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Chaoten mit Couch und Perserteppich
Im Proberaum schlägt das Herz einer Band. Hier entstehen die Songs, die eines Tages vielleicht jeder mitsingen kann. Deshalb besuchen wir regelmäßig junge Münchner Musiker in ihren Proberäumen. Diesmal erzählen die „Gipsy Beards“ von ihren Proben in einem Keller am Frankfurter Ring. Karsan, 21, Sam, 21, Basti, 22, und Mattej, 21, spielen seit Oktober vergangenen Jahres zusammen modernen Bluesrock.
„Nach unserer Gründung vor einigen Monaten übten wir vor allem in einem Proberaum von Freunden im House of Music. Die Suche war ganz schön anstrengend, in München gibt es zwar einige Proberäume, aber die meisten werden von privaten Musikliebhabern betrieben und sind hoffnungslos überteuert. Wer kann sich Räume leisten, die soviel kosten wie eine Einzimmerwohnung? In irgendein Jugendzentrum zum Proben zu gehen war für uns aber keine Alternative: Dort sind die Zeiten streng begrenzt und zwei Stunden Probezeit pro Band reichen einfach nicht, wenn man es wirklich ernst meint. In Allach und Pasing gibt es so Containersiedlungen, die sind billiger, aber das Klima ist in diesen Dingern nicht besonders gut für die Instrumente und die Einbruchsgefahr ist hoch.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Eines Tages hörten wir, dass hier am Frankfurter Ring im Ventura eine Band rausgeschmissen wurde, weil sie zu unordentlich gewesen sei. Wir hatten Glück und konnten einfach nachrücken. Es ist hier sicher und wir können 24 Stunden an sieben Tagen die Woche rein. Theoretisch könnten wir auch bis morgens um sechs Uhr spielen, das hört nämlich keiner. Unser Proberaum befindet sich zwar im Keller eines riesigen Wohnhauses, aber hier sind sehr viele Räume in kleine Parzellen neben der Tiefgarage eingebaut und das hält dicht. Die Miete können wir uns allerdings nur leisten, weil wir uns den Raum mit einer anderen Band teilen. Sogar Telefon und Internet haben wir hier.
Im Moment zahlt Mattej den Proberaum von seinem Konto, das sind 330 Euro jeden Monat. Jedes Bandmitglied überweist ihm monatlich seinen Anteil. Das geht meistens gut, aber es kommt vor, dass das Geld von irgendjemandem nicht rechtzeitig da ist. Dann muss Mattej schauen, wo er sich den fehlenden Betrag auf die Schnelle leiht. Das nervt ihn manchmal.
Wir proben zwei Mal die Woche: Donnerstags, aber nur abends ab 19 Uhr, wegen Schule, Studium und Arbeit, bis 23 oder 24 Uhr. Anfangs haben wir zusätzlich Sonntags den ganzen Tag geprobt, aber irgendjemand hatte immer was, seien es familiäre Verpflichtungen oder halt ein Hangover. Jetzt versuchen wir es stattdessen Samstags, das klappt ganz gut. Wenn einer von uns nicht kann, proben wir meistens gar nicht. Dann stimmt der kreative Prozess einfach nicht mehr. Deshalb halten wir uns an unsere Verabredungen.
Unser Raum ist nicht wirklich dekoriert, es hängt nur ein Kalender mit all unseren wichtigen Terminen drin und eine Liste mit all unseren fertigen und noch unfertigen Songs. Wir haben uns mal überlegt, Poster von unseren Idolen aufzuhängen, aber dazu kam es noch nicht. Außerdem haben wir eine alte Couch hier reinmanövriert, die ist wichtig, falls der Basti nachts unterwegs ist und mal wieder seine S-Bahn raus nach Hause verpasst, dann darf er hier schlafen.
Auf dem Boden liegt ein alter Perserteppich, den Mattej von seinen Großeltern geschenkt bekommen hat und der schon bei seiner alten Band im Proberaum lag. Ansonsten sammeln sich hier Flaschen, Aschenbecher, Bier, Müllsäcke. Durch den ganzen Auf- und Abbau für Konzerte – in den letzten Wochen waren es 16 Stück – ist es hier sehr unordentlich. Hinten in der Ecke beim Schlagzeug liegen immer Holzspäne, die von den Drumsticks absplittern.
Wir veranstalten hier keine Partys oder Privatkonzerte unter Freunden, höchstens kommt mal jemand zu Besuch und wir trinken ein paar Bier. Es ist hier unten wirklich zu eng und dadurch dass es keine Fenster gibt, wird die Luft schnell dick. Es wird ja schon schwierig, wenn man hier drinnen raucht, da springt sofort der Rauchmelder an.“
Text: mercedes-lauenstein - Foto: Juri Gottschall