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„Ich will keinen erschrecken“

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„Berlin hat mich so geschockt.“ Martin Frank reißt die Augen auf und winkt dann genervt ab. „Nach dem Auftritt habe ich mit niemandem gesprochen und bin sofort ins Hotel gefahren.“ Der Comedian, damals gerade 19 Jahre alt, hatte Anfang des Jahres in der Newcomer-Show des legendären „Quatsch Comedy Clubs“ sein Glück versucht. Er stand auf der kleinen Bühne des großen Friedrichsstadtpalast, vor einem Publikum, das bei müden Gags nicht davor zurückscheut, einen Künstler auszubuhen. Dementsprechend aufgeregt war Martin vor seinem Auftritt. Pfiffe und Buh-Rufe kassierte er zwar nicht, als er den Berlinern vom bayerischen Bauernhofleben erzählte. Doch begeistern konnte der Niederbayer sein Publikum an diesem Abend nicht. „Sie konnten meine Geschichte wohl schwer nachvollziehen“, erinnert er sich.
Wie gut funktioniert Humor, der auf Lokalkolorit setzt, außerhalb der Heimat? Für Entertainer, die typisch bayerische Motive nutzen, ist es in der Hauptstadt anscheinend besonders schwer, das Publikum zu begeistern. Auch Martins älterer Kollege Michi Dietmayr erinnert sich mit gemischten Gefühlen an seine ersten Auftritte an der Spree. „In Berlin habe ich kämpfen müssen“, erzählt Michi, „und das ist schade, weil man eine Niederlage dann gleich mit der Stadt verbindet. Man denkt sich: Hier hat es nicht funktioniert, hier fühle ich mich unwohl.“

Die beiden Entertainer Martin Frank und Michi Dietmayr sind durch und durch bayerisch, lieben ihre Heimat – und leben das auch auf der Bühne. Martin stammt aus dem Örtchen Hutthurm bei Passau, sein Kollege Michi ist Münchner. Wenn man sie auf ihre Heimat anspricht, bekommen beide Komödianten dieses Leuchten in den Augen, das man um die Weihnachtszeit herum so oft bei kleinen Kindern sieht. Beide könnten sich niemals und für kein Engagement der Welt vorstellen, aus Bayern wegzuziehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Komiker Martin Frank (links) und Michi Dietmayr setzen bei ihren Auftritten auf ihre bayerischen Wurzeln.

Ihre Herkunft wird in den Auftritten der beiden auf ganz unterschiedliche Weise sichtbar. Martin entwirft in seinem Kabarettprogramm eine urbayerische Szenerie, die aber erst dadurch komisch zutage tritt, dass sein Vater immer wieder ausländische Frauen ins Haus bringt, denen Martin das Leben am Hof erklären muss. Das alles präsentiert er in tiefstem Niederbairisch, „Hinterwäldler-Bairisch“, wie er selbst sagt.
Auch Michi setzt auf Dialekt. Im Gegensatz zu Martin beschreibt er in seinen Liedern aber keine bayerischen Lebenswelten, sondern nennt lediglich Stichworte, mit denen man auch außerhalb des Freistaats etwas anfangen kann: Oktoberfest, Tracht, Weißbier. Für das nicht-bayerische Publikum ist das ein Anknüpfungspunkt. Vielleicht ist er auch deshalb erfolgreicher als sein jüngerer Kollege.

Michi arbeitet sich aber nicht einfach bloß an bayerischen Klischees ab, sondern thematisiert in seinen Auftritten Situationen, die es überall geben könnte, zum Beispiel typische Beziehungskonflikte – nur, dass er sie eben auf Bairisch präsentiert. In seinem Song „Minga“ wiederum geht es um die unwissende Bayernliebe mancher „Zuagroaster“: Denn echte Münchner würden niemals „Minga“ zu ihrer Stadt sagen, wie es manche Bayern von außerhalb tun. Dass dieser Song überall in Deutschland funktioniert, wie Michi erzählt, liegt wohl daran, dass es im Kern gar nicht um München oder „Minga“ geht, sondern um einen absurd übersteigerten Konflikt: „Die Leute mögen die Idee, dass sich etwas so Simples wie der Streit um ein Wort derart hochschaukeln kann“, glaubt Michi.

Martin und Michi möchten die Menschen bundesweit zum Lachen bringen. Schwierigkeiten haben beide dabei aber nicht nur in Berlin festgestellt. Michi etwa hat bemerkt, dass sein Dialekt nicht überall geschätzt wird: Denn gerade Bairisch polarisiert, viele lieben den Dialekt, viele können ihn aber auch gar nicht leiden. Wenn Michi irgendwo zum ersten Mal auftritt, bevorzugt er darum eine sprachliche Mischform. „Ich fange dezent mit wenig Bairisch an. Wenn ich die Leute dann auf meiner Seite habe, spiele ich das erste bairische Lied und so arbeite ich mich voran.“ Ein Auftritt ausschließlich in tiefstem Bairisch würde nicht funktionieren. Die Gefahr wäre zu groß, die Leute nicht zu erreichen. „Ich will keinen erschrecken“, sagt Michi. Sogar in München, wo er kaum jemanden erschrecken würde, tastet er sich langsam ans Bairische heran.

Kabarett-Neuling Martin hat es mit seiner Schilderung einer typisch bayerischen Lebenswelt da schwerer: Alles in seinem ersten Soloprogramm „Ich pubertiere!“ ist original bayerisch: der Typ, das Thema, der Dialekt – das alles hätte genauso in jedem niederbayerischen Dorf, aber eben auch nur dort passieren können. Im bayerischen Outback hat er deshalb auch seine meisten Zuhörer. Sein Programm außerhalb Bayerns einfach auf Hochdeutsch zupräsentieren ist aber keine Lösung, wie er bei seinem ersten Auftritt vor nicht-bayerischem Publikum erfuhr. Als er in Magdeburg auf die Bühne trat, hatte Martin vor allem Angst, dass man ihn nicht verstehen könnte. „Ich habe deshalb Hochdeutsch gesprochen. Der Auftritt hat dann überhaupt nicht funktioniert, da kam nichts rüber, das war nicht mehr ich.“ Also wagte Martin beim nächsten Auftritt in Dresden wieder Dialekt. „Ich habe langsamer gesprochen, Pausen gemacht und manche Wörter übersetzt. Und plötzlich kam ich gut an.“

Dabei wären Übersetzungen gar nicht immer nötig. Auch Michi hat im Osten viel positives Feedback bekommen. Insbesondere in Sachsen kann man nämlich gerade mit Bairisch punkten: „Viele alt-bairische Begriffe ähneln dem Sächsischen. Ich frage dann: Wisst ihr, was das und das bedeutet? Und die rufen: Na klar – und jetzt mach’ weiter!“

Wie bayerisch sollte ein Komiker aus Bayern also sein, der deutschlandweit Erfolg haben will? Wahrscheinlich hängt es von dem Menschen ab, der auf der Bühne steht. Michi findet: „Wenn ich als jemand auf die Bühne gehe, der ich nicht bin, kann ich mir damit viel kaputt machen.“ Inzwischen hat er sogar eine Möglichkeit gefunden, auch den einen oder anderen kritischen Berliner für sich zu gewinnen: „In einem meiner Songs, in dem es um Bier geht, tausche ich das ‚Augustiner' immer gegen eine ortstypische Biersorte. Und die Leute freuen sich. Vielleicht denken sie: Ah, der hat sich vorbereitet.“



Text: magdalena-pemler - Collage: Torben Schnieber

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