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Blick Indie Szene

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A wie Außerhalb des MVG-Netzes

Die Münchner Szene hört nicht mit den Endstationen der S-Bahn auf. Sie ist eng verzahnt mit der ländlichen Peripherie. Bands aus Weilheim, dem Chiemgau oder Oberammergau prägen seit Jahren die Popkultur der Stadt. Ob die Enge zwischen Dorfplatz und Herrgottswinkel die Musik notwendiger macht als der hektische Puls der Großstadt? Mag sein. Vielleicht sind es aber auch die vielen Blaskapellen auf dem Land, durch die junge Menschen ins Musikmachen hinein wachsen (->Bajuwarisierung).

B wie Bajuwarisierung

In Bayern sind die musikalischen Koordinaten seit einiger Zeit sauber verschoben: Blasmusik ist längst im Pop angekommen. Und spätestens seit Kofelgschroa auch im Indie. Wie viel Tuba und Gitarre einander zu erzählen haben, zeigt gerade zum Beispiel wieder Impala Ray auf seinem Album „Old Mill Valley“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


In der Münchner Indie-Szene haben Tuba und Gitarre einander viel zu erzählen - undalle leihen sich gegenseitig den Amp.

C wie City of Pop

Ein musikalischer Stadtplan, den der Zündfunk (-> Erfolgsleiter im Radio) 2014 zum dritten Mal herausgegeben hat. In der City of Pop heißen die Straßen zum Beispiel „Tocotronic Aber Hier Leben Ja Bitte-Weg“. Eingekauft wird in der „Slayer Metzgerei“. Auch München ist vertreten. An der Ecke „Via Lali Puna“/„Gomma Gasse“ steht etwa der Optimal. Das ist gut. Die City of Pop ist eine Art Lackmustest: Wer hier eingemeindet wird, hat’s geschafft (-> Wagner, Dirk +1).
 

D wie „Darf ich mir deinen Amp leihen?“

Ausdruck der überdurchschnittlichen Hilfsbereitschaft der Münchner Indie-Bands untereinander. Die Antwort lautet schließlich quasi immer: ja freilich. Deswegen und wegen des -> „Oh, da spielt der auch noch mit?“-Phänomens stand mancher Verstärker der Stadt wohl schon mit beinahe jeder Band auf der Bühne.
   

E wie Erfolgsleiter im Radio

Hat in ungeordneter Reihenfolge diese Sprossen: Studiogast bei M94,5, von Puls als „Bayerische Band der Woche“ betitelt und zum Puls-Festival eingeladen werden und im Zündfunk laufen.
 

F wie Flurfunk

Die schönsten Geschichten aus Münchens Indie-Vergangenheit sind die, die als Legenden über jeden Tresen wandern: Pete Doherty soll zum Beispiel nach einem Libertines-Konzert im Atomic Café mit einer unbekannten Schwabingerin die Nacht verbracht haben. Das heißt: fast. Angeblich erdreistete sie sich nämlich, eine Suede-Platte aufzulegen. Das war Doherty zu viel. Man berichtet jedenfalls, er habe sich nicht einmal mehr die Zeit genommen, vor der Flucht Klamotten anzuziehen. Stattdessen soll er halb nackt mit einem geklauten Fahrrad zum Bandbus zurückgeradelt sein.
 

G wie Glockenbachwerkstatt

Geburtsort unzähliger Bands aus München. Für Musiker von außerhalb oft die erste Anlaufstelle. Außerdem vermietet die Glockenbachwerkstatt im Keller mehrere Proberäume (-> Proberaumengpass).
 

H wie Hauskonzerte

Vielleicht einfach eine – bei weitem nicht komplette – Liste: Tom Odell, Angus & Julia Stone, Gary Clark Jr., Fink, Junip, Boy, Gregory Alan Isakov, Gisbert zu Knyphausen, I Am Kloot, Wallis Bird und natürlich viele Münchner wie Rosalie und Wanda, Soki Green oder Dobré. Tobias Tzschaschel und Stefan Zinsbacher, die Macher von Hauskonzerte.com, haben seit Mai 2010 mehr wichtige Musik auf Münchner Dachböden, in Backstageräumen oder Parks gefilmt als jeder andere.
 

I wie Institutionen der Indie-Kultur

Das Backstage zieht gefühlt alle fünf Jahre eine S-Bahn-Station weiter raus, sieht dort aber genauso aus wie vorher. Das Feierwerk ist zwar größer geworden, aber verändert hat es sich nicht. Genauso wie das Atomic Café, das seit 1997 Generationen von Münchnern beim Erwachsenwerden hilft. Und auch, wenn jede Studentengeneration das Gegenteil behauptet: Das Substanz verändert sich eben nicht zum Schlechteren. Allein schon, weil es sich ja überhaupt nicht verändert. Aber manchen Institutionen hilft am Ende nicht einmal die eigene Legende: Im Dezember ist es – laut Website – endgültig vorbei mit dem Atomic Café. Zum Glück altert die Milla schon zur neuen Institution.
 

J wie Japan-Connection

Die Japan-Connection war lange Zeit nur eine Wirtschaft in Haidhausen: das No-Mi-Ya nämlich. Im Volksmund „Bayerischer Japaner“ genannt. Doch die japanischen Köche dort infiltrierten mit der Zeit die Münchner Musikszene: Coconami machen wirr-reizende Ukulelen-Musik mit Gstanzln vom Kraudn Sepp (-> Bajuwarisierung), die Sasebo-Haudegen dagegen Blues mit Urschrei-therapeutischen Ansätzen. Und für den Hausgebrauch gibt es einmal im Jahr die Japandult in der Glockenbachwerkstatt.
 

K wie Kunstakademie

Aus dem Umfeld der Kunstakademie kommen einige der bekanntesten Münchner Bands: Chicks on Speed haben sich dort gefunden, genauso wie Teile von FSK. Letztere sind in München so etwas wie die Ursuppe aller Indie-Bands. Sie haben schon in den Achtzigerjahren gemacht, worauf andere Musiker voraussichtlich im Jahr 2024 stoßen werden. Andere Kunstakademie-Absolventen: Hellfire, Damenkapelle, Rumpeln.
 

L wie Label-Koeffizient

Münchner Bands in stilistische Gruppen unterteilen: schwer. Schon eher gliedert sich die Szene nach der Label-Zugehörigkeit ihrer Künstler. Die Redwinetunes-Ecke, in der Cat Sun Flower und Triska für ihren Rotwein-Pop für Erwachsene stehen. Dann freilich Gutfeeling Records. Andreas Staebler vereint unter diesem Label-Namen seine diversen G.Rag-Inkarnationen. Bei Flowerstreet Records besteht die Label-Familie aus Musikern wie Elektrik Kezy Mezy, Amadeus oder Exclusive. Weil die Arbeit der Indie-Labels hier so gut ist, gilt allerdings auch:

M wie Major-Mekka

Kaum eine Major-Plattenfirma, die im Moment nicht nach Münchner Acts schürft. Claire, MarieMarie und Jesper Munk sind nur ein paar der Künstler, die zuletzt von einem Major gesignt wurden.
 

N wie New Weird Bavaria

Genrebezeichnung, mit der ursprünglich Flo Kreier sein Soloprojekt Angela Aux betitelt hat. Wurde später von Medien auch für Bands wie Aloa Input, The Dope oder GEF benutzt. Stilistisch ist der Begriff offen: New Weird Bavaria steht weniger für eine einheitliche Klangästhetik, sondern vielmehr für eine Musikergeneration, die anspruchsvolle Popmusik mit viel Klangexperiment verbindet.
 

O wie „Oh, da spielt der auch noch mit?“-Phänomen

Erkenntnis, die Besucher von Münchner Indie-Konzerten besonders häufig trifft: Selten sind nämlich einzelne Musiker Mitglied in so vielen verschiedenen Bands. Beispiele? Cico Beck alias Joasihno ist nicht nur Teil von Aloa Input, sondern auch Schlagzeuger bei You and your dead metal friend. Zu denen wiederum gehört neben Markus Acher (The Notwist, Lali Puna, Tied & Tickled Trio) auch Anton Kaun, der als Rumpeln noisige Soundcollagen heraufbeschwört. Und so weiter.

P wie Proberaumengpass

In München erwartungsgemäß besonders verbreitetes Problem: Wenn Menschen sich das Wohnen schon nicht leisten können, können Indie-Musiker das zusätzliche Proben mit den Eckdaten „laut, 24/7 und vielleicht sogar so trocken, dass die Instrumente erst in der zweiten Woche rosten“ erst recht nicht bezahlen. „Wir brauchen mehr bezahlbare Übungsräume für Bands“, hatte Oberbürgermeister Dieter Reiter auf dieser Seite vor der Wahl gesagt. Erster Schritt: fünf Ateliers am Domagkpark werden als Proberäume vergeben. Ist also schon noch Luft nach oben.
 

Q wie Queerbeat

Das Konzert-Angebot in München wäre ärmer ohne Thomas Lechner und seine Booking-Agentur Queerbeat. Über die Jahre hat er quasi alle wichtigen Festivals der Stadt betreut. Mittlerweile berät er Musiker bei der Fachstelle Pop im Feierwerk.
 

R wie Riot Grrrl

Feministische Punk-Bewegung, entstanden vor etwa 25 Jahren in Olympia (Washington). Mit scharf angedengelten E-Gitarren stellt man sich gegen die Sprecherposition des weißen, heterosexuellen Mannes in der Rockmusik. Hauptvertreter in München: Candelilla.

S wie Sozialisierung, lokale

Übernehmen zum einen natürlich die Münchner Radios (-> Erfolgsleiter im Radio). Zumindest gefühlt mehr als anderswo aber auch die Plattenläden. Viele haben eine exzellente eigene Abteilung für lokale Künstler.
 

T wie Theatron

Nur eines der Festivals, die jedes Jahr in München stattfinden. Wichtig auch: Free&Easy, Digitalanalog, Puch Open Air, The Sound of Munich Now von der SZ und das Puls Festival in den Funksälen des BR.
 

U wie Uphon Studio

Wilzhofen ist nicht München, schon klar. Aber von außerhalb des MVG-Netzes diffundiert im Allgemeinen ja schon viel herein. Und wenn ein Studio Münchens Indie-Sound geprägt hat, dann Mario Thalers inzwischen leider geräumter Flachbau im Nirgendwo kurz vor Weilheim. Auch, weil The Notwist ihr Album „Neon Golden“ im Uphon Studio aufgenommen haben.

V wie Vermieter

In München noch mehr als in anderen Städten natürlicher Feind des Indie-Musikers (-> Proberaumengpass).
 

W wie Wagner, Dirk +1

Nein, es kann nicht anders sein: Es muss mehrere Dirk Wagners geben. Der Musikkritiker (auch der SZ) und Radiomoderator besucht nämlich ausnahmslos alle Konzerte der Stadt – obwohl er zeitgleich ja auch immer in der Favorit Bar steht. Mit dem Zusatz „+1“ haben es die vielen Dirks sogar in die -> City of Pop geschafft.
 

X wie XTC

Wirft sich vielleicht die Musikerschaft in Berlin oder London ein. In München ist die Szene im Mittel auffallend brav. Man hält sich eher an Zigaretten (tendenziell selbstgedreht) und Augustiner.
 

Y wie You and your dead metal friend

Krachige Experimentalband, die beispielhaft für das -> „Oh, da spielt der auch noch mit“-Phänomen steht.
 

Z wie zusätzlich

Das Do-It-Yourself-Prinzip ist einigen München sehr wichtig. Bernd Hofmann etwa druckt für die Veröffentlichungen auf seinem Label Red Can Records eigens gestaltete Siebdruckcover. Limitierte Postereditionen gibt’s auch. Selbstveröffentlichte Gedichtbände und Konzertmitschnitte auf Kassette liegen wiederum bei Candelilla (-> Riot Grrrl) auf dem Merch-Tisch.

Text: josef-wirnshofer - christina-waechter, jakob-biazza; Illustration: daniela-rudolf

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