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Die Duftmarke

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Der alte Deoroller lag ganz unten in einem Schrank meiner Eltern. Das grünliche Gel war fast aufgebraucht, aber es roch wie früher: herb, moschushaft männlich, viel zu alt für einen 16-Jährigen.   So alt war ich, als ich das Deo bekam, vor 13 Jahren. Damals lebte ich einen Sommer lang in Kanada, Schüleraustausch. Zur Begrüßung hatte meine Gastmutter mir ein Päckchen hingestellt – mit Zahnpasta, Shampoo, ein paar Socken und eben dem Deo.   Und nun, 13 Jahre später, roch ich daran und stand plötzlich gut 8000 Kilometer entfernt, in einem Zimmer mit knöcheltiefem Teppichboden an der Westküste von Kanada. Ich roch das moschushafte Aroma und fühlte gleichzeitig den kühlen Duft des Pazifik draußen, den ungewohnten Geruch nach Waffeln in der Küche. Ich spürte meine Aufregung von damals, die Unsicherheit, die Spannung. Ich stand mit dem Deoroller an der Nase vor dem Schrank meiner Eltern und hatte gerade – doch, wirklich! – eine Zeitreise gemacht.   Ist ja eine beliebte Smalltalk-Floskel: Unser Hirn speichert Gerüche viel besser als Bilder. Wenn man nach dem Urlaub den Koffer öffnet und den Duft von Pinienwäldern in der Nase hat, wenn man sich die Sonnencreme aus dem letzten Sommer auf die Handfläche drückt – ein Duft schickt einen sofort wieder dorthin zurück, wo man ihn zuletzt gerochen hat. Gedächtnisforscher bestätigen das.  

Das Deo benutzte ich ein halbes Jahr lang und danach nie wieder. Ich mochte den Duft ja eigentlich nicht. Ohne es zu wissen, hatte ich es damit genau richtig gemacht. Denn die Erinnerung an die Zeit in Kanada ist in diesem Deoroller eingeschlossen wie in einer Zeitkapsel.   Der Effekt mit der Duft-Erinnerung verjährt nicht. Er muss nur klar genug definiert sein. Den Duft von Pinienwäldern zum Beispiel kennt mein Gedächtnis von mindestens zehn Sommerurlauben am Mittelmeer. Da entsteht nur noch ein unklares Bild, ein Gemisch aus einem Dutzend Reisen. Das Deo aber gab es nur damals in Kanada. Sein Duft ist mit einer klar umrissenen Erinnerung verknüpft.   Die Fotos aus der Zeit in Kanada habe ich fast alle verloren. Schade. Aber eigentlich auch eine gute Gelegenheit, mal über den Sinn von Fotos nachzudenken. Wäre es nicht viel besser, grundsätzlich Düfte als Speichermedium für wichtige Erinnerungen zu nutzen? Man müsste es nur ganz bewusst planen. Also: Vor einer großen Reise ein neues, speziell riechendes Stück Kernseife besorgen und unterwegs nur diese Seife benutzen. Während eines Umzugs, nach einem Jobwechsel oder einer Trennung ein paar Wochen ein bestimmtes neues Parfum verwenden oder ein neues Waschmittel. Danach einen kleinen Rest davon aufheben – und wieder zurück zum üblichen Duft gehen.   Man müsste nur rechtzeitig daran denken, so wie man früher einen neuen Film in die Kamera einlegte, bevor man in Urlaub fuhr. Kaum Aufwand. Aber eine tausendmal bessere Art, private Erinnerungen zu konservieren – farbiger, subjektiver, intensiver, sozusagen in 4-D! Und nebenbei auch perfekt verschlüsselt: Denn für jeden anderen wäre die Erinnerungskapsel ja nur ein Stück Seife, ein halbleerer Duftflakon. Oder ein alter Deoroller, der viel zu moschushaft für einen 16-Jährigen riecht – aber ein Leben lang eine Zeitmaschine sein wird.Text: jan-stremmel - Illustration: Katharina Bitzl

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