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An Wagen wie diesen
Die Schwabinger Mutter
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das fährt sie: Einen SUV, in dem sie sehr elegant, wenn auch etwas verloren aussieht. Ob es ein so großes Auto in der Stadt braucht? Also bitte! Die Kinder müssen sicher transportiert werden, am Kurfürstenplatz ist es schnell sehr matschig und vom Luitpoldhügel kommt leicht mal eine Gerölllawine runter. Auf der Heckscheibe des Autos: Sticker mit den Namen der Kinder, in den vergangenen Jahren wieder verstärkt Leopold, Ludwig oder Klara.
So sieht man sie: Meist in den Nebenstraßen, in denen die Gymnasien oder Kindertagesstätten sowie Tanz- und Musikschulen der Kinder liegen. Im Auto: Kindersitz, Kinderwagen und eine Sonnenblende mit Disney-Motiv im Fenster. Dazu je nach Begabung von Leopold, Ludwig, Klara Musikinstrumente (mit Glück: Geige; mit Pech: Cello; mit viel Pech: Vibrafon) oder Sportausrüstung (mit Glück: Ballett; mit Pech: Golf; mit viel Pech: Motocross). Dazwischen die Besorgungen des Tages: kein Bier, Ingwer, ein Monatsvorrat Quinoa und viel stilles Wasser in Glasflaschen.
Wenn die Polizei sie anhält . . .
. . . überlegt der Beamte kurz, mit ihr zu flirten, sieht dann aber den Ehering. Also holt er sich ein paar Ernährungstipps und lässt sich erklären, was dieses Quinoa ist. Und die Kinder auf der Rückbank sind ja auch so lieb, mei, „Hallo“ und„Griaß eich!“
Und dann . . .
. . . hat er völlig vergessen, warum er sie angehalten hat.
Die Tram nimmt sie nur, wenn . . .
. . . es gar nicht anders geht. Mit der Tram hat sie gebrochen, seit sie einmal mit dem Kinderwagen einsteigen musste, um die Oma in der Au zu besuchen. Das Kleine hat die ganze Strecke vom Sendlinger Tor bis zum Mariahilfplatz durchgeweint, weil’s in der 17 so gedrängt war, und die Tram in der Müllerstraße permanent rumgeklingelt und es damit geweckt hat.
Das macht sie, wenn sie plötzlich ein Radler kreuzt:
Sie kriegt einen Schreck, weil sie im Kopf gerade die ganzen Besorgungen des Tages durchgegangen ist und dabei gemerkt hat, dass das Tönungsshampoo fehlt. Sie schüttelt verständnislos ihre naturblonde Mähne und fährt dann – energisch – wieder an.
>>> "Mietpreisbremse, my Ass!" - Der Geschäftsmann
Der Geschäftsmann
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das fährt er: Einen Dienstwagen – schick, dunkel, Audi, silbergerahmte Fenstereinfassungen, auswertiges Kennzeichen (S, B, HH, Ritterschlag: F). Meist telefoniert er über die Freisprecheinrichtung. Des Lippenlesens mächtige Menschen können die Fetzen „consulting“, „Mietpreisbremse my ass“ und „mia san mia“ erkennen.
So sieht man ihn: Vor allem zu Stoßzeiten. An hohen Feiertagen (Weihnachten, Valentinstag) fährt er zum Geschenke-Kaufen in die Maximilianstraße und ist jedes Mal erstaunt, dass er dort nichts für seinen vierjährigen Sohn findet. Im Auto: nichts, außer einer Aktentasche. Vor wichtigen Terminen hängt ein zweiter tadelloser Anzug im rechten hinteren Fenster. Am stark taillierten Schnitt erkennt man, dass es sich bei dem Fahrer tatsächlich um einen Geschäftsmann und nicht etwa einen CSU-Abgeordneten handelt.
Wenn die Polizei ihn anhält . . .
. . . hebt er mahnend den Zeigefinger, um zu signalisieren, dass das Gespräch, das er gerade führt, wichtig ist – und durchaus noch dauern wird. Während die Polizisten die ohne Blickkontakt herausgereichten Papiere anschauen, fallen Sätze wie: „Natürlich wird das Bauland.“ Und: „Ja, das ist mit Horst abgeklärt.“
Und dann . . .
. . . darf er einfach weiterfahren. Im Dunkeln war für die Beamten nicht klar zu erkennen, wie tailliert der Anzug im hinteren Fenster ist, und ob man nicht doch einen CSU-Abgeordneten vor sich hatte.
Die Tram nimmt er nur, wenn . . .
. . . er ausländischen Geschäftspartnern ein authentisches München-Erlebnis bescheren will. Dann versucht er, mit einem Hunderter eine Streifenkarte zu ziehen. Wieder in ihrer Heimat erzählen die Gäste begeistert, dass man in München für die Öffentlichen nicht zahlen muss.
Das macht er, wenn ihn plötzlich ein Radler kreuzt:
Er lässt es zurückgehen, weil er ja einen verdammten Martini bestellt hat.
>>> Auf dem Rücksitz immer eine Tasche mit Dreckwäsche: Der Student aus dem Umland
Der Student aus dem Umland
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das fährt er: Meistens einen Golf oder einen anderen Kleinwagen, den er zum achtzehnten Geburtstag bekommen hat. Gebraucht. Auf dem Nummernschild steht FS oder MB oder TS, dahinter lassen zwei Buchstaben auf die Initialen des Fahrers schließen, gefolgt von einer zweistelligen Zahl, die in den vergangenen Jahren in die hohen Neunziger geklettert ist, wodurch man selbst sich sehr alt vorkommt. Deshalb, und weil in der Heckscheibe tatsächlich „Abi ’14“ steht.
So sieht man ihn: Vor allem am Freitagnachmittag und dann vor allem auf dem Mittleren Ring in Richtung Süden beziehungsweise schon auf der Salzburger oder der Garmischer Autobahn. Auf dem Rücksitz: immer eine Sporttasche mit Dreckwäsche. Und meistens ein Kasten Bier, von dem niemand mehr weiß, wo er herkommt und warum man ihn nicht einfach mal in den Getränkemarkt (des Heimatortes) bringt.
Wenn die Polizei ihn anhält . . .
. . . gibt es das ganze Programm: Er muss aussteigen, man leuchtet ihm mit einer Taschenlampe in die Pupillen, er muss mit geschlossenen Augen mit dem Zeigefinger seine Nasenspitze treffen. Dann auf einem Bein das Alphabet rückwärts aufsagen. Weil er – wie jeder – nur bis „x“ kommt, wird sehr lange über einen Urintest diskutiert . . .
. . . und dann . . .
. . . wird er aus Kostengründen doch nicht gemacht. Der Student verabschiedet sich also mit einem erhobenen Daumen von den Beamten, atmet tief ein, parkt, kramt das Gras zwischen den Wäschebergen hervor, dreht sich einen, und atmet noch mal tief ein.
Die Tram nimmt er nur, wenn . . .
. . . das Wetter unter der Woche sehr schlecht ist und die U-Bahn, deren Fahrplan er inzwischen endlich versteht, nicht fährt.
Das macht er, wenn ihn plötzlich ein Radler kreuzt:
Er wundert sich, was der auf dem Mittleren Ring zu suchen hat. Dann grüßt er freundlich. Schließlich ist er an fünf Tagen in der Woche selbst ein die Verkehrsregeln sehr frei interpretierender Radler.
>>> Hübsch und frech: das Mini-Girl
Das Mini-Girl
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das fährt es: Einen Mini (schwarz oder grün-metallic), seltener einen Smart. Einfach, weil der hübsch und frech ist, genauso wie das Mädchen selbst. Und für den Stadtverkehr reicht so ein Auto ja eigentlich auch total. Das Mini-Girl kann außerhalb des Autos grundsätzlich alles machen – Jura studieren oder Medizin, bei Cos an der Kasse arbeiten oder CEO in einer Werbeagentur sein – innerhalb des Wagens bekommt es aber sofort eine Aura voll von Lipgloss und Katy-Perry-Hits, bei der das Hirn des Betrachters unweigerlich Sonnenbrille, Handy am Ohr und irgendeinen Armreif (Gold und/oder Glitzer) dazurechnet.
So sieht man es: Hauptsächlich in der Nähe von Fitnessstudios oder der Uni. Manchmal aber auch zum Shoppen in einer der Boutiquenstraßen in der Innenstadt. Das allerdings nur, wenn der Freund sich weigert, mit dem dunklen Audi-Dienstwagen in die Maximiliansstraße zu fahren: „Beim letzten Mal musste ich in zweiter Reihe parken und dann hat diese Trambahn minutenlang gebimmelt, weil sie nicht vorbeigekommen ist. Das mache ich in diesem Jahr nicht mehr mit!“ Im Auto: Alles, was sich auch in einer wohlsortierten Wohnung findet. Alles!
Wenn die Polizei es anhält . . .
. . . zupft es nervös am kleinen Finger und verspricht zerknirscht, die Musik in Zukunft etwas leiser zu machen und „wirklich, wirklich nie wieder am Steuer zu telefonieren“.
Und dann . . .
. . . bekommt es trotzdem einen Bußgeldbescheid. Einfach so. Hätte man nicht gedacht, gell?
Die Tram nimmt es nur, wenn . . .
. . . es abends noch was trinken will und danach wirklich überhaupt gar nicht mehr fahren können möchte. Aber es tut jedes Mal weh.
Das macht es, wenn es plötzlich ein Radler kreuzt:
Es nutzt die entstehende Pause, um sich mit Blick in den Rückspiegel die Strähne aus der Stirn zu streichen, woraufhin der Fahrradfahrer beinahe ohne Fremdeinwirkung vom Sattel fällt.
>>> "Eindeutig kirschgrün, die Ampel!" - Der urbayerische Taxler
Der urbayerische Taxifahrer
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Das fährt er: Der urbayerische Taxifahrer fährt, natürlich . . . Mercedes – stets ausgestattet mit Ledersitzen und -geruch. Er hat aus Lokalpatriotismus auch mal eine Saison lang BMW probiert, aber der hat nicht die Laufruhe, die es braucht. Und beim Thema Fahrgefühl ist ihm das Hemd dann doch näher als die Hose.
So sieht man ihn: Überall. Wo genau, entscheidet der Fahrgast, hat dabei aber mit einigen Einschränkungen zu rechnen. Natürlich würde es einem Taxler mit Ehre nie einfallen, einen Umweg zu fahren, aber die Strecke mit den vielen roten Ampeln ist schon öfter mal dabei. Am Ende kommt man trotzdem immer wohlbehalten und irgendwie versöhnt am Zielort an. Im Auto: Kein Navi! Ein Münchner kennt sich aus in München. Er kennt jede Straße seiner Stadt wie die Tasche seiner abgetragenen Lederweste. Er ist eins mit ihr. Er ist die Stadt. Technik hat er noch nie gebraucht, und wenn ihm tatsächlich mal spontan eine Adresse entfällt, dann wird ein Kollege angefunkt, bei dem er sich in gutturalen und Brummlauten und damit für den Fahrgast nicht nachvollziehbar die benötigte Information holt.
Die Tram nimmt er nur, wenn . . .
So weit kommt’s noch!
Das macht er, wenn ihn plötzlich ein Radler kreuzt:
Er schnauzt ihn an, gibt im Leerlauf einige Male Gas und schüttelt verständnislos den Kopf. Je nach Charakter des beteiligten Radlers kann es zu minutenlangen, rhetorisch einwandfreien Wortduellen kommen, in denen erörtert wird, ob Taxifahrer oder Radler grundsätzlich die größeren Deppen sind.
Wenn die Polizei ihn anhält . . .
. . . sagt er, sehr laut, die Ampel sei doch wohl „eindeutig kirschgrün“ gewesen. Aber selbst wenn: So spät nachts interessiere das doch wohl eh keine alte Sau mehr. Und warum sie nicht einfach weiter ihre Leberkässemmeln fressen würden und ihn in Ruhe seinen Job machen ließen?!
Und dann . . .
. . . nimmt er doch mal die Tram.
Text: jetzt-redaktion - Illustration: katharina-bitzl