die Innenstadt.
Freimann
Freimann ist wahrscheinlich das am meisten unterschätzte Randviertel Münchens. Hier fährt die U-Bahn ein kleines Stückchen über der Erde, hier liegt noch immer das geheimnisvolle Floriansmühlbad brach und hier präsentiert sich der Englische Garten von seiner schönsten Seite: dem wilden Nordteil mit der Isar und dem Aumeister-Biergarten. In der Mohrvilla tritt den Winter über das Ensemble Theater auf, das im Sommer das Amphitheater im Englischen Garten bespielt. Im Metropol-Theater schafft es der großartige Regisseur Jochen Schölch, selbst Menschen zu seinen Fans zu machen, denen Theater sonst viel zu altertümlich ist. Auf dem Zenithgelände mit seinen Antikhallen und den riesigen, leer stehenden Ausbesserungshallen der Bahn kann man sich zu jeder Zeit rumtreiben und – wenn nicht gerade Flohmarkt ist oder ein Konzert stattfindet – Menschen dabei beobachten, wie sie ihre Wohnmobile umbauen, Verbindung zu Außerirdischen herstellen wollen, Fotos machen oder einfach nur in der Gegend rumsitzen und über den weiten Sandplatz gucken.
Und von dort aus lässt es sich auch gleich rüber in den Euroindustriepark zum Einkaufen radeln, in den Innenstadt-Menschen sonst nur mit eigenem Auto oder nervtötenden Busverbindungen gelangen. In Freimann steht außerdem die erste im Freistaat Bayern errichtete Moschee (bundesweit ist es die siebte). Wer von dort aus mit dem Rad noch etwas weiter in Richtung Norden fährt und irgendwann rechts abbiegt, landet auf einem Reiterhof mit eigener Pizzeria. Ein Idyll. Wie mitten auf dem Land, dabei ist man in zehn Minuten wieder beim Aumeister. Achso, natürlich gibt es in der Nähe auch eine der besten und höchsten Dachterrassen Münchens: Die des Wohnheims an der Studentenstadt nämlich.
Wer wohnt hier?
Zum Beispiel Ekaterina, 25, Köchin. Sie wohnt hier seit diesem Sommer, weil sie hier ein wunderschönes Haus mit Garten zusammen mit zwei Freunden zu einem bezahlbaren Preis mieten kann. Ihre Semmeln holt sie bei der Hofpfisterei, einkaufen geht sie bei Spina, dem italienischen Feinkostladen. Zum Shoppen geht sie auf den Flohmarkt. Essen geht sie am liebsten in ihrer eigenen Küche. Nach 20 Uhr noch ein Bier kriegt sie im Café des Metropol-Theaters. Sonntags, wenn sie nicht aus dem Viertel will, radelt Sie zum Flohmarkt bei der Zenithhalle. Das gibt es hier, was es sonst nirgends gibt: Das Haus, in dem schon ihre engsten Freunde aufgewachsen sind und in das sie jetzt selbst mit eingezogen ist. Sie mag hier, dass sich alle Menschen auf der Straße grüßen und die Ruhe. Aber auch, dass man in zehn Minuten mit der U-Bahn in der Innenstadt ist.
Neuperlach
Neuperlach ist ja so etwas wie die Gropiusstadt Münchens. Die eine Hälfte des Viertels dominiert der Siemenskomplex im Süden, der aussieht wie aus Duplo-Steinen gebaut. Der andere Teil ist eine Mischung aus dunkelbraunen und schmutzig-alufarbenen Firmengebäuden, hinter denen sich in dumpf-traurigen Farben riesige Plattenblöcke erheben. Mittendrin, direkt an der U-Bahn Neuperlach-Zentrum, findet sich das Einkaufszentrum Pep, das nicht nur einen Starbucks mit integriertem Theater beherbergt, sondern auch die größte freitragende Glaskuppel Deutschlands – sagt ein Bauinformationsschild (Stand 1989). Das dazugehörige Parkdeck erinnert, wenn das Licht von der Seite hereinfällt, an die Suburbs von Chicago. Der Blick von oben ist gigantisch: Direkt angrenzend steht der riesige Wohnring aus Hochhäusern rund um den Theodor-Heuss-Platz, der etwas von chinesischen Wohnwaben hat – auch wenn das höchste Haus natürlich nur 17 Stockwerke misst.
Fährt man dann weiter durch die sich verzweigenden Straßen fällt schnell auf, dass Neuperlach lauter kleine Unter-Hoods hat, jede mit einem eigenen kleinen Einkaufszentrum: Das Graf-Zentrum, das Sudermann-Zentrum, das Marx-Zentrum. Die meisten davon sind allerdings geschlossen. Die Konkurrenz von Pep oder Innenstadt war offenbar zu groß. Je länger man hier unterwegs ist, desto mehr entdeckt man allerdings auch. Und desto weniger will man wieder weg. Im Gewerbegebiet Stemplinger Anger ruht eine vergessene, alte Apotheke. Offenbar schon ewig geschlossen. Verwunschen sieht sie aus. Zeitschriften von 1978 liegen im Schaufenster, daneben Werbung für Medikamente, die längst vom Markt sind. Bei Sultan gibt es türkisches Frühstück, eine große Auswahl an Baklava und Brotfladen. Und unten, am Oskar-Maria-Graf-Ring, bauen Menschen unterschiedlichster Schichten und Milieus gemeinsam Gemüse an – und verkaufen es direkt vom Feld. Ein Highlight ist übrigens das Gallo d’oro an der Plettstraße, ein kleiner Container an einem Spielplatz mit einer sehr lustig aussehenden Vogelrutsche davor. Es ist Pizzeria, Eiscafé und Kneipe zugleich und in seinem mit Efeu überwucherten Vorgarten könnte man definitiv einen geheimen Sommertreff mit Hipness-Potenzial einberufen. Wenn er nur ein klein bisschen weniger abgeranzt aussähe.
An der Quiddestraße stehen außerdem die blauen Bungalows des Festspielhauses, ein Theater, an dem Jugendliche bis 27 Jahre unter professioneller Anleitung eigene Stücke entwickeln und aufführen können. Dass die Bewohner dieses Viertels sich stolz „Neuperlachianer“ nennen, und es sogar so etwas wie eine virtuelle Fanbase dieses Viertels gibt (nämlich die Seite neuperlach.org), sollte der letzte Hinweis darauf sein, dass das hier vielleicht bald das neue Westend ist.
Wer wohnt hier?
Zum Beispiel Miriam, 26, Redakteurin. Sie wohnt hier seit sechs Jahren, weil sie fürs Studieren aus dem Nürnberger Umland nach München kam und sich nach den verschiedensten Wohnungsbesichtigungen in ganz München in Neuperlach am wohlsten gefühlt hat. Außerdem sieht sie von ihrem riesigen Balkon aus direkt ins Grüne, was ihr viel lieber ist, als zum Beispiel im Glockenbachviertel nur auf die nächste Häuserwand zu schauen. Ihre Semmeln holt sie bei der SB-Bäckerei an der Therese-Giehse-Allee, die von einer sehr herzlichen türkischen Familie betrieben wird. Einkaufen geht sie beim besten Supermarkt überhaupt, nämlich dem Kaufland im Pep, dem einzigen Kaufland in München. Zum Shoppen geht sie auch ins Pep. Essen geht sie entweder im Pep oder bei einem sehr guten Dönerstand am OMG (englisch ausgesprochen), wie man den Oskar-Maria-Graf Ring auch nennt. Oder bei der bayerischen Wirtschaft Hufnagel in Altperlach. Nach 20 Uhr noch ein Bier kriegt sie ganz klassisch bei der Jet-Tankstelle am Karl-Marx-Ring. Sonntags, wenn sie nicht aus dem Viertel will, geht sie spazieren. Zwischen den Hochhäusern gibt es sehr viel Grün und man kann stundenlang von einem Park zum nächsten gehen und dabei immer wieder neue Ecken entdecken. Das gibt es hier, was es sonst nirgends gibt: Einige der höchsten Wohnhochhäuser Münchens. Manchmal schleicht sich Miriam mit ihrem Freund und einem Feierabendbier in eines von ihnen, fährt in den obersten Stock und genießt von dort aus die Aussicht über die ganze Stadt. Sie mag hier, dass man seine Ruhe hat. Selbst nachts läuft sie allein von der U-Bahn nach Hause, weil Neuperlach entgegen seinem Ruf viel eher ein Rentnerghetto als ein Gangsterghetto ist.
Allach-Untermenzing
Durch Allach-Untermenzing fließt die Würm. Das ist gut, denn damit gibt es wenigstens ein paar Bänke, auf denen man sich ans Ufer setzen und ein bisschen nachdenken kann. Mit Blick aufs Wasser geht das ja immer besser. Auf der Eversbuschstraße – so etwas wie die Lebensader des Viertels – fühlt man sich Hunderte Kilometer von der Stadt entfernt. Es sieht nach Landwirtschaft und Arbeit auf alten Bauernhöfen aus, Schilder preisen Speisekartoffeln an, es gibt zwischen Einfamilienhäuschen und Markisenläden auffällig viele Marienfiguren und Kreuze, Soldatendenkmäler und vor allem Deutschland- und Bayernflaggen. Ein riesiger Möbelladen namens Möbel-Schmidt füllt ein ganzes Mehrfamilienhaus mit Porzellantieren, verblichenen Kindermöbeln und anderer Auslage. An jedem Möbel klebt ein Sonderpreisschild. Ein wackelig aussehendes Glasregal kostet trotzdem noch 800 Euro. Ein Stück weiter, im Hotel Eversbusch, kann man ab fünf Euro übernachten. Ein Laden namens „Kraftpunkt. Entspannung, Kreativität, abladen“ bietet Klangschalenmassagen und Artverwandtes. Außerdem findet sich hier ein Laden für Karaoke- und Partyzubehör.
In eine komplett andere Welt gerät man erst, wenn man in der Ludwigsfelder Straße in die Bäckerei Schuhmair eintritt. Hier gibt es nicht nur Kaffee deutlich über Schnellmaschinenautomatenniveau, sondern auch Schweizer Brote, hippe Limonaden und Kosmetikartikel auf der Toilette. Hier sehen die Menschen so entspannt aus, wie sonst im ganzen Ort nicht. Fährt man von hier aus die Ludwigsfelder Straße noch ein Stückchen weiter hinunter, beginnt das Allach, das zumindest für Freunde urbaner Ruinen interessant ist: Zur Rechten ruht das zum verfallenen Geisterschloss gewordene ehemalige Malzwerk Diamalt. Zur Linken, an der Schöllstraße, liegt ein LKW-Friedhof, auf dem Typen herumschleichen, die man gerade noch bei GTA gesehen hat.
Wer wohnt hier?
Zum Beispiel Chris, 34, Informatiktechniker und Steffi, 25, Magistrandin und Werkstudentin. Sie wohnen hier seit 2012, weil sie sich hier ihren Wohntraum erfüllen konnten: eine helle Drei-Zimmer-Wohnung mit hohen Decken, Garten, Ruhe und Nähe zur Stadt, und das provisionsfrei! Ihre Semmeln holen sie beim Bäcker Paul Isaak um die Ecke. Einkaufen gehen sie bei Aldi, Edeka und Rewe. Essen gehen sie am liebsten im Menzinger. Shoppen gehen sie in den Pasing Arcaden und im OEZ. Nach 20 Uhr ein Bier kriegen sie bei der Allguth Tankstelle in fußläufiger Entfernung. Sonntags, wenn sie nicht aus dem Viertel wollen, vertreiben sie sich ihre Zeit bei einem schönen Spaziergang. Das gibt es hier, was es sonst nirgends gibt: Hochgeklappte Bürgersteige um 17 Uhr. Sie mögen hier: Parkplätze vor der Haustür, parkzonenfreies Gebiet, die Nähe zu ihrer Arbeitsstelle und das viele Grün ums Haus.