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In die Nacht getaucht
Ein warmer Windstoß zerzaust meine ohnehin schon aufgelöste Frisur, auf der Wasseroberfläche kräuseln sich kleine Wellen. Der Sand unter meinen Füßen ist noch von der Sonne warm, wenn man jedoch mit den Zehen ein wenig tiefer gräbt, spürt man kalten harten Sand, der sich zu weit unten befindet, um von den Sonnenstrahlen des Tages gewärmt zu werden. Es war einer dieser Tage, an denen man das Gefühl hat, die Luft steht und kaum jemand bewegt sich, außer es muss unbedingt sein. Jetzt dürfte es etwa halb zwei in der Nacht sein. Ich kann nicht sehen, was sich unter der Oberfläche des Sees befindet, nur der Halbmond spiegelt sich in verzerrter Form auf dem Wasser wider. Es herrscht eine fast unheimliche Stille, man hört nur ab und zu das leisen Rascheln der Blätter. Die Luft ist abgekühlt, es bildet sich eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen. Ich renne ins Wasser, bis ich nicht mehr stehen kann, schwimme ein paar Züge. Das Wasser ist genau richtig kühl. Es ist der perfekte Abschluss eines heißen Sommertages.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wir sind heute durch diverse Bars gezogen, aber irgendwie hat uns das nicht gereicht, wir wollten noch etwas erleben. Also zum Feringasee. Ohne Bikini, ohne Handtuch? Egal! Wir springen in den alten Käfer, den Anna zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen hat. 15 Minuten später stehen wir zu dritt am Ufer.
Die Liebe zum Nachtschwimmen habe ich wohl von meinem Vater. Schon als Kind hat er mich regelmäßig mitten in der Nacht zu jedem erdenklichen See in der Münchner Umgebung geschleppt. Auch wenn ich meist völlig übermüdet war und panische Angst vor Wasserschlangen hatte, mochte ich diese Ausflüge immer sehr. Und so ist es noch heute, auch wenn ich mich inzwischen besser wach halten kann als damals. Sogar ein bisschen Angst vor Wasserschlangen ist mir geblieben. Nur springe ich mit meinen Freunden statt mit meinem Vater ins Wasser.
Die Stimmung an einem See ist nachts völlig anders als tagsüber. Keine 100 Handtücher liegen dicht an dicht um einen herum. Keine kreischenden Kleinkinder mit Wasserpistolen, die gegenseitig ihre Sandburgen zerstören, keine Eltern, die unter einem zeltartigen Sonnenschutz versuchen, ihre Lieblinge in Schwimmflügel zu zwängen, keine Senioren, die sich auf ihren mitgebrachten Liegen neben ihren rosa Badekappen ausbreiten, keine Legionen von gigantischen Wasserbällen und Plastikwalen, keine grellbunten Luftmatratzen, mit denen man beim ersten Schwimmzug zwangsläufig zusammenstößt. Nachts herrscht einfach Ruhe. Es ist auf eine wohltuende Art einsam. Man könnte den See fast für einen vollkommen anderen Ort halten, wäre man nicht schon so oft hier gewesen.
Nachts gehört der See einzig und allein uns jungen Menschen. Fast niemand außer uns geht mitten in der Nacht schwimmen. Die Aufteilung gefällt mir: Denn alles, was man nachts tut, wird allein dadurch viel aufregender, dass es im Dunkeln passiert, dann, wenn alle anderen schlafen. So wird auch eine zwar nette, aber doch gewöhnliche Sommeraktivität wie ein Ausflug zum See zu einem kleinen Abenteuer.
Man geht auch alles eine Spur verwegener an. Tagsüber wird so ein Badeausflug ja akribisch vorbereitet: Welcher Bikini soll mit? Brauche ich Wechselklamotten? Was zum Lesen? Reicht die 15er oder brauche ich doch die 30er Sonnenmilch? Dann schnell noch wasserfeste Schminke auftragen, um natürlich schön auszusehen, schnell noch Kühltasche putzen und packen. Nachts dagegen macht niemand so ein Brimborium. Wir springen einfach im Ausgeh-Outfit ins Wasser. Trocknet ja wieder. Verschmierte Wimperntusche? Sieht ja niemand.
Das Allerschönste am Nachtschwimmen finde ich aber das besondere Gefühl, das sich in mir ausbreitet, wenn ich in völliger Dunkelheit untertauche. Ich bin frei, ich bin unabhängig. Alle Probleme sind für eine kurze Zeit vergessen. Es ist, als könnte ich ab jetzt alles machen, wozu ich Lust habe. Nach dem Auftauchen bin ich zwar wieder in der Realität, aber sie fühlt sich so frisch und leicht an wie sonst nie.
Zum Glück ist es nicht schwer in München, spontan einen See oder Bach in der Nähe zu finden. Ich finde sowieso – Nachtschwimmen muss spontan beschlossen werden! Extra nach Hause fahren und Badesachen holen ist was für Anfänger.
Am Ufer des Feringasees haben wir eine Decke ausgebreitet, die wir im Kofferraum gefunden haben. Nebeneinander sitzen wir im feuchten Gras. Unsere Kleidung hängt an den Ästen einer Buche und trocknet. In einer Stunde sollten sie wieder so tragbar sein, dass wir zumindest nicht tropfen, wenn wir den McDonalds betreten und Burger bestellen. Wir denken an unsere Pläne. Für die nächste Stunde und fürs ganze Leben.
Auf der nächsten Seite findest du die besten Stellen für nächtliche Badeausflüge in und um München.
Die Isar
Status: Der Klassiker
Beste Badestelle: Bei der Halbinsel, die sich unter der Leintaler Brücke in Unterföhring befindet
Geht hier gut: Spontan von der Innenstadt aus baden gehen - keine Besoffenen, kein Lagerfeuerqualm, keine leeren Bierflaschen
Geht hier nicht so gut: Angetrunken vor sich hin plantschen - die Strömung ist teilweise stark.
Der Feringasee
Status: Der Familiensee
Beste Badestelle: Am Südufer
Geht hier gut: Innerhalb einer Minute am See sein. Die Parkplätze sind nah am Ufer, man muss sich also nicht erst orientierungslos durchs Unterholz schlagen.
Geht hier nicht so gut: Bei ungünstiger Windrichtung hat man das Gefühl, auf dem Mittelstreifen einer 4-spurigen Autobahn zu baden.
Der Steinsee
Status: Klein aber fein
Beste Badestelle: Am Ostufer des Sees
Kann man hier gut: Direkt vom breiten Holzsteg ins Wasser springen
Kann man hier nicht so gut: Mal eben ins Gras legen. Der Waldboden ist nämlich voller Moos.
Der Deininger Weiher
Status: Einsamer Waldsee
Beste Badestelle: Egal, hier ist es tatsächlich überall schön!
Geht hier gut: Auch an kühlen Sommertagen baden, das Wasser ist außergewöhnlich warm.
Geht hier nicht so gut: Mit ängstlichen Freunden schwimmen gehen - angeblich gibt es viele Wasserschlangen.
Der Schwabinger Bach
Status: Post-Party-Abkühlung
Beste Badestelle: Der Bacharm, der nach den Wasserfällen in der Nähe vom Haus der Kunst vom Eisbach abzweigt, und sich über die große Wiese zieht. Vorsicht: Der Eisbach selbst ist reißend und gefährlich, das Baden ist verboten.
Geht hier gut: Nach einer Nacht im P1 ohne Umwege ins Wasser gehen. Es ist aber auch von sympathischeren Innenstadt-Clubs nicht allzu weit zum Schwabinger Bach.
Geht hier nicht so gut: Entspannt baden - viele reißende Stellen
Text: sophie-kobel - Foto: gschpænli/photocase.com