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Breaking Brezn

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Er ist überall, der Franz Münchinger. In der Kneipe rezitiert jemand spontan die Opernszene aus dem Monaco Franze, die gepfiffene Titelmelodie der Serie trällert als Klingelton aus dem Handy eines Freundes und lässt einen dann den ganzen Tag nicht mehr los. Frisch nach München gezogene Studenten posieren beim ersten Besuch der Eltern für ein Familienfoto vor dem Helmut Fischer-Denkmal am Café Münchner Freiheit.

Vor allem die Serien Monaco Franze und Kir Royal, aber auch Zur Freiheit, Polizeiinspektion 1, Irgendwie und Sowieso und München 7 scheinen zur Identitätsformung eines Jungmünchners zu gehören. Obwohl ihre Erstausstrahlung zum Teil mehr als 20 Jahre zurückliegt, begegnen sie einem oft im Alltag. In der News Bar, einem Studentencafé an der LMU, steht bis heute der Kir Royal auf der Karte, dieses süßliche Gesöff aus Champagner und Crème de Cassis, das in den Achtzigern ein Modegetränk der Schickeria war und in der gleichnamigen Serie unentwegt getrunken wird.

Ohne ein gewisses Grundwissen über Münchner Serien gilt man hier als Alien oder zumindest vollkommener Heimat- und Kulturbanause. Wer zu Stenz, Spatzl und Baby Schimmerlos nichts zu sagen hat, ist irgendwie kein vollkommener Münchner.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Auf ihre Weise verkörpern die Serien allesamt die Münchner Lebensart. Wer sie mag und darüber lachen kann, scheint damit zu beweisen, dass ihm diese vertraut ist. Oder, im Falle eines Zugezogenen, dass er hier angekommen ist.

Mal angenommen, dieser Serien-Patriotismus wird in 20 Jahren auch noch am Leben sein. Dann wären die jetzigen Kultserien noch mal 20 Jahre älter. Sie werden damit bestimmt nicht schlechter. Aber wir fänden es trotzdem schade, wenn daran nicht weiter angeknüpft würde, wenn unsere Zeit, die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrtausends, nicht auch ihre eigene Serie bekämen. Der Münchner Alltag von heute gibt schließlich nicht weniger Stoff her. Aus Themen wie der Mietpreisproblematik ließen sich mindestens genauso zündende TV-Ereignisse spinnen wie aus den Wehwehchen der Schickeria zu Zeiten von Kir Royal. Würde sich ein Regisseur im Jahr 2013 an ein Exposé für ein Drehbuch wagen, könnte das in etwa so aussehen:
 
Titel:
Breaking Brezn – Wer reinkommt, ist drin
 
Der Plot:
Simon, 28, ist gestandener Münchner und wohnt im Lehel. Nach seiner Ausbildung zum Finanzfachangestellten hat er eine Stelle im Finanzamt München II angenommen, die er mit schwankender Motivation ausübt. Tagsüber trägt er schlecht sitzende Anzüge, abends Kapuzenpulli und Turnschuhe. Hin und wieder legt er elektronische Musik im Muffatcafé auf und beim Isi im X-Cess auf. Für seine Freunde ist er deshalb der „Dub-Sepp“. In seine kaum zu erschütternde Gemütlichkeit flattert ihm eines Tages ein Schreiben seines Vermieters rein: Er müsse seine Wohnung innerhalb von drei Monaten räumen, das Haus werde grundsaniert und anschließend für Luxuswohnungen genutzt. Umziehen? Bei den Preisen? Unmöglich. Und dann vielleicht auch noch aus der Innenstadt raus, am Ende gar nach Moosach oder Untermenzing?! Niemals!

Der Sidekick:
Dem Dub-Sepp steht bei der Wohnungssuche sein Kumpel Fatih zur Seite, den er vom Auflegen kennt. Fatih wohnt am Luise-Kisselbach-Platz mit Panoramablick auf die Langzeitbaustelle, studiert noch und jobbt nebenbei als Plattenverkäufer im Optimal.
 
Der Plan:
Sie haben alles versucht: Sie waren beim Makler. Sie haben in Folge drei (Titel: „Ausgerutscht auf der Feierbanane“) im Nachtleben versucht, reiche Mädchen aus Starnberg und Grünwald aufzureißen. Sie haben irrwitzige Bewerbungsvideos gedreht und in WG-Castings Kunststücke aufgeführt. Alles ergebnislos: Zu teuer, zu weit außerhalb, zu klein. In ihrer Verzweiflung fassen sie einen neuen Plan: Sie gehen auf Verbrecherjagd! Nicht aber, weil Simon das Gemeinwohl am Herzen liegt. Nein, ihn interessiert ausschließlich die Wohnung des Täters, welche im Falle einer Verhaftung vakant würde. Für die beiden ist klar: Wenn sie einen Verbrecher schnappen wollen, der in der Innenstadt residiert, brauchen sie nicht bei Taschendieben und Kleinkriminellen anzufangen. Sondern da, wo das große Geld sitzt: im Drogenhandel. Sie stellen sich dabei durchaus trickreich an, übersehen jedoch, dass ihr Vorgehen nicht unbemerkt bleibt und sie ins Visier eines Münchner Drogenrings geraten. Irgendwann haben sie zwar Beweise für mehr Straftäter, als ihnen lieb ist, doch ihr Plan entwickelt sich langsam zu einer äußerst unbequemen Angelegenheit.
 
Die Schauplätze:
Seinen Ausgang nimmt dieser TV-Knaller am Mariannenplatz im beschaulichen Lehel, wo der Dub-Sepp wohnt, seit er denken kann. Gedreht wird außerdem in einem Maklerbüro am Isartor, im Harry Klein und im Bob Beaman (die Elli-Disco gibt’s ja leider nicht mehr), wegen der Street-Credibility auch am Harras und im PEP in Neuperlach, Fatihs Heimatviertel. Natürlich auch in allerlei schummrigen Bars um den Hauptbahnhof, wo Simon und Fatih die Hotspots der hiesigen Schwerverbrecher vermuten.
 
Der Spatzlfaktor:
Ohne Frauengeschichten kommt auch der Dub-Sepp nicht aus. Nur blöd, dass er sich andauernd in die falschen Mädchen verschaut. Zuerst in die vermeintlich reichen Mädchen aus dem 089, die leider gar keine Dachgeschosswohnung erben. Dann in die Franzi, die zwar die richtige für den Sepp ist und sich auch in ihn verliebt, aber leider mit einem brutalen Kleindealer zusammen ist.
 
Der Regisseur:
Die Regie übernimmt natürlich der „Rosi“, eh klar. Schließlich hat Marcus H. Rosenmüller erst vor kurzem mit dem Singspiel am Nockherberg bewiesen, dass er den Charakter bayerischer Amigos gekonnt auf die Schippe nehmen kann.
 
Der Soundtrack:
Weil LaBrassBanda gerade im Studio sind und keine Zeit haben, stellt Mehmet Scholl den Soundtrack zusammen.
 
Das Staffelfinale:
Im Staffelfinale dämmert den beiden Protagonisten: Zu kurz gedacht, die Dub-Sepp’sche Logik. Zwar gelingt es ihm, die Herrschaften vom Drogenkartell unbeschadet dran zu kriegen, und auch die Franzi ist befreit. Aber dass sich für ihn daraus ein quasi moralisches Anrecht auf deren Wohnungen ableitet, will keiner der Vermieter so recht einsehen.
Der Plan ist gescheitert, Simon schlurft resigniert durch die Innenstadt. In Gedanken packt er bereits seine Koffer, um vorerst in Fatihs Ein-Zimmer-Butze unterzukommen, als ihm vor der Zöttl-Filiale in der Müllerstraße die Brezn im Logo der Bäckerei ins Auge fällt. Er fasst einen neuen Plan: Jetzt, wo die Drogenbosse aus dem Weg geräumt sind, könnte er doch im Wohnwagen seines Onkels am Langwieder See eine Drogenküche einrichten und von dort aus Crystal Meth verticken – getarnt als Breznsalz.



Text: josef-wirnshofer - Illustration: katharina-bitzl

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