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Hip-Hop in dei G’sicht nei!
Alex „So What“ Löser
Wenn Ami-Rap-Legenden wie Nas oder Newcomer wie Kendrick Lamar in München auftreten, hat dieser Mann meist seine Finger im Spiel. Als Konzertveranstalter hat er alle großen US-Acts getroffen und kann bei einem Bier abgefahrene Insiderstorys auspacken. Wer die hören will, erkennt Alex daran, dass er das Logo seiner Event-Firma „So What“ auf den Arm tätowiert hat.
Beef
Meinungsverschiedenheit unter Hip-Hoppern. Legendär ist der Beef zwischen Teekanne vom Echorausch aus Berg am Laim und dem selbsternannten „Goetheplatz-MC“ David P von Main Concept. Die beiden trugen bei einem Freestyle-Battle einst öffentlich ihren persönlichen Streit aus. Erst 2012 wurde das Kriegsbeil bei einem gemeinsamen Gig offiziell begraben. Aktuell haben der Rap-Veteran und ehemalige Samy-Deluxe-Schützling Ali A$ und der freche Jungspund Edgar Wasser Knatsch.
Clubs und Veranstaltungen
Die Peacecamp Jams von Martin Bushbayer spielen eine zentrale Rolle in der Münchner Szene. Sie sind die Gelegenheit für Nachwuchskünstler, um sich zum ersten Mal vor Publikum beweisen. Im Sunny Red im Feierwerk findet die „Rap in dei G’sicht nei!“-Reihe statt, bei der Untergrund-Künstler ein Forum bekommen. Wer beim Feiern Hip-Hop hören will, geht ins Rausch&Töchter, Crux oder edmoses.
DJs
An DJ Explizit, DJ Sepalot, Steve Money, den Plastic Jugganots, den Needle Addicts und deren bekanntestem Mitglied DJ Man At Arms kommt in München seit Jahren keiner so richtig vorbei.
Explizite Texte
Münchner Rap ist nicht für harte Lyrics bekannt. Dabei kam Ende der Neunziger aus der bayerischen Haupstadt mit dem Song „Süße Maus“ von Feinkost Paranoia einer der ersten deutschen Porno-Raps. Amüsant schlüpfrige Zeilen wie „Ich bohr dich, Bohrinsel dich, Erdöl, bohr dich“ hatte man davor noch nie gehört. Überhaupt waren Feinkost Paranoia und die dazugehörige Crew EMF (Einer Münchens Finest) mit ihrem verspulten Rap über Sex, Drogen und Skaten prägend für eine ganze Generation Münchner Hip-Hop-Kids. Seit 2003 ist es still um Feinkost Paranoia geworden und die Szene wartet vergebens auf ein Comeback der legendären Crew.
Freestyle
Im Jahr 2000 haben Main Concept aus München einen Freestyle-Hype losgetreten. Damals erschien „Plan 58“, der erste Deutschrap-Release, auf dem alle Texte improvisiert waren. Ihr Rapper David P reichte das Zepter des Freestyle-Königs später an Keno und Fatoni von Creme Fresh weiter. Seit einigen Jahren trifft sich die Freestyle-Szene zu Sessions in der Glockenbachwerkstatt in der Blumenstraße.
Grosses K
Der hühnenhafte Rapper der Crew Der Neue Süden wird auch „Bürgermeister von Neuperlach“ genannt. In seinem Viertel gibt er Rap-Workshops und versucht so die Kids von der Straße fernzuhalten.
Hausaufgaben-Häfft
Jeder Münchner Schüler kennt sie: Das Schwein, das Brot und die anderen Graffiti-Charaktere aus dem Hausaufgaben-„Häfft“. Die wenigsten Kids wissen, dass sie aus der Feder von Weeh78 stammen. Er war Teil der EMF-Crew und beweist auch heute noch gelegentlich seine herausragenden Freestyle-Skills. Neben dem Zeichnen arbeitet er jetzt übrigens als Landwirt und steht als Sprecher für den BR hinter dem Mikrofon.
Instrumental
Der kommerziell erfolgreichste Produzent ist wohl Tai Jason, der viele Beats für Aggro Berlin gemacht hat und aktuell Sido mit elektronischem Bumm-Tschack versorgt. Wahl-Münchner Jay Scarlett war mit seinen „Beat Dimensions“-Compilations Vorreiter der internationalen Experimental-Hip-Hop-Szene.
Juice
Das wichtigste deutsche Hip-Hop-Printmagazin wurde bis 2010 in München gemacht. Dann zog die Redaktion nach Berlin. Vor einem ihrer Münchner Autoren zitterten jahrelang die Nachwuchsrapper der Nation: Marc Leopoldseder schrieb unterhaltsame, aber teils vernichtende Rezensionen über Demotapes von jungen Talenten.
Kult-Rapper
Es gibt Rapper, die in keine Schublade passen. Igor K zum Beispiel, der trotz simpler Reime eindrucksvoll seine Sicht aus der Unterschicht auf das Schickimicki-München schildert. Oder Ron Foto („Deutschlands siebzehnt bester Rapper“), der mit der München-Hymne „Arschboss“ mit Schlachthofbronx einen Teil zur Hip-Hop-Historie der Stadt beigetragen hat.
Legenden
Ende der 90er finden im Flava Club 70 am Harras Konzerte und Battles statt. Acts wie Echorausch, Feinkost Paranoia und Boarshill No1. werden zu Untergrund-Legenden. Etwa zur gleichen Zeit setzt sich der 2010 verstorbene Rapper Ali Rasul der Crew Square One mit der heute noch relevanten Platte „State Of The Art“ ein Denkmal.
Monaco Fränzn
„Wenn da Watschbaam kippt, dann schau, dass di schickst!“ Der gebürtige Niederbayer bringt den Dialekt aus dem bayerischen Wald nach München. Derzeit arbeitet das Mitglied der Crew Doppel D an einem Solo-Album auf dem er Größen aus der Heimat wie Nicki oder Fredl Fesl musikalisch zerhackstücken will.
Nina Sonnenberg
Auch bekannt als Fiva. Sie ist die einzige weibliche Rapperin aus München, die es bisher über die Stadtgrenzen hinaus zu Ruhm gebracht hat. Sie ist eine Institution der Szene und momentan mit ihrem Album „Die Stadt gehört wieder mir“ erfolgreicher denn je.
Oida
Bairisch für „Alter“ oder „Kumpel“, wird in Münchner Raptexten inflationär verwendet. Das Wort dient zur sprachlichen Distinktion von anderen Großstädten.
Polizei
Während eines Tourstops von Method Man im Backstage im April 2010 brechen Diebe in dessen Bus ein. Vertrauensvoll wendet sich der Rapper aus New York an die Münchner Polizei. Nachdem auf dem Revier Anzeige erstattet wurde, verfolgen Beamten wiederum den Bus der Amerikaner, um ihn auf der Donnersbergerbrücke aufzuhalten und einer Drogenrazzia zu unterziehen. Ein Mitglied von Method Mans Entourage hält die unsouveräne Aktion und die blamablen Englischkenntnisse der Polizisten mit einer Kamera fest und veröffentlicht sie im Netz. Das Video genießt bis heute Kultstatus. Allerdings rächt sich die Münchner Polizei zwei Jahre später. Bei einem weiteren Gig filzt sie den Rapper, seine Crew und die Besucher erneut.
Querbeat
Der Name der ersten Demo-Kassette von Creme Fresh, lange Zeit als heiße Nachfolger von Blumentopf gehandelt. Die Band ist Geschichte, aber die einzelnen Mitglieder gehen ihren Weg. Rapper Keno und Produzent Bustla feiern Erfolge mit der Urban-Brass-Band Moop Mama. Rapper Fatoni arbeitet an seiner Karriere als Schauspieler.
Radio
Seit über 15 Jahren moderiert Ex-Main-Concept-Mitglied Michael Kuchar die HipHop-Sendung Fresh Inside, die jeden zweiten Donnerstag ab 21 Uhr auf dem Sender M94.5 zu hören ist. Kuchar beeindruckt mit seinem scheinbar grenzenlosen Oldschool-Wissen. Außerdem nimmt er kein Blatt vor den Mund – auch nicht, wenn er Szene-Legenden zu Gast hat.
Studenten-Rap
Synonym hierfür auch zu gebrauchen: Rucksack-, Öko-, oder Müsli-Rap – als abschätzige Bezeichnungen für braven, (pseudo-)intellektuellen Mittelstands-Rap. Besonders Blumentopf wurden oft von Berlinern mit diesen Begriffen in Verbindung gebracht. Eine direkte Reaktion der Münchner auf die Angriffe blieb aus. Auf dem neuesten Album „Nieder mit der GBR“ findet sich aber ein waschechter Ökorap mit augenzwinkernden Zeilen wie „Bei jeder Kick(-drum) von uns schwingt das Fell von glücklichen Kühen“.
Töpfe, die
Auch nach 20 Jahren Bandgeschichte ist der Blumentopf immer noch der bekannteste Münchner Rap-Act. Auf ihren Konzerten gibt es beides: Fans um die Dreißig, die einst zu ihrem Hit „Party Safari“ auf Sturmfrei-Partys ausgerastet sind und 16-jährige Kids, die Blumentopf gerade erst entdecken und begeistert sind von gutem, ehrlichem Rap ohne große Gimmicks.
Underground
Acts wie die poetisch-verstrahlte Weltuntergäng, der besessen politische Lea-Won oder das Rap-Monster Manekin Peace halten seit Jahren die Flagge für den Untergrund hoch. Das Label postrap kümmert sich liebevoll um alternativen Nischen-Rap.
Vier Elemente
Neben Rap gehören zum Hip-Hop nach der klassischen Definition noch drei weitere Disziplinen. DJing, Breakdance und Graffiti. Wenn es um Letzteres geht, sollte man von der ABC Crew gehört haben. Der bekannteste Sprüher der Stadt ist wohl immer noch Loomit, der auch das Badezimmer von Christian Ude verschönert hat. Die Färberei, ein Jugendkulturhaus der Stadt, fördert junge Graffiti-Künstler. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, sollte sich die München-Ausgabe des Klick Klack Magazins organisieren. Kommt das Gespräch auf Breakdance, schadet es nie den Namen der step2diz-Crew fallen zu lassen. Für das Thema Djing bitte zum Buchstaben D zurückspringen.
Wiesn-Tracks
Weltweit einzigartig: Rapper in Lederhosen, die im Schatten der Bavaria ihre Stadt representen. Jedes Jahr erscheinen eine Handvoll Tracks über die Wiesn. Berappt wird der Exzess im Bierzelt und wie „fly“ man in der Tracht aussieht. Abgerundet wird der Track am besten mit einem Gerhard-Polt-Sample. Dazu gibt es ein Video, das den Rapper mit vollbusigen Mädels im Dirndl und seiner Entourage am Biertisch zeigt.
XXL-Klamotten
Früher galt die Münchner Freiheit als Hotspot für Hip-Hop-Klamotten. Mighty Weeny in der Siegesstraße war beispielsweise die Shopping-Anlaufstelle für Stars wie Kool Savas, wenn sie für Gigs in der Stadt waren. Seitdem die Popularität von HipHop in den Nuller-Jahren enorm gestiegen ist, sind die meisten Geschäfte wie Planet (Neuhauserstr. 15), Snipes (Neuhauserstr. 7) und der Kickz-Store (Tal 14) direkt in der Innenstadt zu finden.
Youngster
Allen voran ist hier Edgar Wasser zu nennen, der mit hintersinnigen Texten und schwarzem Humor unterhält. Außerdem Ebow, die in ihrer Musik geschickt Orient, Glockenbach-Chic und Bass verbindet. Rapper Felix Krull sorgt mit seinem Mix aus Möchtegern-Schickimicki und Proletentum für Aufsehen.
Zitate
Natürlich beschäftigt sich der Rap auch mit der Stadt, in der er entsteht. Das klingt dann so: „Du sagst München ist ein kleines Nest. Ich sag, ich finds fresh weil ich jeden treff.“ (Teekanne) „Die Stadt, die nie Berlin war, großes Dorf mit Schickeria.“ (Fiva) „Das ist München. Der Nabel der Welt, wir haben das Geld und tragen nur Pelz.“ (Ali A$) „München. Wo das ganze Jahr über nix passiert. Wo man sich um die Wette ignoriert. Schickimicki-Bonzen-Revier und trotzdem bin ich immer noch hier.“ (Igor K)
Text: kevin-schramm - Collage: Tuong Vi Pham