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Auf den Werkbänken stapeln sich haufenweise Plakatdrucke. In zwei riesigen Regalen trocknen frische Plattencover. Daneben ein Drucktisch, auf dem Schablonen und Bleistiftentwürfe verteilt sind, dazwischen großformatige Kartonbögen und Papierreste in allen möglichen Farben. An den Wänden bunte Konzertplakate, im Eck mehrere Kisten voller Vinylplatten. Überall riecht es ein wenig nach Acrylfarbe. Betritt man die Siebdruckwerkstatt von Bernd Hofmann, 38, dem Mann hinter dem Künstlernamen Señor Burns, merkt man sofort: Hier wird ziemlich viel gearbeitet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Wirkstätte seiner Red Can Company befindet sich mitten im Münchner Stadtteil Haidhausen. Hofmann und sein Praktikant Anton schaffen dort gerade Ordnung, um die Werkstatt für die anstehende Adventsausstellung vorzubereiten. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit öffnet er für ein Wochenende seine Arbeitsräume, um Freunden, Kunden und Interessierten vorzustellen, was dort in den Monaten davor auf dem Drucktisch gelandet ist. Er stellt kunstvoll gestaltete Albumcover und Gigposter für Bands her, ist dabei aber auch noch Labelbetreiber und Ausstellungskurator in Personalunion. Doch von vorne.

Begonnen hat das alles im Jahr 2001. Bernd Hofmann studierte zu der Zeit Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste und entdeckte dabei den Siebdruck für sich. Das Plakative, die intensiven Farben und die Bildtiefe dieser Technik faszinierten ihn sofort. Schnell wurde die Druckwerkstatt in der Akademie zu seinem zweiten Wohnzimmer. Und leidenschaftlicher Plattensammler war er immer schon. Kein Wunder also, dass er sich für den Rest seines Studiums vor allem mit dem Thema Covergestaltung auseinandergesetzt hat. „Neben der Affinität für das Medium Vinyl als Tonträger hat mich vor allem dieser große Karton begeistert, und was man auf dem Format alles machen kann“, sagt Hofmann. Für eine Studienarbeit malte er die Covermotive seiner Lieblingsalben nach: „L’État et moi“ von Blumfeld zum Beispiel, oder „Green“ von REM. Später entwarf er fiktive Cover, einfach aus Spaß, ohne dass es dazu eine Band oder eine Platte gegeben hätte. Ebenso fiktiv war damals noch das Label, das er sich dazu ausgedacht hatte: Red Can Records, mit einem roten Kanister als Logo.

Ziemlich schnell allerdings wurde das Phantasielabel Realität. Seine damalige Band brauchte eine Plattenfirma für ihre erste EP, befreundete Musiker fragten, ob sie ihre Platten nicht auf seinem Label veröffentlichen könnten. Freilich, den Namen und das Logo gab es ja bereits. Und schließlich auch ein Konzept, denn sämtliche Plattenhüllen wurden fortan von Señor Burns per Hand bedruckt.

Natürlich packten die Bands bei der Herstellung ihrer Alben auch meist selbst mit an. Tagelanges Falten, Verkleben und Eintüten als Gemeinschaftsevent. Die „Do It Yourself“-Idee war bei Red Can stets Programm. Auf diese Weise sind bislang 35 Releases entstanden, darunter vor allem Münchner Künstler, von Candelilla über Angela Aux bis hin zu Joasihno und den Monostars.

Wo andere Labels beim Artwork sparen und ein Digipak als Alternative zur Jewelcase-CD das Höchstmaß der gestalterischen Gefühle ist, fängt bei Red Can der Spaß erst an. Bernd Hofmann betrachtet jede seiner Platten als künstlerisches Produkt, in dem sich mit der Musik und dem Artwork zwei gleichwertige Ausdrucksformen verbinden. „Für mich ist es ein größeres Erlebnis, wenn ich beim Hören auch ein Booklet durchblättern kann oder das Cover eine interessante Oberfläche hat“, erklärt er, während er eine seiner Veröffentlichungen aus der Plattenkiste zieht und mit der Handfläche über den Karton streicht. Das Spielen mit unterschiedlichen Materialien hat es ihm besonders angetan, weshalb seine Verpackungen fast immer mit haptischen Besonderheiten ausgestattet sind: mal ist es ein außergewöhnlicher Karton, mal Streugras, das als Wiesenfläche aufgeklebt wird.

Über die Jahre hat sich die Arbeit von Señor Burns herumgesprochen. Seine Motive kleiden auch Alben anderer Labels und Künstler. Bei Gutfeeling Records etwa, oder auch bei Alien Transistor, dem Label von The Notwist, erscheinen regelmäßig Platten aus seiner Hand. Auch Visitenkarten von Freunden, Ladenschilder und sogar Schuhkartons bedruckt er mittlerweile. Sein besonderes Interesse gilt jedoch seit sechs Jahren aufwendig gestalteten Gigpostern. 2006 hat er eines seiner ersten Plakate für die britische Punk-Band Leatherface angefertigt, seitdem hat ihn dieses Format nicht mehr losgelassen.


Aktuell liegt in seiner Werkstatt ein Konzertplakat für das amerikanische Bluesrock-Duo The Black Keys auf dem Drucktisch. Eine comicartige Landschaft in volltönigen Farben, die vom vorangehenden Druckvorgang noch feucht sind. Der Entwurf dafür entstand, wie bei den meisten seiner Arbeiten, als Bleistiftzeichnung in seinem Skizzenbuch. Darin zeichnet er immer dann, wenn er die nötige Ruhe dazu findet, was in der Werkstatt selten der Fall ist. Zu Hause am Küchentisch oder während einer Zugfahrt gelingt ihm das schon eher.



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Bei dem Plakat für The Black Keys steht noch ein Druckvorgang aus, ehe es für den Verkauf am Konzertabend bereit ist. Gigposter sind in erster Linie als kunstvolle Erinnerung an ein Konzert gedacht, die man hinterher am Merchandise-Tisch ergattert. Nur vereinzelt werden sie im Vorfeld als Werbung aufgehängt, dann vor allem in Plattenläden. Mit seinen Gigpostern will Bernd Hofmann in seiner eigenen Bildsprache eine Interpretation dessen liefern, was eine Band auf musikalischer und inhaltlicher Ebene zum Ausdruck bringt. Er reiht sich damit in eine Tradition aus den USA und Großbritannien ein. Noch bevor Pop Art-Protagonisten wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein den Siebdruck endgültig für ein Massenpublikum salonfähig machten, haben sich dort in den Fünfzigerjahren Künstler dieser Technik bedient, um Plakatentwürfe für Konzerte zu vervielfältigen. Damals war der Siebdruck eine einfache Möglichkeit, Werbedrucke in hoher Auflage herzustellen. In den Sechziger- und Siebzigerjahren hat sich das Interesse am Gigposter weiter gefestigt, spätestens aber mit dem Aufkommen von Punk und dem darin forcierten DIY-Gedanken wurde es als künstlerisches Format etabliert. Heute gelten siebgedruckte Plakate im englischsprachigen Raum als eigenständige Kunstform, deren Vertreter jährlich bei Poster Conventions wie dem Flatstock ihr Schaffen präsentieren.

In Deutschland konnte die Siebdruck-Bewegung noch in keinem vergleichbaren Maß Fuß fassen. Zwar habe es in den vergangenen 40 Jahren immer wieder Posterkünstler in Deutschland gegeben, so Hofmann, aber nie eine kontinuierliche Entwicklung. Über 100 Gigposter in Auflagen zwischen 50 und 100 Stück hat er selbst bislang entworfen, sowohl für Münchner Bands als auch für Musiker aus dem Ausland. Seine Poster werden zwar positiv aufgenommen und von den Bands für ihre Motive und die hochwertigen Kartons sehr geschätzt – eine breitere Wahrnehmung bleibt aber aus. „Konzertplakate werden hier nach wie vor primär funktional betrachtet. Es kommt oft vor, dass Veranstalter oder Managements damit nichts anfangen können“, sagt Hofmann.

Dennoch habe er das Gefühl, dass das Interesse in den vergangenen Jahren wieder gestiegen ist. Seit 2006 hat auch Deutschland eine Flatstock, sie findet jährlich im Rahmen des Reeperbahn-Festivals in Hamburg statt. Auch beim Rolling Stone Weekender gab es dieses Jahr einen Ausstellungsbereich für Siebdruckplakate. Neben Bernd Hofmann sind in Deutschland derzeit noch eine Handvoll weiterer Posterkünstler ähnlich aktiv. Bei den Ausstellungen, die Hofmann regelmäßig in München organisiert, waren auch ihre Plakate bereits zu sehen. Die Künstler kennen sich untereinander, sind vernetzt und stehen in regelmäßigem Austausch. So wie Musiker auf Tour gehen, reisen sie gemeinsam zu Festivals und Poster Conventions. Nicht in missionarischer Absicht, aber mit dem Willen, ihrer Arbeit größeren Respekt zu verschaffen.
 
Ob das Interesse an ihren Konzertplakaten weiter steigen wird, sich womöglich sogar eine Siebdruckszene in Deutschland etabliert, vermag Hofmann nicht einzuschätzen. Er habe auch schon Kollegen kennengelernt, die aus Frustration nach ein paar Jahren wieder aufgehört haben. Sicher ist aber, dass Señor Burns weiterhin einem beträchtlichen Teil der Münchner Musiklandschaft ihr Gesicht verpasst. Und zwar eines, das sich sehen lassen kann.


Text: josef-wirnshofer - Bilder: juri-gottschall; Senor Burns

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