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Champions-Liegen

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Nicht verzweifeln. Es wird auch diesen Sommer noch schön. Und warm. Und spätestens dann ist das Finale, wie auch immer es denn ausgehen mag, vergessen: Champions-Liege statt Champions League. Wir haben deshalb einen der wenigen sonnigen Tage genutzt, um schon mal auszuprobieren, wie es sich fläzt auf den Liegen der Stadt. Als Public-Viewing-Ratgeber funktioniert das allerdings nicht: Auf den Liegen, von denen aus das Finale zu sehen wäre, sind längst Handtücher.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christian Helten

Englischer Garten

Trommelklänge, Flaneure, Frisbeespieler, die Schwarzhändler preisen ihre Getränke an. Alles faulenzt und lümmelt. Auf der Liege vom Verleih „Sonnendiebe“ sticht man heraus aus der Deckenplebs und genießt aus erhöhter Position. Sie sorgt für Business-Class-Feeling im Park – und ist Rettung für Spontane und Deckenvergesser.

Art der Liege: Der Strandliegen-Klassiker mit Holzrahmen und Stoff in dunklem Grün. Nur die Plastik-Arretierungen sind teilweise etwas verbogen.

Kosten: Fünf Euro pro Tag, beziehungsweise ein Euro für 30 Minuten

Komfort: Dreistufiges Verstellsystem, eine Art Kissen hinter dem Kopf. An der Leihstation gibt es auch Bücher. Sehr deutsch: Wenn man seine Liege kurz verlässt, kann man ein gelbes „Besetzt“-Schildchen hinterlassen.

Nebenan liegt: Eine einsame Studentin, ein Grüppchen Abiturienten mit Wasserpfeife, ein Pärchen mit Kind. Seltsamerweise heute kein einziger Nackerter weit und breit. Im Bach treiben Enten vorbei und ab und an ein kälteresistenter (oder betrunkener) Engländer.

Diese Liga sieht man: Speed-Minton Bezirksliga und Pfandsammler-Champions League. Zu hören: die Percussion-Reservebank aus der Kreisklasse. christian-helten



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mercedes Lauenstein

Schaustelle

Schaukeln auf der Freifläche des ersten Stocks der Schaustelle, dem Ersatzbau der Pinakothek der Moderne. Es ist ruhig hier. Abgesehen von der lauten Stimme eines Italieners. Dessen Sprachmelodie klingt jedoch wunderbar. Da kann man weiter entspannt daliegen.

Art der Liege: Kunstinstallation. Schaukelartiger Halbkokon aus Bauplane, der an einem Baugerüst hängt und mit Sandsäcken vorm Extremschaukeln gesichert ist.

Kosten: Umsonst.

Komfort: Lesen, schlafen, knutschen, seine Ruhe haben – geht hier alles. Allein fläzt man sich am besten quer in die geräumige Sitzschale und lehnt den Kopf seitlich oder hinten an. Das einzige, was einem nach einer Weile mal gereicht werden könnte, wäre ein Kissen für den Hintern. Die Sitzfläche ist nämlich bretthart.

Nebenan liegt: Eigentlich nur die Museumswärterin, die das Funkgerät sicher in ihrem Schoß hält, die Schuhe ausgezogen hat und dösend die Sonne genießt. Ab und zu kommen und gehen junge Menschen in bunten Turnschuhen und schaukeln ein bisschen. Niemand macht hier oben Lärm oder verbreitet Unruhe, auch der Mann nicht, der Pfeil und Bogen auf dem Rücken trägt und mit seinem neunjährigen Sohn ein paar Minuten sitzen bleibt.

Diese Liga sieht man: Kreisklasse der Wochenendmuseumsbesucher und Samstagsflaneure. mercedes-lauenstein


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mariel McLaughlin

Dantebad

Im „Dante“ kann man zwar auch im Winter seine Bahnen unter freiem Himmel ziehen, im Sommer lebt das Freibad aber von seiner sportlichen Eleganz: Weite grüne Wiesen und Tribünen aus Wasserball-Olympiade-Zeiten verbreiten einen klassisch reduzierten Charme.

Art der Liege: Die gute alte Schwimmbadliege aus Plastik in weiß.

Kosten: 3,80 Euro (Eintritt)

Komfort: Einfach, aber gemütlich. Zwei Einstellungen – sitzen und liegen – reichen völlig aus, um durch einen ganzen Tag zu kommen. Da ein dünnes Handtuch wenig dämpft, bringt der erprobte Gast sich selbst ein Polster mit.

Nebenan liegen: Möhrenverteilende Mütter und vitale Endfünfzigerinnen, die beim gemeinsamen Meet-and-Swim versuchen, ihre Haare nicht nass zu machen.

Diese Liga sieht man: Seniorenliga der Nostalgiker. Relikte der Olympiazeit also, die mit ihrem ehrgeizigen Kraulstil wirken, als ob sie vor 40 Jahren selbst gern teilgenommen hätten. mariel-mclaughlin


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Juri Gottschall

Kulturstrand

Die Plattform an der Corneliusbrücke ist mit Sand gefüllt, ein roter Wurm mit der Anmutung eines übergroßen Müllsacks (die angeblich „längste Kunstinstallation Münchens“) weist den Weg von den umliegenden Straßen. Ein paar Meter weiter unten fließt die Isar, die man hinter der steinernen Balustrade leider nicht sehen kann. Dafür gibt es Bäume, kühle Getränke, eine kleine Bühne und jede Menge spielende Kinder im übergroßen Sandkasten, der sich Kulturstrand nennt. Um welche Kultur es dabei geht, wird nicht ganz klar.

Art der Liege: Eine aus Holzlatten gebaute und mit Brauerei-Brandzeichen versehene Konstruktion.

Kosten: Keine. Konsumieren muss man auch nix. Wer es trotzdem tut: Die Getränkepreise sind sehr zivilisiert.

Komfort: Die Holzliegen sind eigentlich hart, unbeweglich und massiv, dafür aber erstaunlich bequem. Man kann sogar den Kopf anlehnen, und wenn man die Füße hochlegt, ist bestimmt auch ein kleiner Mittagsschlaf möglich. Durch die wenig befahrene Straße und die exklusive Lage wäre es auch angenehm ruhig hier. Wenn nur die loungige Musik nicht wäre.

Nebenan liegt: Der nicht ganz so hippe Glockenbach-Bewohner, die junge Familie mit Kindern, der Tourist, der nach dem Besuch des Deutschen Museums zufällig vorbeigekommen ist.

Diese Liga sieht man: Die alternative Amateur-Liga im Jungbleiben-Wollen. juri-gottschall


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jan Stremmel

Kino am Olympiasee

Wenn die eingezäunte Kinowiese um 19 Uhr öffnet, steht die Sonne schon so tief, dass sie kaum noch wärmt. Sie bringt nur noch die beschlagenen Scheiben der Olympia-Schwimmhalle hübsch zum Leuchten. Macht aber nix. Die Liegen dienen hier ja auch zum Filmgucken, da bringt man vernünftigerweise Jacken und Decken mit. Im Hintergrund quietscht leise das Riesentrampolin, in einem der Imbisszelte brutzelt die Szechuan-Pfanne. Ein lauschiger Kinosaal ohne Dach.

Art der Liege: Lackiertes, wetterfestes Holzgestell, schwarzer Polyesterstoff.

Kosten: Neun Euro für Singles, 20 Euro für den „Love Seat“ für zwei Personen. Dafür sind ein Kinofilm und ein Vorprogramm mit Animationsfilmen inklusive.

Komfort: Nicht so weich wie ein Kinositz, aber durchaus gehobener Liegestuhl-Standard. Das Gras hat exakt die Länge, die noch gepflegt wirkt, aber trotzdem schon die sommerlich nackten Fußknöchel kitzelt. Etwas beängstigend sind hier nur die Dimensionen: 18 Reihen mit je 36 Liegestühlen, ergibt 648 Liegen, in Reih und Glied wie eine römische Heeresdivision. Wer zu früh kommt, sitzt alleine in einem Meer aus schwarzen Liegen.

Nebenan liegt: Ein Pärchen mit Fleecedecke über den Knien, das an mitgebrachten Radieschen nagt.

Welche Liga siehst du: Die Tauchliga München-Nord. Eine Handvoll Jungs in tropfenden Neoprenanzügen tritt ab und zu durch den Hinterausgang des Schwimmbads auf die Wiese und streckt sich in der lauen Abendluft. Am Samstag läuft hier übrigens statt Filmen tatsächlich die Champions League. Allerdings sind alle 648 Liegen dafür längst reserviert. jan-stremmel


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jakob Biazza

Goldene Bar

Auf der Südseite der Terrasse reihen sich die kolossalen Säulen des Haus der Kunst, der Blick nach Norden fällt auf wunderbar grüne Laubbäume. Während die Sonne sich zum Traumpanorama-Untergang langsam um die Ecke schiebt, hängen auf dem Parkplatz unterhalb der Bar Neopren-Anzüge zum Trocknen an einem roten Mini-Cabrio. Ein Mädchen zieht mit einem Quad Skater auf Longboards hinter sich her. Auf der Terrasse trifft Lackschuh auf nackte Füße und Bier aus der Flasche auf prämierte Cocktail-Kreationen. Die Hugo-Bestellung am Nebentisch weist der Kellner deshalb auch mal charmant zurück: „Wir machen Ihnen was Besseres!“ Stimmt.

Art der Liege: Ebenfalls die klassische Holzrahmen-Stoff-Kombination, allerdings mit stabiler Vollholzarretierung.

Kosten: Die Getränke haben Preise auf gehobenem Münchner Niveau, sind aber ihr Geld wert.

Komfort: Überraschend bequem. Die Rückenlehne reicht hoch genug, um den Kopf zu stützen. Auch ohne jede Polsterung lässt es sich hier länger liegen – zumal ja auch laufend neue Drinks kommen.

Nebenan liegt: Lokale Eisbachsurfer-Prominenz, neben Anwältinnen mit Perlenohrringen, neben Münchner Kreativen aus Film, Print und Fernsehen, neben Hipstern in Flanell, neben erschöpften Museumsbesuchern.

Diese Liga sieht man: Die Bundesliga im Bussi-Bussi-Sprizz-Trinken im Einklang mit der absoluten Königsklasse im Nach-der-Welle-ist-vor-dem-Bier-Rundumentspannen. jakob-biazza

Text: jetzt-redaktion - Fotos: Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein

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