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Einsam mit Stil

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Der Abend endet, als sich ein älterer Mann neben mich an die Bar setzt, der so betrunken ist, dass ihm erstmal der Geldbeutel aus der Hand fällt. Anschließend schaut er mich zu lange an. Ich habe mir zwar insgeheim gewünscht, dass ich eine „Lost in Translation“-mäßige Szene erlebe, wenn ich schon mal in einer Hotelbar bin. Aber der Mann ist eher Typ Edmund Stoiber als Typ Bill Murray – und er bestellt auch keinen Whiskey, sondern einen Kir Royal. Eine kleinere Enttäuschung. Bis eben habe ich mich nämlich so wohl gefühlt. Aber als ich bezahle, kommt das Wohlgefühl noch einmal zurück. „Viel zu kurz, dein Besuch hier“, sagt der Barkeeper und lächelt und er macht das auf diese professionell-aufmerksame Art, von der man sich nicht bedrängt, sondern aufgefangen fühlt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hotelbars sind sehr entspannt, anonym - und man kann dort sehr gut einsam sein.  Hotels wirken oft wie Burgen, wie Häuser, die man nur betreten darf, wenn man vorher ein Zimmer reserviert hat. Dabei stimmt das nicht: Man darf einfach rein – und zwar in die Bars. Wenn man in einer Stadt wohnt, sind Hotels und ihre Bars auf dem inneren Stadtplan quasi nicht vertreten, aber vielleicht sind sie ja die besten Orte für einen schönen Abend, vielleicht können sie was, das andere Bars nicht können. Also: mal ausprobieren. Und dabei nicht kleckern, sondern die obere Preiskategorie ansteuern. Drei Münchner Hotelbars stehen auf meinem Notizzettel: die Bar im Vier Jahreszeiten sowie Blue Spa Bar und Falk’s Bar – beide im Bayerischen Hof.   Im Vier Jahreszeiten muss man die Tür selbstverständlich nicht selbst öffnen, das erledigen zwei Herren mit weißen Handschuhen, die freundlich grüßen und einen einfach so reinlassen. So viel zum Thema „Burg“. In der Hotelbar ist fast alles reserviert, darum sitze ich ganz vorne, mit der Rezeption im Rücken. Ich trinke Weißwein, dazu bekomme ich beachtlich viele Knabbereien, und während ich knabbere, lausche ich.  Lektion 1: Hotelbars sind sehr entspannte Orte. Das macht die Geräuschkulisse. Wie auf einer Atmosphären-CD, Track „Bar“. Stetes, entspanntes Gemurmel, Wortfetzen auf Deutsch, Arabisch und Russisch, Gläserklirren, Besteck auf Porzellan und ein Piano. Alles hier ist weich – der Sessel, das Licht, das Plaudern, das Klirren und die Musik. Der Teppichboden nimmt allem die hohen Frequenzen, und wenn ich nicht so sehr damit beschäftigt wäre, zu knabbern und zu lauschen, dann würde ich jetzt vielleicht einnicken. „Bei Ihnen alles okay?“, fragt die Kellnerin. Ich sage „Ja“ und lächle.  Im Vier Jahreszeiten sitzt man quasi in der Lobby, mitten im Hotelbetrieb. In der Blue Spa Bar im Bayerischen Hof sitzt man auf dem Dach. Mit einem ziemlich guten Blick über andere Dächer und auf die Frauenkirche. Ich setze mich raus, trinke wieder Weißwein und bekomme wieder beachtlich viele Knabbereien. Paare kommen raus, fotografieren sich gegenseitig, eins stellt sich etwas abseits, um zu knutschen. Schräg gegenüber von mir sitzen drei in Decken gewickelte Briten, essen Steak, trinken Wein, sprechen erst über die Champions League, dann tauschen sie sich über „hairy bushes“ aus. Einer von ihnen hat ein sehr auffälliges, holperndes Lachen. „Bei Ihnen alles okay?“, fragt der Kellner, und seine Zähne sind sehr weiß. Ich sage „Ja“ und lächle.

Wenn in den Bars teurer Hotels eines gilt, dann wohl: Diskretion.

Lektion 2: In Hotelbars ist man absolut anonym. Die Chance, dass man dort jemanden trifft, den man kennt, ist gleich null. Die russische Familie und die teetrinkende arabische Dame im Vier Jahreszeiten, die drei schäkernden Briten im Bayerischen Hof, das knutschende Paar – ich bin die ganze Zeit umgeben von mir völlig Fremden, die alle irgendeinen Grund haben, hier zu sein, der sich sehr sicher von meinem unterscheidet. Und obwohl ich den Kellnern ansehe, dass sie sich fragen, was mein Grund wohl sein mag, fragt mich natürlich keiner. Denn wenn in den Bars teurer Hotels eines gilt, dann wohl: Diskretion. Hier kann man über „hairy bushes“ sprechen oder knutschen – die anderen Gäste und die Kellner werden einfach so tun, als hätten sie nichts gehört und nichts gesehen.  Als es zu kalt wird, wechsle ich in die Falk’s Bar, gleiches Hotel, ein paar Stockwerke weiter unten. Die Bar befindet sich im Spiegelsaal, und der ist sehr schön. Weiß, Stuck, indirekte Beleuchtung – und weil es mittlerweile spät ist und ich einiges an Weißwein intus habe, ist er sogar noch schöner. Der beleuchtete Tresen bildet ein großes Rechteck, in dessen Innerem die Barkeeper mixen. Ich setze mich an eine der langen Seiten, an der sich später auch der Kir-Royal-Trinker einfinden wird, bestelle einen Gin Fizz und bekomme dazu wieder beachtlich viele Knabbereien. Die drei Barkeeper sehen ganz unterschiedlich aus, aber jeder auf seine Art smart. Der eine fragt mich drei Mal, ob „alles gut“ sei, beim dritten Mal in einem Ton, als sähe man mir an, dass nicht alles gut ist. Ich sage „Ja“ und lächle, weil ja wirklich alles gut ist. Ich höre ein holpriges Lachen. Die Briten sind wieder da, sie sitzen links von mir an der kurzen Seite. Rechts ein einsamer Biertrinker, schräg gegenüber ein einsamer Longdrink-Trinker.  Lektion 3: In Hotelbars kann man gut einsam sein. Und traurig, wenn man mal traurig sein muss. Dieser leichte Überhang an einsamen Menschen, die vermutlich Gäste sind in der Stadt, die fremd hier sind und müde vom Tag, der macht die Stimmung so ein bisschen melancholisch. Eine der wichtigsten Weisheiten für Großstadtbewohner ist ja ohnehin: Wenn du Kummer hast, dann helfen dir die Dienstleister deiner Stadt. Sie sehen jeden Tag sehr viele Menschen, sie haben Erfahrung und können darum gleich erkennen, wenn du vor ihnen stehst und etwas nicht stimmt. Dann geben sie dir ein Bier oder halten deine Hand, wenn du weinen musst. Der Dönerverkäufer, der Taxifahrer, der Barmann. Und ganz besonders wohl der Hotelbarmann, denn der kennt sich mit Einsamkeit aus und mit Menschen, die mit Distanz zu ihrem Zuhause irgendwas bemerken, was vorher nicht so klar war. Wie in „Lost in Translation“. Auch wenn der Mann neben einem nicht Bill Murray ist. Text: nadja-schlueter - Illustration: daniela-rudolf

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