Christina, 24, Studentin
„Ihr müsstet meinen Kalender sehen! Da steht riesig drin, dass heute das Freibad aufmacht. Ich sitze schon seit Viertel vor neun vor dem Eingang, nur für diesen Moment. Wenn du morgens die erste bist, die der Bademeister durchs Tor lässt, dieses Gefühl ist Wahnsinn. Du siehst das Wasser, spiegelglatt und ohne eine einzige Welle. Du springst rein. Und wenn dann die Sonne scheint und auf den Boden des Beckens fällt, auch wenn das nur ein winzig kurzer Moment ist – danach kann kommen, was will. Alles ist gut. Ich komme praktisch direkt aus dem Bett, ich wohne gleich um die Ecke. Den Badeanzug trage ich schon unter dem Trainingsanzug. So kann ich direkt vom Eingang zum Becken laufen, ohne mich umziehen zu müssen. Ich schwimme ungefähr sechs mal die Woche, zumindest versuche ich das, jeweils eine Dreiviertelstunde. Ab sofort bis zum letzten Tag der Sommerferien hier im Schyrenbad. Anderthalb Kilometer, meine Schwimmstrecke, entsprechen hier 30 Bahnen.
Das Besondere, wenn du der erste bist, der hier ist? Niemand stört dich. Die Bahnen sind ja unterschiedlich angenehm zu schwimmen, ich kraule am liebsten in Bahn sechs, die zweite von links, da sind an beiden Seiten Leinen gespannt – die helfen bei der Orientierung. Als erste kann ich mir also genau diese Bahn aussuchen. Wenn du nur eine Stunde später kommst, sind oft schon 30 Leute hier. Dann musst du dich durchwursteln und arrangieren, ständig kommen schnellere Schwimmer von hinten, das macht mich immer nervös. Die elf Grad heute sind eigentlich warm für den ersten Mai. Letztes Jahr war es am Eröffnungstag kühler . . . Tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich reinspringen. Dahinten kommen schon die anderen!“
Text: jan-stremmel - Foto: juri-gottschall