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Aufklären, nicht verteufeln

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Die Festivalsaison geht los. Und auf ein Festival sollte man gut vorbereitet sein. Dabei helfen zum Beispiel die Drug Scouts aus Leipzig. Sie beraten Menschen auf Festivals zum Thema Drogenkonsum und stehen ihnen auch währenddessen bei. Die Drug Scouts sind bekannt für ihre Nähe zur Party-Szene und für das Vertrauen, das man dort in sie hat. Ein Gespräch mit Drug-Scout Antje Kettner über ihre andere Art der Präventionsarbeit.

Jetzt.de: In einem Image-Film auf eurer Homepage werbt ihr mit „Tanzen. Party. Rausch... aber sicher!“. Kann es überhaupt sicher sein, Drogen zu nehmen?
Antje Kettner: Nein. Da geht es eher darum, Leute dazu zu animieren, darüber nachzudenken, was sie tun und trotzdem Infos an die Hand zu geben. Darüber zu sprechen, wie man die Risiken reduzieren kann. Beim Rausch geht es natürlich auch darum, gerade nicht alles unter Kontrolle zu haben.  

Euer Slogan ist „Informationen statt Vorurteile“. Findet ihr, dass immer noch zu wenig aufgeklärt wird?
Es gibt ja tatsächlich relativ viel Aufklärung über ganz unterschiedliche Kanäle. Aber ich denke schon, dass da noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist.  

Was macht euren Umgang mit dem Thema so besonders?
Uns zeichnet vielleicht aus, dass wir selbst aus dem Party-Kontext kommen und zu den Leuten auf Partys und den VeranstalterInnen eine echte Verbindung haben. Deshalb glaube ich, dass wir Leute anders ansprechen können. Weil es da eine Akzeptanz und Wertschätzung auf beiden Seiten gibt. Das ist immer eine gute Grundlage, um offen über schwierige Themen zu sprechen. Wir wollen die Leute ernst nehmen!  

Wie sieht eure Arbeit auf Festivals aus?
Wir haben dort einen Raum oder eine Hütte, in der Leute Fragen stellen können oder Infos und Safer-Use-Materialien abholen können. Und mit der wir vor allem einen Raum bieten, an dem sie sich ausruhen können und im Ernstfall betreut werden.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Ein Van der Drug Scouts im Einsatz

Wird euch manchmal zum Vorwurf gemacht, dass ihr Menschen zum Drogenkonsum anregt?
Den Vorwurf wird es wohl immer geben. Aber es gibt nun mal junge Menschen, die sich für den Drogenkonsum entscheiden und wir wollen, dass sie diese Entscheidungen bewusst treffen. Sie sollen wissen, was sie tun.

Gibt es auch Drogen, von denen ihr prinzipiell abraten würdet?
Sagen wir mal so: es gibt natürlich Drogen, die mit höheren Risiken verbunden sind. Ganz klar. Aber grundsätzlich muss man dabei immer gucken, in welchem Kontext überhaupt konsumiert wird. Wie sind die Konsummuster? Welcher Zweck steckt hinter dem Konsum? Nur dann kann man im Einzelfall bei einer Entscheidung behilflich sein. Pauschal zu sagen: „Das ist Teufelszeug“ finde ich sehr schwierig.  

Warum?
Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist Alkohol ziemlich weit vorne, was Gesundheitsschäden angeht. Und trotzdem konsumieren das viele.  

Vor kurzem habt ihr auf eurer Internetseite vor Räuchermischungen gewarnt, die zu den sogenannten Legal Highs gehören, also Rauschmitteln, die als legal gelten. Was ist daran so gefährlich?
Das Problem ist vor allem, dass man da nicht weiß, was man konsumiert. Auch die Bezeichnung irritiert, weil sie suggeriert: das ist legal, das ist ok. Da wiegen sich die Leute dann in Sicherheit. Dabei ändern sich die Wirkungen schnell und sind nicht gut abzusehen. Das ist schon was anderes als bei den etablierten Party-Drogen. In den Räuchermischungen sind unglaublich viele verschiedene Substanzen enthalten. Da fehlen die Erfahrungswerte. Da gibt es krasse Nebenwirkungen und unerwartete Schwierigkeiten beim Runterkommen. Die Leute rechnen oft nicht damit, mit Legal Highs so extreme Erfahrungen zu machen.  

Und wie sähe sicherer Konsum aus?
Erstmal sollte man Bescheid wissen, wie Substanzen überhaupt wirken und vor allem auch wie die Wechselwirkungen genau ablaufen. Meistens liegt ja ein Mischkonsum vor. Die Person, die konsumiert, sollte sich auch bewusst darüber sein, in welcher Verfassung sie gerade ist. Viele Substanzen verstärken ja die aktuelle Verfassung. Und man sollte sich den Kontext klar machen: Was ist das für ein Ort, an dem ich bin? Wie sind die Leute? Das geht natürlich auch die Leute mit an, die Clubs betreiben oder Festivals organisieren.  

Und was können die zum Beispiel tun?
Zum Beispiel Orte schaffen, an denen man sich zurückziehen und auch mal ausruhen kann. Es tut den Leuten sehr gut, wenn sie die Möglichkeit haben, eine kurze Pause zu machen, Wasser zu trinken, was zu essen. Außerdem sollte es eine breitere Verantwortung unter Partygästen geben, damit man sich auch umeinander kümmert, wenn es jemand anderem schlecht geht.  

Wie steht es um das Bewusstsein in der Party-Szene um diese Dinge?
Das ist ganz unterschiedlich, je nach Partyszene. Manchen Party-Crews ist die Achtsamkeit inzwischen sehr wichtig. Es gibt aber auch Clubs oder Partys, auf denen alles wild durcheinander genommen wird. Grundsätzlich haben die Leute mit uns und unserem Angebot wenig Berührungsängste.  

Es nehmen immer noch viele Menschen Crystal Meth im Partykontext, obwohl vor den körperlichen Folgen und der schnellen Abhängigkeit überall gewarnt wird. Was beobachtet ihr da?
Es gibt auf jeden Fall inzwischen Partyszenen, die sich von Crystal distanzieren. In andere ist es immer noch integriert. Und die Substanz erfüllt ja auch gewisse Erwartungen hervorragend. Also, man kann zum Beispiel lange durchhalten.  

Hat der mediale Diskurs über eine Droge wie Crystal überhaupt Einfluss auf die Partyszene? Naja, das, was in den Medien berichtet wird, stimmt nicht immer mit den praktischen Erfahrungen der Konsumenten überein. Es gibt Leute, die Crystal über einen langen Zeitraum konsumieren, ohne dass man es ihnen ansieht. Weil die sehr auf sich achten. Man darf sich das nicht so schwarz-weiß vorstellen: Eine Studie vom Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) hat gezeigt, dass es sehr unterschiedliche User-Gruppen gibt, die zu verschiedenen Zwecken Crystal konsumieren. Aber es ist natürlich klar, dass es bei Crystal ein höheres Risiko gibt, eine Abhängigkeit zu entwickeln, als bei anderen Substanzen. Der Party-Konsum kann auch in den Alltag rüberwandern und dann problematisch werden. Wir betreiben deshalb ein Online-Programm, um das Aussteigen aus dem Crystal-Konsum zu erleichtern.  

Wo seid ihr noch außerhalb von Festivals und Partys vertreten?
Wir haben einen Laden in Leipzig, in dem wir Beratungen anbieten. Außerdem haben wir ein Drogentelefon. Und wir machen Präventionsveranstaltungen mit jungen Menschen. Für Club- und Security-Personal bieten wir außerdem spezielle Schulungen an.

Text: pia-rauschenberger - Foto: oh

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