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„Das kann ich auch!“
Der Kenner
Dort triffst du ihn: Mindestens einmal im Monat in allen drei Pinakotheken und in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus.
Darum geht er ins Museum: Der Kenner kennt sich aus. Er interessiert sich im höchsten Maße für Kunst und ihre Beschaffenheit, für Künstler und Epochen, Strömungen und Trends. Er ist immer über aktuelle Ausstellungen informiert, trägt die Münchner Jahreskarte für Museen stets bei sich (falls er auf dem Heimweg vom Einkaufen Lust auf einen Baselitz hat) und verplant seine Wochenenden mit Museumsausflügen. Seine Freunde kennen das schon und drücken sich gerne davor, ihn zu begleiten – aber ab und zu findet er doch jemanden (vor allem kulturell interessierten Besuch aus anderen Städten), den er durch die Pinakotheken schleusen und vor dem er mit seinem geballten Wissen glänzen kann.
So erkennst du ihn: Der Kenner hat immer einen Katalog, die neueste Publikation zum Museum oder eine besonders gute zu einem einzelnen Künstler unter dem Arm und studiert die Texte ebenso eingehend wie die Ausstellungsstücke. Oft trägt er einen Schal, auch, wenn es gar nicht kalt ist. In jedem Museum hat er seine Lieblingsräume, in denen er seiner Begleitung (wenn er denn eine hat) gerne und laut die einzelnen Werke erklärt. Ist er allein, wendet er sich manchmal sogar an jemanden, der zufällig neben ihm steht. Er kennt sich bis ins kleinste Detail mit dem Künstler und seiner Biografie, mit dem Werk und seiner Bedeutung aus. Und mit dem Raum und seiner Komposition. Ach, überhaupt mit allem!
Das sagt er: „Die Pinakothek der Moderne wurde erst 2002 eröffnet, Stephan Braunfels hat sie entworfen, du weißt schon, der der die ‚München leuchtet‘-Medaille in Gold bekommen hat, na, und zur Eröffnung wurde dann die Skulptur Buscando de la Luz von Eduardo Chillida aufgestellt, von dem ist auch die Skulptur vorm Bundeskanzleramt und 1959 hat er...“
Das hat er zu Hause an der Wand hängen: Der Kenner leiht sich Kunstwerke aus der Artothek aus, für die große freie Wand in seiner Wohnung. Oder er hat dort eine Reproduktion eines Gemäldes von Rauschenberg hängen, auf die er lange gespart hat.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Darsteller
Dort triffst du ihn: Im Museum Brandhorst, im Haus der Kunst (und anschließend in der Goldenen Bar) und in Galerien.
Darum geht er ins Museum: Der Darsteller legt großen Wert auf seine kulturelle Bildung – beziehungsweise darauf, als kulturell gebildet zu gelten. Museums- und Galeriebesuche sind (neben deckenhohen, überquellenden Bücherregalen und einer umfassenden Plattensammlung) eine unverzichtbare Zutat dieser Selbstinszenierung. Er geht also weniger in die Ausstellung, um zu sehen, sondern eher, um gesehen zu werden und davon zu erzählen. Und um sich nachher im Museumsshop ein Ausstellungsplakat zu kaufen.
So erkennst du ihn: Der Darsteller trägt Röhrenjeans, ein auffälliges Brillengestell und Dutt oder Undercut. Seinen Jutebeutel musste er an der Garderobe abgeben („Große Taschen sind in der Ausstellung nicht erlaubt, junger Mann!“). Oft steht er regungslos vor dem sozialdokumentarischen Foto eines Michael Schmidt oder dem Hard-Edge-Gemälde eines Ellsworth Kelly und spürt dessen Schwingungen nach. Häufig ist er auch mit Kamera oder Notizbuch unterwegs, denn die ausgestellten Objekte dienen ihm als Inspiration, Details begeistern ihn und müssen festgehalten werden. Seine Gedanken postet er bei Facebook oder auf seinem Blog, illustriert mit Fotos oder Skizzen aus dem Notizbuch.
Das sagt er: „Wahnsinn! Das ist doch echt Wahnsinn, wie der die Stimmung eingefangen hat!“
Das hat er zu Hause an der Wand hängen: Klar: Das Ausstellungsplakat aus dem Museumsshop.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Technikfreund
Dort triffst du ihn: Deutsches Museum, Museum Mensch und Natur im Nymphenburger Schloss (Dauerausstellung „Bunte Welt der Mineralien“!)
Darum geht er ins Museum: Gemälde, Skulpturen oder Installationen sind für den Technikfreund überflüssig, Zeitverschwendung und meist noch nicht einmal als Kunst erkennbar. Dafür hat er eine ausgeprägte Ader für alles Naturwissenschaftliche und, genau, Technische. Er liebt es, stundenlang Dampfturbinen und Dieselmotoren zu studieren, durchlebt erhebende Gefühle auf dem Planetenweg und weiß eine Menge über Starkstrom. In einem Kunstmuseum landet der Technikfreund nur aus Versehen. Meistens, weil er es jemandem versprochen hat.
So erkennst du ihn: Der Technikfreund ist ein unscheinbares Kerlchen mit Tendenz zur Niedlichkeit. Im technischen oder einem Naturmuseum beginnen vor großen Maschinen oder Erklärstücken zur Geschichte der Welt seine Augen zu leuchten, manchmal geht auch sein Mund auf, vor lauter Erstaunen. In einem Kunstmuseum aber macht er eine düstere Miene und ignoriert alles, was dort an der Wand hängt oder im Raum rumsteht.
Das sagt er: Im technischen Museum: nichts. Der Technikfreund genießt und schweigt. Im Kunstmuseum wird seine harsche Seite offensichtlich und er brummelt „Das kann ich auch!“ oder „Wie alt war der Künstler, als er das gemalt hat? Fünf?“
Das hat er zu Hause an der Wand hängen: Den Geo-Wandkalender und Familienfotos.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Blitz
Dort triffst du ihn: Überall – denn er schafft sie alle!
Darum geht er ins Museum: Der Blitz ist ein Pseudomuseumsgänger. Er hat keine Ahnung und eigentlich hat er nicht mal richtig Lust, weder auf künstlerische, noch auf informative Ausstellungen. Aber er ist der festen Überzeugung: Museumsbesuche gehören sich einfach, wenn man ein vollständiger Mensch sein will! Vor allem in fremden Städten. Darum war er daheim erst in einem einzigen Museum, im Urlaub aber geht er in jedes, das er finden kann. In München beginnt er seine Besichtigungstour im Stadtmuseum und dem Bayerischen Nationalmuseum, er geht ins Spielzeugmuseum, klappert alle drei Pinakotheken ab und besucht dann mindestens noch das jüdische Museum („Wegen unserer Geschichte!“). Er bewegt sich oft in einer Reisegruppe, lässt die anderen aber schnell hinter sich. Innerhalb von 20 Minuten ist er durch jede Ausstellung geflitzt und trinkt danach einen Kaffee im Museumscafé, bis die anderen endlich fertig sind.
So erkennst du ihn: Hast du einen Luftzug gespürt und etwas vorbeihuschen sehen? Das war der Blitz! Er bleibt selten länger stehen und wenn, dann nur, um ein Foto zu machen. Immerhin braucht er Beweise, wirklich da gewesen zu sein.
Das sagt er: „Puh, hätte ich das auch abgehakt!“
Das hat er zu Hause an der Wand hängen: Einen Dalí-Druck.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Schüler
Dort triffst du ihn: In der Dauerausstellung „Nationalsozialismus in München“ im Stadtmuseum; in der Staatlichen Antikensammlung und der Archäologischen Staatssammlung.
Darum geht er ins Museum: Weil er muss. Der Geschichtsunterricht beschert jedem Schüler mindestens einmal im Leben einen Vormittag in einer Antike-Ausstellung. Der Besuch der Ausstellung zum Nationalsozialismus ist sowieso Pflichtprogramm. Zum ersten Mal wird der Schüler dort mit 13 oder 14 sein, noch mal mit 15 und 16, als Gymnasiast auch noch mal mit 17, 18 und 19. Dann hat er sein Abi und kann die ausgestellten Propagandaplakate theoretisch aus dem Kopf nachzeichnen.
So erkennst du ihn: An den anderen 30 Leuten um ihn herum, die genauso aussehen. Sind sie noch klein, haben sie Brustbeutel um den Hals hängen und machen Krach, sind sie älter, haben sie Umhängetaschen dabei und wischen auf ihren Telefonen herum. Oft kann man Grüppchen beobachten, die sich mit Null-Bock-Attitüde hinter einer Stellwand verstecken. Macht aber nichts, sie haben ja noch nächstes, übernächstes und überübernächstes Jahr Zeit, sich alles genau anzuschauen.
Das sagt er: Viel, er hat ja eine Menge Freunde zum Reden dabei. Von „Boah, ich hab Hunger“ bis „Das war schon verdammt krass damals“ ist alles dabei.
Das hat er zu Hause an der Wand hängen: Band-Poster, Fotos von Freunden (oft schief oder als Collage), die Flagge aus dem Land, in dem er im Austauschjahr war.
Text: nadja-schlueter - und Lena Niethammer; Collage: Katharina Bitzl