- • Startseite
- • Jetzt_München
-
•
„Die Kamera war unsere Tarnung“
Wahrscheinlich ist Franzi Schönenberger nicht allzu unglücklich darüber, dass sie ihren ursprünglichen Plan, einen Film über junge indische Künstler zu machen, dann doch nicht umgesetzt hat. Schließlich war es die Liebe, die ihr dazwischenkam. Bei der Recherche verliebte sich die Studentin der Hochschule für Film und Fernsehen in Jayakrishnan Subramanian, kurz: Jay. Die beiden sind seit zwei Jahren zusammen und wollen heiraten – was beider Eltern anfangs ziemlich schockierte. Kompliziert für Franzi und Jay, aber gut für den Film, der so ein neues Thema bekam: Wie bringen wir unseren Eltern bei, dass wir eine deutsch-indische Beziehung führen? Momentant schneidet das Paar an „Amma & Appa“, nächstes Jahr soll der Film dann fertig sein.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Familienfoto à la Royal Tenenbaums: die Schönenbergers und die Subramanians.
jetzt.de München:Franzi, deine Eltern sagen im Trailer zu eurem Film, du hättest schon immer einen „Hang zum Exotischen“ gehabt. Wie exotisch fühlt sich eure Beziehung für euch selbst an?
Jay: Für uns untereinander ist sie natürlich nicht exotisch. Aber für andere sind wir manchmal eine ungewöhnliche Erscheinung. Weniger hier als in Indien.
Franzi: In großen Städten wie Bombay ist es da auch kein Problem, in ländlicheren Gegenden, wie bei Jay zu Hause, schon. Ich dachte, dass wir da auch Händchen haltend durch die Straßen gehen und uns mal ein Bussi geben können. Jay hat dann gesagt: Nein, auf keinen Fall!
Jay: Da gibt es dann blöde Kommentare.
Franzi: Seine Eltern wollen mich nirgendshin mitnehmen. Sie mögen die Aufmerksamkeit nicht, die ich hervorrufe. Als ich abgereist bin und geweint habe, kamen am nächsten Tag gleich die Nachbarn und fragten, was denn mit der weißen Frau los sei.
Jay, deine Eltern sagen, sie seien geschockt gewesen, als sie erfuhren, dass du dich verliebt hast. Klingt nicht, als wären sie froh über dein Glück gewesen.
Jay: Kein bisschen. Normalerweise hätte ich eines von fünf oder sechs Mädchen heiraten müssen, die meine Eltern ausgesucht hätten. Das Horoskop muss stimmen, die Familie auch und das Mädchen muss aus derselben Kaste kommen. Für sie wäre es schon schwierig gewesen, wenn ich mich in jemanden aus einer anderen Kaste verliebt hätte. Dass ich noch dazu ein Mädchen aus einem anderen Land und mit einem anderen Glauben wähle, war ein großer Schock. Das konnten sie sich überhaupt nicht vorstellen. Ich bin auch der einzige von meinen Freunden aus meinem Dorf, der keine arrangierte Ehe eingeht.
Wann heiratet man denn in Indien?
Jay: Normalerweise etwa mit 27 Jahren. Die Eltern fangen an zu suchen, wenn man einen Job hat. Als ich nach der Uni meine erste Stelle hatte, habe ich ihnen aber verboten, nach einem Mädchen zu suchen. Drei Wochen später bekam ich trotzdem eine Mail mit einem Foto einer potenziellen Kandidatin und dem Zugang zu einem Profil auf einem Heiratsvermittlungs-Portal im Internet. Da wurde ich sauer und habe ihnen erzählt, dass ich mit Franziska zusammen bin. Sie haben gesagt: Heirate lieber gar nicht, als dass du sie heiratest.
Franzi, wie ging es dir in dieser Rolle?
Franzi: Das war schon schlimm. Zuerst habe ich es nicht so ernst genommen, ich dachte, die kriegen sich schon wieder ein. Aber als wir sechs Monate zusammen waren, kam dieses Foto von dem Mädchen, das er heiraten sollte, und sie haben insgesamt ein Jahr lang ignoriert, dass ich seine Freundin bin. Dann haben sie wenigstens mal seinen Bruder, der schon in Deutschland lebte, vorbeigeschickt – quasi als Spion. Der hat sie überzeugt, mich einzuladen und kennenzulernen.
Und da seid ihr dann gleich mit einem Kamerateam angerückt?
Franzi: Ja. Ich wollte ja ursprünglich einen Film über indische Künstler machen und später dann über Jay. Er hat ja in Indien Kunst studiert, aber nie Kunst live gesehen. Wir haben dann bei seinem ersten München-Besuch gefilmt, wie er sich van Goghs Sonnenblumen in der Pinakothek angeschaut hat. Er hat fast geweint, als er vor dem Bild stand. Insofern war es nicht aus der Luft gegriffen, die Kamera beim ersten Elternbesuch mitzunehmen.
Jay: Und die Kamera war unsere Tarnung. Eine Ausrede, die meine Eltern im Dorf erzählen konnten. Sie konnten sagen, dass Franzi zum Arbeiten zu Besuch ist und einen Film über ihren Sohn dreht.
Und wie kamen deine Eltern ins Spiel?
Franzi: Als wir bemerkt haben, dass dieses Eltern-Kinder-Beziehungsgeflecht die eigentlich spannende Geschichte ist. Wir wurden permanent von allen Seiten mit Bedenken überschüttet. Meine Eltern haben unsere Beziehung ja am Anfang auch nicht ernst genommen. Später hieß es immer: Das funktioniert nicht, das wird total schwierig. Es ging ja auch gleich los mit den Problemen: Als meine Eltern Jay kennenlernen wollten, musste mein Vater für Jays Visum eine Verpflichtungserklärung bei der Ausländerbehörde unterschreiben und drei Gehaltsnachweise vorlegen. Als ich sie gefragt habe, ob sie für den Film mit uns nach Indien fliegen wollen, haben sie aber sofort zugestimmt. Sie wollten Jays Eltern gerne kennenlernen.
Wie war es, als eure Eltern sich zum ersten Mal begegnet sind?
Franzi: Ich hatte das Gefühl, dass sie sich gleich mochten.
Jay: Ja, die haben sich tatsächlich gut verstanden, auch wenn es wegen der Sprache und kultureller Unterschiede manchmal ein bisschen schwierig war.
Franzi: Irgendwann haben sie dann angefangen, sich untereinander über uns beide lustig zu machen.
Kennt ihr eure Eltern jetzt besser?
Jay: Definitiv. Ohne den Film hätte ich nie so intensiv und offen mit ihnen über unsere Beziehung, aber auch über ihre Ehe geredet. Man fragt ja seine Eltern sonst nicht unbedingt über ihre Liebe und ihr Zusammensein aus. Und auch sie haben dadurch angefangen, über Dinge nachzudenken und sie in Frage zu stellen.
Haben sich die Einstellungen eurer Eltern dadurch denn geändert?
Jay: Es war gut, dass meine Eltern gesehen haben, dass in Deutschland nicht alle Ehen geschieden werden, sondern dass es auch Liebesheiraten gibt, die 35 Jahre halten.
Franzi: Als wir sie am Ende des Besuchs meiner Eltern danach gefragt haben, sagten sie aber immer noch: Eine arrangierte Ehe ist die bessere Ehe. Aber sie verstehen vielleicht besser, dass auch ein anderer Standpunkt seine Berechtigung hat.
Habt ihr jetzt auch mehr Verständnis für die Bedenken eurer Eltern?
Franzi: Ich glaube schon. Das Schlimme ist: Sie hatten mit vielen Bedenken und Warnungen recht.
"AMMA & APPA", eine Produktion der Hochschule für Fernsehen und Film München in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk, wird voraussichtlich Anfang 2014 fertiggestellt.
Text: christian-helten - Foto: o.H.