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Auch das ist München!

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Loomit steht im Treppenhaus vom Stadtmuseum und betrachtet sein Werk. Es ist eine wilde Mischung aus Weltkarte, Lederhose, grüner Breze, Münchner Kindl und einer Anspielung auf die Ziegelherstellung in der Renaissance, die der bekannteste Münchner Graffiti-Künstler da an die Wand gemalt hat. Drei Nächte lang hat er nach Besucherschluss daran gearbeitet. Jetzt ist er fertig. Im Raum nebenan liegen zwei Sprayer am Boden und tragen mit Schablonen einen Engel und eine Feldkanone auf einen Sockel auf.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das alles ist keineswegs spontan oder illegal, sondern passiert vor den Augen von Ursula Eymold, der Leiterin der Sammlung Stadtkultur im Stadtmuseum. Noch sieht es hier aus wie auf einer Baustelle. Bis zur Ausstellungseröffnung am Freitag haben die zwölf Studenten aus dem Studiengang Volkskunde/Europäische Ethnologie an der LMU noch viel zu tun. Seit einem Jahr arbeiten sie an ihrem Projekt „MEIN München!“. 13 „Interventionen“ haben sie gestaltet, 13 Einsprüche gegen das, was in der historischen Dauerausstellung „Typisch München!“ zu sehen ist. Zwischen die Gemälde, Fotografien und Skulpturen, die die Geschichte Münchens abbilden, haben sie Graffitis, Demo-Transparente und BISS-Zeitungen gebracht. Den katholischen Hausaltar aus dem Mittelalter durchbrechen sie mit einem Koran, das mittelalterliche Gewölbe mit Glockenspiel und Schäfflertanz mit Traversen, Technomusik und Registratur-Plakaten und das Bild vom historischen Metzgersprung mit Stage-Diving-Fotos.

Das Projekt, eine Kooperation von Stadtmuseum und LMU, ist in einem Seminar entstanden. Ursula Eymold, die an der LMU unterrichtet, nahm ihre Studenten an den ersten Seminarterminen immer wieder mit in die historische Ausstellung. Jeder hatte ein anderes Thema, zu dem er seine Erfahrung und Meinung ausdrücken wollte. „Für jeden macht die Stadt etwas anderes aus, das wollten wir ins Museum bringen und ein moderneres Bild erzeugen“, erzählt Carina Schuwerk, 25.

Zwei Semester lang haben sie in wöchentlichen Treffen und mehreren Blockseminaren diese Themen ausgearbeitet. Entstanden sind daraus Stationen mit Street Art, der Skaterkultur oder der Homosexuellenszene, die sich über drei Stockwerke verteilen und immer genau am richtigen Ort stehen. Zwischen den alten Flügeln des Friedensengels und dem Bild der „jubelnden Massen am Odeonsplatz“ zu Kriegsbeginn 1914 hat Katharina Hildebrand, 24, Protestfiguren von den Demos gegen die Sicherheitskonferenz in diesem Jahr aufgestellt. „Da kommt noch ein Schild mit der Aufschrift ‚Nicht in unserem Namen’ hin, das fasst meine Intervention ganz gut zusammen: Protest in München. Und Lautsprecher“, sagt Katharina. Sie hat selbst jeden Tag mitdemonstriert und mit den Leuten über ihre Transparente gesprochen, O-Töne aufgenommen und Fotos gemacht. „In diesem Jahr waren besonders viele kreative Bastelarbeiten, Kostüme und Musikgruppen dabei, das wollte ich ins Museum bringen, und zwar so, dass man die Parolen und die Musik auch hören kann“, sagt sie. Noch stehen hier allerdings nur die Figuren.

Auch Carinas Station kann man sich bisher nur vorstellen. Bis jetzt klebt dort nur eine kleine Stadtkarte auf einer Holzverkleidung. Carinas Thema ist die Mobilität. Sie hat vier Münchner mit einer GoPro-Kamera auf dem Kopf auf ihre Arbeitswege geschickt. Herausgekommen sind dabei sehr persönliche Stadtbilder, weil die Orte, an denen sie vorbeikommen, immer mit persönlichen oder historischen Erinnerungen verknüpft sind. „Da merkt man erst, welchen Unterschied es macht, mit welchem Verkehrsmittel ich mich bewege. Wenn ich zu Fuß gehe, sehe ich ganz andere Dinge als im Auto, wenn ich nur auf die Rücklichter achte,“ sagt Carina.

Wesentlich entspannter als Katharina und Carina kann dagegen Irena Ruseva, 27, sein. Ihre Station, die Street Art, ist fast fertig. Sie hat sich Orte in der historischen Ausstellung ausgesucht und von Straßenkünstlern gestalten lassen. Gleich am Eingang hat die „Strick-Guerilla“ am Schwert der Statue von Stadtgründer Heinrich dem Löwen weitergestrickt. Neben eine Rüstung haben sie einen gestrickten Brustpanzer aus pinkfarbener Wolle gelegt, in einer heute realistischen Größe, neben der das historische Stück wie eine Kindergröße aussieht. Im Zeughaus, in dem früher Waffen gelagert wurden, machen zwei Künstler gerade ein Schablonen-Graffiti fertig. Passend zur Umgebung sind es ein Engel und eine Feldkanone. Loomit hat das Treppenhaus verschönert und die Graffittisprayer Z-ROK und Flin haben die Wand um die hinterleuchtete Repro der Canaletto-Ansicht von München aus dem 18. Jahrhundert angemalt. Statt auf Brücken und Trafohäuschen reagieren die Street-Art-Künstler hier auf ein Gemälde. „Die Auseinandersetzung von Street Art mit der Umwelt, das wollten wir ins Museum holen“, sagt Ursula Eymold. Darum werden Z-ROK und Flin nach der Ausstellungseröffnung daran weiterarbeiten, vor den Augen der Museumsbesucher.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



„MEIN München!“ war als Störer der historischen Ausstellung gedacht, geworden ist es mehr eine Ergänzung. Die Interventionen der Studenten zeichnen ein aktuelles Münchenbild und das ohne Altbekanntes, Klischeehaftes wie den Viktualienmarkt und das Oktoberfest. Stattdessen geht es um wilde Siedler am Stadtrand, Obdachlose und den Löwen Club, den ersten schwulen Leder- und Fetischverein in München.

Wenige Tage vor der Ausstellungseröffnung ist den Studenten die Anspannung anzumerken. „Wir haben so viel Arbeit reingesteckt, aber fast bis zum Schluss wissen wir nicht, wie alles wirklich aussehen wird“, sagt Katharina. Gerade ist sie fast jeden Tag im Stadtmuseum und lässt deshalb die eine oder andere Vorlesung auch ausfallen. Für Volkskundler ist das Museum ein typischer Arbeitsplatz, darum ist sie froh über diese Chance – und auch, weil die Studenten ihre Vorstellung von einem modernen Museum einbringen durften. Dafür haben sie Videos gedreht, Stadtgeräusche aufgenommen und in einer „HörBar“ den Münchner Soundtrack gesammelt: Musik von Münchnern und solche, die in der Stadt produziert wurde. Da geht es zwar nicht ganz ohne Klischee, der „Wagen von der Linie 8“ von Weiß Ferdl ist dabei und auch Donna Summers „Love to love you baby“. Aber das ist nicht so schlimm.

„MEIN München!“ ist von 16. November 2012 bis 12. Mai 2013 im Münchner Stadtmuseum (St.-Jakobs-Platz 1) zu sehen. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen. Führungstermine (u.a. am 25. und 28.11.) und Events werden auf der Facebook-Seite der Ausstellung veröffentlicht.

Text: kathrin-hollmer - Fotos: Juri Gottschall

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